Fast 37 Millionen Kinder sind weltweit auf der Flucht

New York/Wien - Nach Schätzungen von UNICEF waren Ende 2021 rekordverdächtige 36,5 Millionen Kinder aufgrund von Konflikten, Gewalt und anderen Krisen aus ihrer Heimat vertrieben – die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese Zahl umfasst 13,7 Millionen Flüchtlings- und asylsuchende Kinder† und fast 22,8 Millionen Kinder, die aufgrund von Konflikten und Gewalt im eigenen Land vertrieben wurden.

Ein syrisches Mädchen ist auf der Flucht, sie blickt traurig aus einer Menschenmenge hervor.
© UNICEF/UN0583326/

In diesen Zahlen nicht enthalten sind Kinder, die durch Klima- und Umwelteinflüsse oder Katastrophen vertrieben wurden, sowie Kinder, die sich im Jahr 2022 unter anderem durch den Krieg in der Ukraine zusätzlich auf der Flucht befinden.

Die Rekordzahl der vertriebenen Kinder ist das direkte Ergebnis einer Vielzahl von Krisen, darunter akute und langwierige Konflikte wie in Afghanistan, die Fragilität in Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo oder dem Jemen. Die Auswirkungen des Klimawandels verschärfen in vielen Ländern die Lage zusätzlich. Ebenso wie die Anfälligkeit breitet sich auch die Vertreibung von Kindern rasch aus. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der vertriebenen Kinder weltweit um 2,2 Millionen gestiegen.

Wir können die Fakten nicht ignorieren: Die Zahl der Kinder, die durch Konflikte und Krisen vertrieben werden, steigt rapide an  und damit auch unsere Verantwortung, sie zu erreichen", sagt UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Ich hoffe, dass diese alarmierende Zahl die Regierungen dazu bewegen wird, zu verhindern, dass Kinder überhaupt vertrieben werden  und wenn sie vertrieben sind, ihren Zugang zu Bildung, Schutz und anderen wichtigen Dienstleistungen sicherzustellen, die ihr Wohlergehen und ihre Entwicklung jetzt und in Zukunft unterstützen."

Krisen wie der Krieg in der Ukraine, durch den seit Februar mehr als zwei Millionen Kinder aus dem Land geflohen sind und drei Millionen Kinder innerhalb des Landes vertrieben wurden, kommen zu diesem Rekordhoch noch hinzu. Darüber hinaus werden Kinder und Familien auch durch extreme Wetterereignisse wie die Dürre am Horn von Afrika und in der Sahelzone sowie durch schwere Überschwemmungen in Bangladesch, Indien und Südafrika aus ihrem Zuhause vertrieben. Im Jahr 2021 wurden 7,3 Millionen Kinder infolge von Naturkatastrophen neu vertrieben.

Die weltweite Flüchtlingsbevölkerung hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt, wobei Kinder fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachen. Über ein Drittel der vertriebenen Kinder lebt in Afrika südlich der Sahara (3,9 Millionen oder 36 Prozent), ein Viertel in Europa und Zentralasien (2,6 Millionen oder 25 Prozent) und 13 Prozent (1,4 Millionen) im Nahen Osten und Nordafrika.

Während die Zahl der vertriebenen und geflüchteten Kinder ein Rekordhoch erreicht, ist der Zugang zu grundlegender Unterstützung und Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Schutz unzureichend. Etwa zwei Drittel aller Flüchtlingskinder besuchen die Grundschule, während nur etwa ein Drittel der jugendlichen Flüchtlinge eine weiterführende Schule besucht.

Entwurzelte Kinder – ob Flüchtlinge, Asylbewerber*innen oder Binnenvertriebene – können in ihrem Wohlergehen und ihrer Sicherheit stark gefährdet sein. Dies gilt insbesondere für die Hunderttausenden unbegleiteten oder getrennten Kindern, die einem erhöhten Risiko von Menschenhandel, Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind. Kinder machen etwa 34 Prozent der weltweit festgestellten Opfer des Menschenhandels aus.

UNICEF fordert die Mitgliedstaaten auf, ihre Verpflichtungen für die Rechte aller entwurzelten Kinder einzuhalten, einschließlich der Verpflichtungen, die im Rahmen des Globalen Pakts für Flüchtlinge (GCR) und des Globalen Pakts für Migration (GCM) eingegangen wurden, und weiter in Daten und Forschung zu investieren, die das wahre Ausmaß der Probleme von geflüchteten, migrierten und vertriebenen Kindern widerspiegeln.

UNICEF fordert die Regierungen auf, sechs Maßnahmen zu ergreifen, um gleiche Rechte und Chancen für alle geflüchtete, migrierte und vertriebenen Kinder zu erreichen:

  1. Gleiche Unterstützung für alle Kinder, egal woher sie kommen;
  2. Geflüchtete, migrierten und vertriebene Kinder in erster Linie als Kinder anzuerkennen – mit dem Recht auf Schutz, Entwicklung und Beteiligung;
  3. Verstärktes kollektives Handeln, um allen entwurzelten Kindern und Familien unabhängig von ihrem Status einen effektiven Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen – einschließlich Gesundheitsversorgung und Bildung – zu gewährleisten;
  4. Schutz von geflüchteten, migrierten und vertriebenen Kindern vor Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit;
  5. Beendigung schädlicher Grenzschutzpraktiken und der Inhaftierung von Kindern bei der Einwanderung;
  6. Befähigung von geflüchteten und vertriebenen Jugendlichen, ihre Talente zu entfalten und ihr volles Potenzial auszuschöpfen.

Anmerkungen für Redaktionen

† Die Zahl umfasst Flüchtlinge unter dem Mandat von UNHCR bzw. UNRWA sowie Kinder venezolanischer Herkunft, die ins Ausland vertrieben wurden, wie von UNHCR gesondert angegeben werden.

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