40 Prozent der Kinder im östlichen und südlichen Afrika gehen nicht in die Schule

Nairobi/Johannesburg/Wien - Etwa 69 Millionen Kinder gehen derzeit aufgrund von COVID-19 und Ursachen, die es bereits vor der Pandemie gab, nicht in die Schule

Ange ist eine der herausragenden Schüler*innen des Förderunterrichts. Osten Ruandas. 2021
Ange ist eine der herausragenden Schüler*innen des Förderunterrichts in der Nyarubare-Grundschule im Bezirk Kayonza im Osten Ruandas. 2021 © UNICEF

UNICEF schätzt, dass 40 Prozent aller Kinder im schulpflichtigen Alter im östlichen und südlichen Afrika aufgrund von COVID-19 bedingten Schulschließungen und dem Stand vor der Pandemie nicht in die Schule gehen.

In der gesamten Region werden aufgrund des jüngsten Anstiegs an COVID-19-Fällen erneut Schulen geschlossen, wobei schätzungsweise über 32 Millionen Kinder aufgrund von pandemiebedingten Schulschließungen nicht in die Schule gehen oder nach der Öffnung ihrer Schulen zu Beginn dieses Jahres nicht zurückgekehrt sind. Hinzu kommen schätzungsweise 37 Millionen Kinder, die bereits vor der Pandemie nicht zur Schule gegangen sind.

„Obwohl die Zahl der Kinder, die keine Schule besuchen, je nach den örtlichen Gegebenheiten ständig schwankt, ist die Tatsache, dass schätzungsweise 40 Prozent der Kinder in der Region nicht in die Schule gehen, schockierend", sagt Lieke van de Wiel, stellvertretende UNICEF-Regionaldirektorin für das östliche und südliche Afrika. „Wir fordern alle Regierungen auf, der Bildung Priorität einzuräumen und dafür zu sorgen, dass die Schulen offen und sicher bleiben. Zum Wohle jedes einzelnen Kindes, aber auch für die Zukunft ihrer Gemeinden und Länder."

Während ein Großteil Afrikas von einer neuen COVID-19-Welle heimgesucht wird, haben Botswana, Namibia, Sambia und Uganda vor kurzem ihre Schulen landesweit wieder geschlossen. Simbabwe verlängerte die Winterferien, was zu weiteren Schulschließungen führte. Ruanda und Mosambik haben die Schulen in einigen der am stärksten von dem Virus betroffenen Gebiete teilweise geschlossen. Südafrika öffnete die Schulen diese Woche nach einer Verlängerung der Winterpause wegen der COVID-19-Ausbreitung wieder.

UNICEF schätzt, dass derzeit etwa 69 Millionen Kinder in der Region nicht in die Schule gehen. Dies ist auf Schulschließungen aufgrund von COVID-19 sowie auf eine Reihe andere Faktoren zurückzuführen, wie die fehlende finanzielle Möglichkeit der Eltern, Schulgebühren oder Fahrtkosten zu bezahlen, Kinderarbeit aufgrund von Armut, Mädchen, die die Schule wegen des Drucks, heiraten zu müssen, oder mangels der Problematik, sich während der Menstruation Damenbinden zu leisten, abbrechen, sowie Zugangsprobleme für Kinder mit Behinderungen.

Einige afrikanische Kinder hatten Zugang zu Online-Learning, aber Millionen von Mädchen und Buben haben nur kaum oder gar keinen Zugang zum Internet, zu Computern oder Telefonen. Darüber hinaus vermittelt der Schulbesuch nicht nur die notwendigen Grundkenntnisse, um den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen, sondern auch Schutz vor schädlichen Praktiken wie Kinderehen, Schwangerschaft oder Missbrauch zu Hause oder auswärts und kann eine tägliche, nahrhafte Mahlzeit gewährleisten.

„Seit dem Ausbruch der Pandemie haben wir eine steile Lernkurve durchlaufen, sowohl in Bezug auf die Sicherheit der Schulen als auch in Bezug darauf, wie schädlich es für die Kinder und ihre Gemeinschaften ist, wenn ihre Klassenzimmer geschlossen werden", so Frau van de Wiel weiter. „Die Auswirkungen von Schulschließungen – sowohl kurz- als auch langfristig – sind zu groß, um die Beibehaltung dieses Ansatzes zu rechtfertigen. Und das Online-Lernen allein kann nicht die allgemeinen Vorteile ersetzen, die Kinder erfahren, wenn sie physisch in die Schule gehen, Spaß haben und von Freundinnen und Freunden lernen. Wenn Maßnahmen zur Eindämmung des Problems erörtert und beschlossen werden, müssen die Schulen die letzten sein, die schließen, und die ersten, die öffnen.“

UNICEF unterstützt die Bemühungen der Bildungs- und Gesundheitsministerien, eng zusammenzuarbeiten, um Strategien zu entwickeln, die eine Echtzeit-Überwachung des COVID-19-Kontextes ermöglichen und auf die mit entsprechenden, lokalisierten Maßnahmen reagiert werden kann. Landesweite Schulschließungen müssen das allerletzte Mittel sein.

Die seit Beginn der Pandemie gesammelten Erkenntnisse zeigen, dass Kinder und Schulen nicht die Hauptverantwortlichen für die Pandemie sind. Bislang sind die von COVID-19 ausgehenden Gesundheitsrisiken für Kinder gering geblieben. Mehr als ein Jahr nach der ersten Schließung von Schulen in der Region haben UNICEF und seine Partner ein umfangreiches Wissen darüber zusammengetragen, wie die Risiken des Virus für Kinder, Lehrer*innen und ihre Familien verringert werden können.

„Angesichts der Tatsache, dass ein Fünftel aller Kinder im schulpflichtigen Alter bereits vor der Pandemie nicht in die Schule gegangen ist, besteht kein Zweifel daran, dass diese anhaltenden Unterbrechungen die Lernkrise weltweit und auf dem Kontinent weiter anheizen, die sich zu einer Lernkatastrophe ausweitet", sagt Frau van de Wiel.

Derzeit sind in 12 von 21 Ländern im östlichen und südlichen Afrika die Schulen vollständig geöffnet, in drei Ländern sind sie teilweise geöffnet. UNICEF begrüßt die Entscheidung der Gesundheits- und Bildungsministerien, die Schulen wieder zu öffnen und dabei bewährte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sowie das Lehrpersonal vorrangig zu impfen.

Die Pandemie verschärft auch die ohnehin schon prekäre Finanzierungssituation im Bildungsbereich: Nur fünf der 21 Länder in der Region im östlichen und südlichen Afrika gaben mindestens 20 Prozent ihres Budgets für Bildung aus, wie es das Ziel „Bildung für alle" vor der Krise vorsah.

Die Regierungen brauchen dringend Unterstützung, um weiter in die Voraussetzungen für die Offenhaltung der Schulen zu investieren. Die Verfügbarkeit von Masken, eine ausreichende Belüftung und physische Distanzierungsmöglichkeiten durch genügend Tische und Stühle sowie Wasser- und Hygieneeinrichtungen müssen gewährleistet sein. Es bedarf Ressourcen für das Aufholen von Lernverlusten und den Wiederaufbau besserer Systeme zur Bewältigung künftiger Schocks.