Appell von IOM, UNHCR und UNICEF: Inklusionschancen für Flüchtlinge aus der Ukraine in Österreich weiter verbessern

Wien - Das Kriegsende nicht absehbar. Zugang zu Sozialhilfe sowie langfristige Aufenthaltsperspektiven würden Inklusion und Jobchancen von Geflüchteten aus der Ukraine ankurbeln.

Ein geflüchtetes ukrainisches Mädchen bekommt Lernunterstützung in Ungarn.
© UNICEF/UNI518713/Cernius

Am 24. Februar jährt sich die russische Invasion der Ukraine zum zweiten Mal. Rund 6,5 Millionen Flüchtlinge – die meisten von ihnen Frauen und Kinder – haben vor allem in europäischen Ländern Zuflucht gefunden, innerhalb der Ukraine sind rund 3,7 Millionen Menschen vertrieben.

In Österreich leben aktuell rund 83.000 Flüchtlinge aus der Ukraine, davon 25.000 Kinder, im Rahmen des EU-weiten temporären Schutzes, und das Engagement aller Akteur*innen in der Nothilfe war beispiellos. Angesichts der unvermindert andauernden Kampfhandlungen in der Ukraine ist es aus Sicht der Internationalen Organisation für Migration IOM, des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR und des UN-Kinderhilfswerks UNICEF nun aber unabdingbar, langfristige Lösungen für Flüchtlinge aus der Ukraine in Österreich zu finden, um ihre Inklusionschancen zu erhöhen.

Nachdem im vergangenen Jahr der Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge aus der Ukraine nochmals erleichtert wurde, wäre aus Sicht der drei UN-Organisationen nun der Zugang zur Sozialhilfe eine weitere wichtige Inklusionshilfe. Aktuell sind Flüchtlinge aus der Ukraine nach wie vor im sogenannten Grundversorgungs-System, das für kurze Aufenthalte hauptsächlich für Asylsuchende konzipiert wurde. Die Leistungen der Grundversorgung (z.B. maximal rund 440 Euro pro Monat für eine erwachsene alleinstehende Person für alle Kosten wie Miete, Nahrung, Hygiene, Kleidung, etc.) reichen daher ohne Hilfe der Zivilgesellschaft so gut wie nicht für ein Überleben aus, wie auch eine Umfrage von UNHCR deutlich zeigte.

„Hier braucht es ganz dringend einen Systemwechsel, um Ukrainerinnen und Ukrainer aus der Armutsfalle zu holen und ihre Nachteile beim Einstieg in einen Job zu beseitigen und somit ein Leben auf eigenen Beinen zu ermöglichen. Das hätte nicht nur für die betroffenen Personen, sondern auch für die Aufnahmegesellschaft Vorteile“, so Christoph Pinter, Leiter von UNHCR in Österreich.

Ein kompliziertes Berechnungssystem und sehr wenig Möglichkeiten, sich in der Grundversorgung etwas dazuverdienen zu dürfen, machen es außerdem fast unmöglich, gering bezahlte bzw. Teilzeitjobs anzunehmen. Zudem bietet die Sozialhilfe Schnittstellen zum Arbeitsmarktservice, die bei der Grundversorgung fehlen. Vor allem im Hinblick auf die große Gruppe von alleine geflüchteten Frauen mit Kindern und deren Betreuungspflichten wäre der Zugang zur Sozialhilfe wichtig.

„Kinder, die aus der Ukraine vertrieben wurden und viel Leid ertragen mussten, brauchen Sicherheit und Chancen. Sind sie nun, statt diese Sicherheit zu erfahren, von Armut betroffen hat es weitreichende Folgen. Zukunftschancen werden genommen und auch die körperliche und psychische Gesundheit leiden langfristig. Kinder haben ein Recht auf Versorgung und gesellschaftliche Teilhabe, bestmögliche Gesundheit sowie Bildung.  JEDES Kind hat diese Rechte. Von einer gerechten Gesellschaft gewinnen wir alle“, so Christoph Jünger, Leiter von UNICEF Österreich.

IOM, UNHCR und UNICEF appellieren weiters aufgrund des nicht-absehbaren Kriegsendes, so bald wie möglich langfristig Sicherheit sowohl für die betroffenen Ukrainer:innen wie auch die österreichischen Arbeitgeber:innen zu schaffen.

„Bei einem Großteil der Vertriebenen handelt es sich um Frauen und Kinder sowie ältere Erwachsene. Eine prekäre finanzielle Situation und Abhängigkeiten erhöhen das Risiko von Ausbeutung und Missbrauch", erklärt Marian Benbow Pfisterer, Leiterin von IOM Österreich. „Daher muss vor allem ihre finanzielle Lage verbessert werden – durch eine verbesserte soziale Absicherung, die gezielte Förderung der Arbeitsmarktintegration sowie die Schaffung einer längerfristigen Aufenthaltsperspektive.“

 Dabei sind gezielte alters- und geschlechtssensible Maßnahmen erforderlich, die verschiedene Dimensionen von Inklusion berücksichtigen. Arbeitsorientierte Ansätze etwa müssen mit den Bedürfnissen in anderen Bereichen in Einklang gebracht werden. Zum Beispiel ist es unwahrscheinlich, dass eine alleinerziehende Mutter ohne soziales Unterstützungsnetz die wirtschaftlichen Möglichkeiten nutzt, die sich ihr bieten, wenn ihre nichtwirtschaftlichen Bedürfnisse ignoriert werden.

Vor allem auch Flüchtlinge, die nicht oder nur eingeschränkt arbeiten können wie z.B. ältere Menschen, Mütter mit kleinen Kindern oder Personen mit Behinderungen, sollten bei einer künftigen Neuregelung mitbedacht und abgesichert werden.

Abschließend betonen die drei UN-Organisationen, dass vielfach auch noch Potenzial und Qualifikationen von Ukrainerinnen und Ukrainern in Österreich besser genutzt werden könnten. Viele Ukrainer*innen, die nach Österreich geflohen sind, bringen bereits hohe Bildungsabschlüsse mit. Um ihre Jobchancen zu erhöhen, wird von IOM, UNHCR und UNICEF in Österreich empfohlen, die Anerkennung dieser Abschlüsse verstärkt zu fördern.

UNICEF bittet weiterhin auch um Unterstützung für die Nothilfe in der Ukraine.