Ehemalige Kindersoldaten in Ruanda

Der 15-jährige Jean-Pierre sieht aus wie jeder andere Bub in seinem Alter. Er scherzt und spielt Fußball mit seinen Freunden. Doch manchmal wird seine Miene ausdruckslos, betrübt oder angstvoll. Denn Jean-Pierre ist nicht wie andere Jugendliche. Während des Bürgerkrieges in Ruanda kämpfte er 1994 in der Armee. In dieser Zeit kämpften ungefähr 4.700 Kinder zwischen 7 und 17 Jahren als Soldaten.

Wie viele andere schloß sich Jean-Pierre, der Armee an, um überleben zu können. Er mußte mit ansehen, wie seine Eltern getötet wurden. Die Angst, nun selbst der Gewalt schutzlos preisgegeben zu sein, trieb den damals 12-jährigen Buben in die Rwandan Patriotic Army. "Ich habe Schutz bei den starken Männern gesucht und habe gar nicht gewußt, was es bedeutet, bei der Armee zu sein. Ich möchte weiter zur Schule gehen und Arzt werden", erzählt Jean-Pierre.

Während seiner Zeit in der Armee bediente er zehn "Masters" oder "Patrons", von denen seine Ernährung und sein Auskommen abhängig waren. "Manche waren gut zu mir, doch manche waren böse, und schlugen und traten mich", sagt er. "Sie konnten sich alles erlauben. Man mußte sich immer mit ihnen gut stellen."

Kindersoldaten sind die tragischsten Opfer eines Krieges. Ihre Kindheit und ihre Familien wurde ihnen genommen, und wenn sie aus den Militärdiensten entlassen werden, besitzen sie kaum noch Selbstwertgefühl und haben Probleme mit ihrer Identität. Sie wurden oft mit Gewalttaten konfrontiert, durch die sie physisch oder psychisch verletzt wurden.

Auch Mädchen wurden von den kämpfenden Parteien rekrutiert. Das Waisenkind Beatrice wurde von Soldaten aufgegriffen, als sie sich in einem Feld versteckte, und zum Militärdienst gezwungen. Sie spricht nicht viel über ihre Vergangenheit, aber sie hat Pläne für die Zukunft: "Ich möchte einmal Lehrerin werden."

Ähnliche Träume haben auch viele andere Kinder hier an der Kadogo-Schule für ehemalige Kindersoldaten im südwestlichen Ruanda. Diese Schule wurde 1995 von UNICEF und der Regierung von Ruanda eingerichtet. Seitdem ist sie das Heim von 2.500 ehemaligen Kindersoldaten. Die Schule ist eine Art Übergangszentrum für Kindersoldaten, die aus der Armee entlassen wurden. In der Kadogo-Schule werden sie medizinisch versorgt, erhalten Schulbildung, können einen Beruf erlernen und erhalten psycho-soziale Beratung. "Das ist die Vorbereitung zur Wiedereingliederung der ehemaligen Kindersoldaten in die Gesellschaft", sagt Ray Torres, UNICEF-Mitarbeiter in Ruanda. "Die tatsächliche soziale Integration ist eine weit schwierigere Aufgabe. Diese Kindersoldaten wurden wie Erwachsenen behandelt. Von ihnen wurde erwartet, wie Erwachsene zu leben, zu handeln, zu reagieren. Aber wie sollen diese Kinder mit ihren Erlebnissen fertig werden?"

Zur Zeit leben 1.700 Kinder in der Kadogo-Schule, 780 Kinder gehen bereits wieder in ihren Heimatgemeinden zur Schule. UNICEF stattete Kadogo mit Schulmaterial und Unterrichtsbehelfen aus, sowie mit sanitären Einrichtungen und sauberem Trinkwasser. Jene Kinder, die schon in ihre Heimatgemeinden zurückkehren konnten, erhielten von UNICEF Schuluniformen und Decken. Gemeinsam mit der Regierung richtete UNICEF eine Datenbank zur Erfassung der ehemaligen Kindersoldaten ein, um sie wieder mit ihren Familien zu vereinen. 80 Lehrer und Sozialarbeiter wurden von UNICEF speziell für die Betreuung der traumatisierten ehemaligen Kindersoldaten ausgebildet. 1996 konnten 300 Kinder zu ihren Eltern zurückkehren.

2.200 Kindersoldaten müssen noch abrüsten, daher wird UNICEF die Kadogo-Schule noch mindestens bis Ende 1997 intensiv unterstützen. Dan Tool, UNICEF-Mitarbeiter in Ruanda, sagt: "Das Ziel von UNICEF in Ruanda ist es, die grundlegenden Rechte der Kinder auf Schutz, Fürsorge, Schulbildung und medizinische Versorgung sicherzustellen. Kinder sollten in ihren Gemeinden leben und aufwachsen, und von ihren Familien und ihrer Nachbarschaft in ihrer Entwicklung unterstützt werden. Die Demobilisierung von Kindersoldaten ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung."