Progress of Nations 1998: GESUNDHEITSZUSTAND VON KINDERN VERSCHLECHTERT SICH TROTZ RÜCKGANG VON KINDERLÄHMUNG

Fortschritte im Gesundheitsbereich werden durch Kriege, Armut und Kürzungen der Entwicklungshilfegelder bedroht, meldet UNICEF
Obwohl sich der weltweite Kampf gegen Kinderlähmung, eine der gefürchtetsten Kinderkrankheiten, nun in seiner Endphase befindet, ist die Gesundheit von Kindern heute mehr gefährdet als noch vor 10 Jahren, als ehrgeizige Ziele für die Ausrottung vieler Kinderkrankheiten formuliert wurden, meldete heute UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.
Eine Analyse dieses verwirrenden Bildes ist eines der Highlights des Progress of Nations 1999, UNICEF´s jährlichem Report über den Fortschritt der Nationen in den Bereichen Gesundheit, Ernährung, Bildung, Rechte des Kindes sowie Fortschritte der Frauen in Industrie- und Entwicklungsländern.
UNICEF-Direktorin Carol Bellamy sagte angesichts der Tatsache, daß die Weltbevölkerung noch in diesem Jahr die 6-Milliarden-Marke erreichen wird, daß eine massive internationale Anstrengung benötigt wird, um sicherzustellen, daß das sechsmilliardste Baby, wo auch immer es geboren wird, in einer Welt ohne Kinderlähmung aufwachsen kann. Letztes Jahr wurden weltweit 5.108 bestätigte Fälle von Polio gemeldet - vor 10 Jahren waren es noch 35.251.
Aber Carol Bellamy warnte, daß die völlige Ausrottung von Polio in vielerlei Hinsicht bedroht ist.
"Wir sind nahe daran, eine Krankheit, die Gemeinden in Schrecken versetzt und unzählige Leben zerstört hat, endgültig auszurotten", sagte die UNICEF-Direktorin anläßlich der heutigen internationalen Präsentation des Progress of Nations 1999. "Aber Bürgerkriege in Ländern wie Angola und der Demokratischen Republik Kongo bedrohen die Kampagne gegen Polio kurz vor dem Ziel und anhaltende Armut braucht die Ressourcen von Gesundheitsbereichen auf. Wir dürfen nun in diesem kritischen letzten Stadium nicht nachgeben."
Bellamy sagte, daß die Kampagne zur Ausrottung der Kinderlähmung, die in Zusammenarbeit mit WHO, Rotary International, den U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und anderen Partnern durchgeführt wird, noch immer etwa 500 Millionen US-Dollar benötigt, um das Ziel zu erreichen.
Trotz dieser Hindernisse hat sich weltweit seit 1988 die Zahl der Fälle von Kinderlähmung um 86% verringert. Dieser Erfolg wurde durch den Einsatz des oralen Polio Impfstoffes möglich, sowie durch die Kombination von Routineimpfungen und nationalen Impftagen. An diesen Tagen schwärmen tausende Freiwillige in Regionen und ganzen Ländern aus, um alle Kinder unter 5 Jahren mit dem Impfstoff gegen Kinderlähmung zu versorgen, ungeachtet wie isoliert oder abgelegen ihre Heimatdörfer sein mögen.
Solche logistisch komplexen Einsätze sind notwendig, da der umfassende Impfschutz einer gesamten Altersgruppe wichtig für die Ausrottung von Polio ist.
Letztes Jahr wurden 450 Millionen Kinder gegen Kinderlähmung geimpft. Allein in Indien wurden an einem einzigen Tag 134 Millionen Kinder geimpft.
"Gesundheitspersonal wanderte durch Wüsten und watete durch hüfthohes Wasser um Kinder mit dem Polio-Impfstoff zu versorgen", sagte Bellamy. "Im Süd-Sudan wurde der Impfstoff auf Kamelen transportiert, in Indien mit Motorrädern und Fahrrädern und in Kambodscha und Vietnam mit Booten. In Ländern wie Sri Lanka, El Salvador und Somalia legten die Kampfparteien die Waffen während einer "Waffenruhe für Kinder" nieder, damit die Kinder gegen Polio geimpft werden konnten."
