UNICEF-Studie zeigt schwere Traumata bei Kindern in Afghanistan auf

Der Großteil der Kinder in der afghanischen Hauptstadt Kabul leidet an schweren Traumata. Das ergab eine neue Untersuchung, die heute von UNICEF vorgestellt wurde.

Diese Studie wurde von einer UNICEF-Psychologin durchgeführt, und basiert auf der Befragung von über 300 Kindern zwischen 8 und 18 Jahren in Kabul.

Die Untersuchung ergab:
* daß 72 Prozent der Kinder zwischen 1992 und 1996 den Tod eines Familienmitgliedes durch den Bürgerkrieg erlebten.
* 40 Prozent dieser Kinder verloren einen Elternteil.
* Alle Kinder hatten Gewalttätigkeiten während der Kämpfe mitangesehen, zwei Drittel der Kinder hatten Leichen oder Leichenteile gesehen.
* Die Hälfte der befragten Kinder hatte mitangesehen, wie Menschen bei Raketen- und Artillerieangriffen getötet worden waren.
* 90 Prozent der befragten Kinder glaubten, daß sie selbst durch die Kämpfe sterben werden.

"Wir werden täglich an die körperlichen Narben, die Kriege bei Kindern hinterlassen, erinnert. Doch die Ergebnisse dieser Untersuchung konfrontieren uns mit der Tatsache, daß die seelischen Wunden genauso tief sind", sagte UNICEF-Direktorin Carol Bellamy.

Der Krieg in Afghanistan dauert mittlerweile schon 19 Jahre, und hat fast alle Familien im Land schwer betroffen. Kabul hat während der letzten fünf Jahre die Hauptlast der Kämpfe getragen, da die Stadt das Zentrum für die Machtkämpfe der verschiedenen Parteien ist. Momentan kontrollieren die Taliban-Milizen die Stadt, und kämpfen gegen die Truppen der ehemaligen Regierung.

Die Kinder von Kabul haben mitangesehen, wie ihre Familien durch Raketen und Minen getötet oder verletzt wurden, und wie ihre Häuser durch Bomben und Granaten zerstört wurden.

75 Prozent der befragten Kinder glauben, daß sie sterben werden, bevor sie erwachsen sind. Der Großteil der Kinder leidet unter Alpträumen, Angstzuständen und Konzentrationsschwierigkeiten. Auch ihren Appetit und ihre Fähigkeit, sich zu entspannen und zu spielen, sind beeinträchtigt.

Beinahe alle Kinder sagten, daß sie Angst vor der Zukunft haben, Angst davor, was ihnen und ihren Familien passieren wird. 50 Prozent der Kinder gaben Angst als ihre stärkste Emotion an.

"Die UNICEF-Studie konzentriert sich zwar auf Kinder, doch es ist klar, daß auch die Erwachsenen in Kabul schreckliche Dinge erlebt und mitgemacht haben", sagt die UNICEF-Psychologin Dr. Leila Gupta. "Um den Kindern zu helfen, müssen wir auch ihren Familien und Gemeinden helfen, mit den Verlusten und Traumata fertig zu werden."

UNICEF hat bereits mit der Ausbildung einer Gruppe von 15 Psychologen begonnen, die Kindern bei der Aufarbeitung und Bewältigung ihrer Traumata und Trauer helfen sollen. Die Gruppe besteht aus Mitarbeitern verschiedener afghanischer Hilfsorganisationen, dem psychologischen Institut in Kabul, dem Gesundheitsministerium und UNICEF.

Diese Psychologen werden dann weitere Betreuer ausbilden, die mit Kindern arbeiten. Den Kindern soll geholfen werden, ihre schmerzhaften Erfahrungen auszudrücken: durch Malen, Singen, Schreiben, Theaterspiel. Zusätzlich schreibt UNICEF ein spezielles Kinderbuch mit den Zeichnungen der traumatisierten Kinder. UNICEF und BBC bereiten ein Hörspiel für Kinder zu diesem Thema vor, das in den lokalen Sprachen in Afghanistan gesendet werden wird.

"Um die langfristigen psychosozialen Auswirkungen von Gewalt und Krieg zu bewältigen, ist es für Kinder besonders wichtig, eine stabile Umgebung und erwachsene Vertrauenspersonen zu haben, um ihre Erlebnisse ausdrücken zu können", sagt Dr. Gupta.