Kindeswohl im Asylverfahren – UNICEF Österreich zu Bericht der Kindeswohlkommission

Wien - UNICEF Österreich begrüßt, dass das Thema Kindeswohl im Asylverfahren im Bericht der Kindeswohlkommission, der heute veröffentlicht wurde, umfassend behandelt wird und Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte erhält.

Eine Frau trägt einen kleinen Jungen, ein junges Mädchen hält sich hinten an ihrer Jacke fest. Sie gehen entlang der Zuggleise, die Griechenland und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien verbinden.
Eine Frau trägt einen kleinen Jungen, während ein junges Mädchen sich hinten an ihrer Jacke festhält. Sie gehen entlang der Zuggleise, die Griechenland und die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien verbinden. Griechenland, März 2016 © UNICEF

Der Bericht der Kindeswohlkommission unter der Leitung von Dr. Irmgard Griss zeigt die weitreichende Bedeutung des Kindeswohls für das Asyl- und Fremdenrecht und lenkt den Blick auf Verbesserungspotentiale, um Kinderrechte für alle Kinder in Österreich umfassend umzusetzen.

„Eine strukturierte Herangehensweise, um die Einhaltung des Kindeswohls in Asyl- und Rückkehrentscheidungen sicherzustellen, macht einen Unterschied für jedes einzelne Kind. Die Empfehlungen des Berichts der Kindeswohlkommission zeigen, dass ein kinderzentrierter Ansatz kein Luxus sondern Anspruch an alle Akteure und Akteurinnen ist, die über den rechtlichen Status von Kindern und Familien entscheiden“, so Corinna Geißler, Leitung Advocacy des Österreichischen Komitees für UNICEF.  

Die gemeinsame Studie von UNICEF Österreich und asylkoordination österreich „Dreimal in der Woche weinen, viermal in der Woche glücklich sein“ aus dem Jahr 2019 kam zu dem Schluss, dass begleitete Kinder in Asylverfahren von Familien oft „unsichtbar“ sind und nicht selbst als Inhaber von Rechten wahrgenommen werden. Oft ist das Bewusstsein oder die Expertise für kindgerechte Einbindung im Asylverfahren nicht vorhanden. Möglichkeiten der Partizipation von Kindern im Asylverfahren werden nicht einheitlich umgesetzt und kindgerechte Informationen im Asylverfahren sowie die strukturierte Abfrage von kinderspezifischen Fluchtgründen fehlen.

Zentrale Forderungen von UNICEF Österreich für eine ganzheitliche Herangehensweise und zur Einhaltung der Kinderrechte von allen Kindern im Asylverfahren sind:

  • Schulungen von Akteur*innen im Asylbereich in Bezug auf Kinderrechte, Partizipation und Kindeswohl sowie kindgerechte Information
  • Fokus auf Netzwerkarbeit und Wissensaustausch von Schlüsselstellen, wie Familienberatungsstellen, Schulen, Rechts- und Sozialberatung, Kinder- und Jugendhilfe, Trägerorganisationen von Unterkünften: Mainstreaming und Vernetzung von kinder- und jugendspezifischem Wissen sowie flucht- bzw. asylspezifischem Wissen
  • Strukturierte Kindeswohl-Prüfung im Asylverfahren und bei Rückkehrentscheidungen – nach klar definierten Faktoren, dokumentiert und multidisziplinär
  • Rasche Obsorge-Regelung von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen in Österreich

Im internationalen Kontext gibt es bereits erprobte Beispiele, etwa das skandinavische Barnahus-Konzept, in dem kindersensible Interviewtechniken sowie die altersadäquate Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen umgesetzt werden. Die Notwendigkeit, Kinderschutz und kindgerechte Unterbringung für alle Kinder – egal ob begleitet oder unbegleitet – umzusetzen wurde durch die UNICEF-Initiative „Mindeststandards zum Schutz von Kindern in Flüchtlingsunterkünften in Österreich“ deutlich.

Gemeinsam erarbeitete Guidelines von führenden Organisationen im Bereich Kinderrechte und Flucht geben zudem Orientierung, nach welchen Prinzipien Kindeswohlprüfungen im Asylverfahren und bei Rückkehrentscheidungen durchgeführt werden müssen:

  • Ein Kind als Kind behandeln, im Zweifelsfall von der Minderjährigkeit ausgehen;
  • Das Kindeswohl als vorrangige Erwägung;
  • Die Kindeswohlprüfung ist ein dokumentierter und multidisziplinärer Prozess. (Beispiel: Einbindung von Sozialarbeiter*innen, Obsorgeberechtigten, Lehrer*innen, Ärzt*innen und Psycholog*innen)
  • Die Meinung des Kindes soll durch das ganze Verfahren hindurch gehört werden.
  • Merkmale der Entscheidung: Das Ergebnis der Kindeswohlprüfung soll festhalten, was im besten Interesse des Kindes ist und wie dies umgesetzt werden soll. Die Entscheidung muss unabhängig, unparteiisch, dokumentiert, begründet und nachvollziehbar sein. Das Recht auf Berufung muss gegeben sein.
  • Status und grundlegende Bedürfnisse des Kindes während des Verfahrens beachten: Keine Inhaftierung auf Basis des Migrationsstatus, keine Trennung von den Eltern oder Bezugspersonen, Dokumentation über ihr Asylverfahren, Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen grundlegenden Dienstleistungen.
  • Bei unbegleiteten Minderjährigen: Einbindung der/ des Obsorgeberechtigten.

Für Redaktionen

Studie: „Dreimal in der Woche weinen, viermal in der Woche glücklich sein“ Zur kinderrechtlichen Situation begleiteter Kinderflüchtlinge und ihrer Familie, UNICEF Österreich, asylkoordination österreich (2019).

Guidance to respect children’s rights in return policies and practices: Focus on the EU legal framework, UNICEF, OHCHR, IOM, Save the children, PICUM, ECRE, Child Circle (2019).

„Mindeststandards zum Schutz von Kindern in Flüchtlingsunterkünften in Österreich“, UNICEF Österreich (2018).  

Empfehlungen zur Obsorgesituation von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen in Österreich, UNICEF Österreich, UNHCR Österreich, IOM Landesbüro für Österreich (2020).