Die Zukunft syrischer Kinder steht auf dem Spiel

Amman/Köln/Wien - UNICEF zur Syrien-Hilfskonferenz in Brüssel: Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass in dem mehr als neun Jahre andauernden Konflikt die Kinder den größten Preis zahlen. Der Zugang zu Bildung bleibt die größte Herausforderung für Familien.

Die 9-jährige Maria erhält Unterricht über das Smartphone ihres Vaters. „Ich mag es, so unterrichtet zu werden und ich lerne gerne weiter", sagt Maria, „aber ich würde wirklich gerne wieder in die Schule gehen, um meine Freunde zu treffen und mit ihnen zu spielen."
Die 9-jährige Maria erhält Unterricht über das Smartphone ihres Vaters. „Ich mag es, so unterrichtet zu werden und ich lerne gerne weiter", sagt Maria, „aber ich würde wirklich gerne wieder in die Schule gehen, um meine Freunde zu treffen und mit ihnen zu spielen." © UNICEF

Im zehnten Jahr des syrischen Bürgerkriegs kennt eine ganze Generation von syrischen Kindern nichts anderes als Konflikt, Angst und Not. Fast sechs Millionen Mädchen und Buben wurden seit Beginn des Krieges in Syrien oder auf der Flucht in einem der Nachbarländer geboren. Die Corona-Pandemie bedeutet für sie eine weitere Katastrophe. Anlässlich der internationalen Geberkonferenz für Syrien ruft UNICEF zu weiterer umfangreicher Hilfe für das Überleben, den Schutz und die Bildung der betroffenen Kinder in Syrien und seinen Nachbarländern auf. Eine aktuelle Umfrage in Syrien und unter syrischen Familien in Jordanien und im Libanon zeigt, wie sehr der Krieg die Kinder trifft:

  • Fast 90 Prozent der Befragten in Syrien gaben an, dass Kinder in diesem Konflikt den höchsten Preis zahlen.
  • Die im Land lebenden Syrer*innen sehen die Zukunft der Kinder tendenziell optimistischer als jene, die in den Nachbarländern leben. Familien mit Kindern sind in der Regel deutlich weniger optimistisch als kinderlose Paare.
  • Mehr als ein Drittel der Familien in Syrien schätzte die Qualität der Bildung und 23 Prozent den Zugang zu Bildung als eine der größten Herausforderungen für ihre Kinder ein.
  • Zu den weiteren größten Problemen zählen Armut, die Gesundheitsversorgung und die Betreuung von Waisenkindern.
  • Auf die Frage, was das Wichtigste für Kinder sei, antworteten die meisten Befragten, dass für sie die Rückkehr der Kinder in die Schule den größten Stellenwert hat.
  • Mehr als die Hälfte der Befragten in Syrien berichtete von Schäden an Schulen in ihrer Region.
  • In einigen Teilen Syriens gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass mindestens ein Kind der Familie nicht zur Schule geht, während dies nur bei rund einem Drittel der syrischen Geflüchteten in Jordanien und im Libanon der Fall war.
  • Fast alle Befragten gaben an, dass psychische Wunden genauso schwerwiegend sind wie körperliche Verletzungen.
  • Die meisten befragten Menschen haben Vertreibungen, Verletzungen oder den Tod von nahestehenden Personen erlebt.
  • Mehr als die Hälfte der in Syrien und mehr als ein Drittel der in Jordanien und im Libanon befragten Personen gab an, dass ein Familienmitglied in dem Konflikt verletzt wurde.
  • Fast die Hälfte der in Syrien befragten Personen gab an, dass ein Familienmitglied während des Konflikts inhaftiert wurde und fast ein Drittel der in Jordanien und im Libanon Befragten berichtete, dass entweder sie oder ein Familienmitglied während des Konflikts inhaftiert wurde.

„In dieser Umfrage sprechen Syrer*innen zu uns und berichten, wie der Krieg ihr Leben und das ihrer Kinder prägt und wie sie einen der brutalsten Kriege der jüngeren Geschichte überlebt haben," sagt Ted Chaiban, UNICEF-Regionaldirektor für den Mittleren Osten und Nordafrika. „Es ist offensichtlich, dass die Wunden tief und die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen enorm sind. Aus dieser Umfrage wissen wir auch, dass Bildung für Kinder und Armut zu den größten Sorgen der Menschen gehören.“

Schätzungsweise 2,8 Millionen syrische Kinder können nicht in die Schule gehen – viele von ihnen hatten noch nie in ihrem Leben eine Chance auf Schulunterricht. Doch fast fünf Millionen Mädchen und Buben in Syrien und in den Nachbarländern können trotz aller Widrigkeiten weiterhin lernen. Dies ist vor allem den Bemühungen von Lehrer*innen, dem Bildungspersonal, Partnern vor Ort und der großzügigen Hilfe von UNICEF-Unterstützer*innen zu verdanken.

„Während sich relevante Akteure zu einer weiteren Hilfskonferenz für Syrien in Brüssel treffen, möchten wir uns bei allen Gebern für die beispiellose Großzügigkeit bedanken. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass syrische Kinder weiter in dei Schule gehen konnten. Die Großzügigkeit gegenüber den Kindern in Syrien und den Nachbarländern darf nicht enden. Nur so können Kinder verlorene Schuljahre nachholen oder ihren Bildungsweg fortsetzen. Da die informelle Bildung in einigen von UNICEF unterstützten Zentren und kinderfreundlichen Orten durch die COVID-19-Pandemie teilweise unterbrochen ist, sind umfangreiche Finanzmittel umso wichtiger. Dies ist von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Kinder und die Zukunft Syriens“, so Chaiban.

Um syrische Kinder weiterhin zu unterstützen, benötigt UNICEF derzeit 682 Millionen US-Dollar für die Programmarbeit in Syrien und in den Nachbarländern.

Hintergrundinformationen zur Umfrage
Die Ergebnisse gehen zurück auf eine Umfrage der Meinungsforschungsinstitute Gallup International und ORB International. In persönlichen Interviews wurden 2.552 Menschen in Syrien sowie 1.000 geflüchtete Syrer*innen in Jordanien und im Libanon nach ihren Sorgen befragt und nach den größten Herausforderungen, denen sie und ihre Kinder seit Beginn des Krieges vor mehr als neun Jahren gegenüberstehen. Die Umfrage wurde Anfang des Jahres, vor den ersten bestätigten COVID-19-Fällen in den drei Ländern, durchgeführt.

Ziel der Umfrage war es, syrischen Familien eine Stimme zu geben, die Auswirkungen von Krieg und Konflikten zu zeigen und dabei zu helfen, eine angemessene Antwort auf die Bedürfnisse zu finden, die Familien für ihren weiteren Lebensweg formuliert haben.

Für Redaktionen

Informationen zur Umfrage und zur Situation in Syrien. (in Englisch)