Die nationalen Impftage haben geschwächte Gesundheitssysteme wieder verstärkt und dort Strukturen geschaffen, wo keine existierten, um auch andere lebensrettende Mittel zu verteilen, wie zum Beispiel Vitamin A-Kapseln, welche die Sterblichkeit von Kindern mit Vitamin A-Mangel wesentlich verringern können. Diese Kapseln - die Kinder davor retten können, an weit verbreiteten Leiden wie Masern oder Durchfall zu sterben - werden nun jedes Jahr an Millionen Kinder verteilt.
"Die globale Strategie zur Ausrottung von Polio war von unschätzbarem Wert um Systeme für das 21. Jahrhundert zu schaffen, die in der Lage sein werden, neue Generationen von Impfstoffen zu verteilen und die mithelfen werden, die Ausbreitung von HIV/AIDS aufzuhalten", sagte Bellamy.
Die Ausrottung der Kinderlähmung wird drei Jahre nach der letzten Meldung eines Krankheitsfalles abgeschlossen sein. Durch die Ausrottung wird es zu jährlichen Einsparungen von 1,5 Milliarden US-Dollar kommen - dieser Betrag wird jedes Jahr für Impfschutz, Behandlung und Rehabilitation ausgegeben.
Zusätzlich entwirft der Progress of Nations ein niederschmetterndes Bild von der zerstörenden Wirkung und dem Verlust an Menschenleben, verursacht durch HIV/AIDS. Jeden Tag werden 16.000 Menschen mit dem Virus infiziert und in den Entwicklungsländern leben nun bereits etwa 10 Millionen AIDS-Waisen.
In Uganda zum Beispiel leben zur Zeit 1,1 Millionen Kinder unter 15 Jahren, die durch HIV/AIDS zu Waisen wurden - ganze 11% der gesamten Bevölkerung unter 15 in Uganda. Zum Vergelich: Die Rate der Kinder, die aus den verschiedensten Gründen zu Waisen wurden beträgt in den Industriestaaten 1%.
Dieser Unterschied, so der UNICEF-Report, ist nur einer der vielen, mit denen das sechsmilliardste Kind konfrontiert sein wird - abhängig davon wo auf dieser Erde das Kind geboren wird.
"Statistisch gesehen stehen die Chancen des sechsmilliardsten Kindes in Wohlstand geboren zu werden weniger als eins-zu-zehn und die Chancen in extremer Armut geboren zu werden stehen drei-zu-zehn", sagte Bellamy. "Wenn das Baby in Afrika zur Welt kommt, wird sein Leben von Mangelernährung, unzureichender Schulbildung, mangelhaften sanitären Einrichtungen, verschmutztem Trinkwasser geprägt sein und quälende Armut und Krankheiten werden sein Leben verkürzen."
Die Aussichten dieses Kindes werden auch durch die Schuldenlast stark eingegrenzt - die sozialen Kosten, die daraus für hunderte Millionen Kinder und Frauen in den ärmsten Ländern dieser Welt entstehen, werden ebenfalls im UNICEF-Bericht beschrieben. Ein Kind in den Entwicklungsländern wird mit einer durchschnittlichen Schuldenverpflichtung von 417 US-Dollar geboren. Afrika südlich der Sahara wendet mehr Geld für die Rückzahlung seiner Schulden in der Höhe von 200 Milliarden US-Dollar auf als für die Gesundheit und die Schulbildung seiner 306 Millionen Kinder.
Der Report fordert den gänzlichen Schuldenerlaß für einige oder alle ärmsten Länder der Welt.
"650 Millionen Kinder leben in extremer Armut", sagte die UNICEF-Direktorin. "Schuldenerleichterung und Schuldenerlaß sind die ersten Schritte um das Recht von Millionen Kinder und Frauen in den Entwicklungsländern auf Gesundheit und Bildung sicherzustellen."