Migration und Flucht: Fünffacher Anstieg der alleine reisenden Kinder seit 2010

Im Vorfeld von G7 fordert UNICEF führende WeltpolitikerInnen auf, Sechs-Punkte-Aktionsplan zum Schutz von Flüchtlings- und Migrantenkindern zu adaptieren.

Ein Bub geht samt seinem Hab und Gut zu Fuß die Bahngleise entlang, um von Mazedonien nach Serbien zu gelangen.
Ein Bub geht samt seinem Hab und Gut zu Fuß die Bahngleise entlang, um von Mazedonien nach Serbien zu gelangen.

„Er sagte zu mir, wenn ich nicht mit ihm schliefe, würde er mich nicht nach Europa bringen. Er hat mich vergewaltigt.” – Mary, 17 Jahre alt, aus Nigeria

NEW YORK/WIEN, 17. Mai 2017 – Die weltweite Zahl von alleine reisenden Flüchtlings- und Migrantenkindern hat ein Rekordhoch erreicht. Seit 2010 ist ein fast fünffacher Anstieg zu beobachten, sagt UNICEF heute in einem neuen Bericht. Mindestens 300.000 unbegleitete oder von ihren Familien getrennte Kinder wurden 2015-2016 in ungefähr 80 Ländern erfasst, 2010-2011 waren es 66.000.

UNICEF fordert weltweites Schutzssystem für Kinder auf der Flucht

Der UNICEF-Report "A Child is a Child: Protecting children on the move from violence, abuse and exploitation" präsentiert eine globale Momentaufnahme von Flüchtlings- und Migrantenkindern, die Beweggründe hinter ihren Reisen und die Risiken, denen sie auf dem Weg begegnen. Der Report zeigt, dass immer mehr dieser Kinder hochgefährliche Routen wählen, um ihre Ziele zu erreichen. Oftmals sind sie dabei den Schmugglern und Menschenhändlern schutzlos ausgeliefert. Diese Tatsache verdeutlicht die klare Notwendigkeit für ein weltweites Schutzsystem, um sie vor Ausbeutung, Missbrauch und Tod zu bewahren.

„Ein Kind, das alleine reist, ist eines zu viel und dennoch gibt es heute eine schwindelerregende Anzahl von Kindern, die genau das tun – wir als Erwachsene versagen, sie zu beschützen“, sagt der stellvertretende UNICEF Direktor Justin Forsyth. „Skrupellose Schmuggler und Menschenhändler beuten ihre Schutzlosigkeit für ihre persönlichen Vorteile aus, helfen den Kindern Grenzen zu überqueren, nur um sie in die Sklaverei oder Zwangsprostitution zu verkaufen. Es ist gewissenlos, dass wir Kinder nicht angemessen vor diesen Verbrechern verteidigen.“

Die Reise zum Traum Europa wird häufig zum Alptraum

Mary, eine 17-jährige unbegleitete Minderjährige aus Nigeria, erlebte das Trauma direkt während ihrer schrecklichen Reise durch Libyen und Italien Opfer von Menschenhandel zu werden. Während sie beschrieb, wie der Schmuggler zu einem Menschenhändler wurde, der ihr anbot ihr zu helfen, sagte sie: „Alles, was er sagte – dass wir gut behandelt werden und dass wir sicher sein würden – es war alles falsch. Es war eine Lüge.“ Mary saß für mehr als drei Monate in Libyen fest, wo sie missbraucht wurde. „Er sagte zu mir, wenn ich nicht mit ihm schliefe, würde er mich nicht nach Europa bringen. Er hat mich vergewaltigt.”

Weitere zentrale Ergebnisse des Berichts:

  • 200.000 unbegleitete Kinder haben 2015-2016 in 80 Ländern um Asyl angesucht.
  • 100.000 unbegleitete Kinder wurden 2015-2016 an der Grenze zwischen den USA und Mexiko aufgegriffen.
  • 170.000 unbegleitete Kinder haben 2015-2016 in Europa Asyl beantragt.
  • 92 Prozent aller Kinder, die im Jahr 2016 über das Mittelmeer in Italien ankamen, waren unbegleitete oder von ihren Familien getrennte Kinder.
  • Ungefähr 28 Prozent der Opfer von Menschenhandel weltweit sind Kinder.
  • Afrika südlich der Sahara (64 Prozent) sowie Zentralamerika und die Karibik (62 Prozent) weisen unter den entdeckten Opfern von Menschenhandel den höchsten Anteil von Kindern auf.
  • 20 Prozent der Schmuggler haben Verbindungen zu Menschenhandelsnetzwerken.

Verbindliches Handeln der G7-Staaten gefordert

Im Vorfeld des G7-Gipfels in Italien, ruft UNICEF die Regierungen auf, seinen Sechs-Punkte-Aktionsplan zum Schutz von Flüchtlings- und Migrantenkindern anzunehmen und damit deren Wohlbefinden sicherzustellen.

„Diese Kinder benötigten eine reale Verpflichtung von Regierungen aus aller Welt, um die Sicherheit während ihrer Migration sicherzustellen“, sagt Forsyth. „Die PolitikerInnen, die sich nächste Woche beim G7-Gipfel treffen, sollten im Einsatz dafür vorangehen, indem sie die Ersten sind, die sich zu unserem Sechs-Punkte-Aktionsplan verpflichten.“

Der UNICEF-Aktionsplan umfasst folgende Punkte:

  1. Geflüchtete und migrierte Kinder, insbesondere unbegleitete, müssen vor Gewalt und Ausbeutung geschützt werden.
  2. Die Inhaftierung von geflüchteten oder migrierten Kindern muss aufhören und eine Reihe von praktischen Alternativen eingeführt werden.
  3. Die Wahrung der Familieneinheit ist der beste Weg, Kinder zu schützen und ihnen einen sicheren rechtlichen Status zu geben.
  4. Alle geflüchteten und migrierten Kinder müssen Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung haben.
  5. Die Ursachen für die Flucht von Kindern und Jugendlichen aus ihrer Heimat müssen bekämpft werden.
  6. In den Transit- und Zielländern müssen Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Marginalisierung gefördert werden.

Downloads

UNICEF-Bericht „A Child is a Child: Protecting children on the move from violence, abuse and exploitation” (PDF, englisch, ca. 19 MB)

Zusammenfassung des Berichts „A Child is a Child: Protecting children on the move from violence, abuse and exploitation” (PDF, deutsch, 421 KB)

Bildmaterial können Redaktionen kostenfrei herunterladen: http://weshare.unicef.org/Package/2AMZIFDKRWO 

 

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