Tigray, Nordäthiopien: Die Zahl der Kinder, die wegen akuter Mangelernährung behandelt werden muss, hat sich verzehnfacht

Genf/Wien - Eine Zusammenfassung der heutigen Pressekonferenz in Genf – UNICEF-Sprecherin Marixie Mercado

In Adikeh im Bezirk Wajirat: Beurteilung des Ernährungszustands von Müttern und Kindern zu beurteilen
UNICEF begab sich nach Adikeh im Bezirk Wajirat, um den Ernährungszustand von Müttern und Kindern zu beurteilen und dringend benötigte therapeutische Nahrungsmittel bereitzustellen. 2021 © UNICEF

„Während UNICEF in Gebiete von Tigray vordringt, die in den vergangenen Monaten aufgrund der unsicheren Lage unzugänglich waren, bestätigen sich unsere schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Gesundheit und des Wohlergehens der Kinder in dieser konfliktreichen Region im Norden Äthiopiens.

UNICEF schätzt, dass in den nächsten 12 Monaten über 100.000 Kinder in Tigray an lebensbedrohlicher schwerer akuter Mangelernährung leiden könnten – das ist eine Verzehnfachung gegenüber der durchschnittlichen jährlichen Fallzahl.
Screening-Daten zeigen auch, dass fast die Hälfte (47 Prozent) aller schwangeren und stillenden Frauen akut mangelernährt ist. Diese alarmierenden Zahlen deuten darauf hin, dass Mütter mit mehr schwangerschaftsbedingten Komplikationen konfrontiert werden könnten. Diese erhöhen das Sterberisiko von Müttern während der Geburt und die Anzahl von Babys mit niedrigem Geburtsgewicht, die viel anfälliger dafür sind, zu erkranken und nicht zu überleben.

Die Schätzungen zur Mangelernährung von Kindern beruhen auf der Analyse von Daten aus wöchentlichen Untersuchungen des mittleren Oberarmumfangs (MUAC), die UNICEF und seine Partner seit dem Ausbruch des Konflikts in der Region, vor fast neun Monaten, durchgeführt haben. Die bei mehr als 435.000 Kindern gesammelten Screening-Daten ergeben eine Schätzung von 2,3 Prozent schwerer und 15,6 Prozent mäßiger akuter Mangelernährung, was über der Notfallschwelle von 15 Prozent liegt. Die Daten für die Mütter beruhen auf Untersuchungen, die zur gleichen Zeit durchgeführt wurden.

Diese Mangelernährungskrise findet vor dem Hintergrund umfassender, systematischer Schäden der Lebensmittel-, Gesundheits-, Ernährungs-, Wasser- und Abwassersysteme und -dienste statt, auf die Kinder und ihre Familien zum Überleben angewiesen sind. Das Risiko des Ausbruchs von Krankheiten ist hoch, insbesondere in den überfüllten, unhygienischen Unterkünften, in denen vertriebene Familien untergebracht sind.

Letzte Woche konnte ich an Ernährungsscreenings in den Woredas Wajirat und Gijet teilnehmen, zwei Bezirken, die während des Konflikts praktisch unzugänglich waren. Was ich sah, war ein Zusammenspiel von Bedingungen, die das Leben von Kindern ernsthaft gefährden: Vielerorts gab es keine Vorräte an therapeutischen Nahrungsmitteln, die zur Behandlung schwerer akuter Mangelernährung benötigt werden. Es gab keine Antibiotika. Die Gesundheitseinrichtungen hatten keinen Strom. Außerdem sind die Kinder seit Monaten nicht mehr geimpft worden.

Die jüngste Verschärfung der Kämpfe in den benachbarten Regionen Afar und Amhara, wo bereits fast 1,5 Millionen Menschen unter akuter Ernährungsunsicherheit leiden, verschlimmert die Lage in ganz Nordäthiopien weiter. Zehntausende Menschen sind vertrieben worden. Lebensmittelvorräte wurden geplündert. Ohne ausreichende humanitäre Hilfe wird die Mangelernährung von Kindern noch weiter ansteigen und zu einem erhöhten Sterberisiko für die gefährdete Bevölkerung führen. UNICEF sendet jetzt Hilfsgüter, um den neuen Bedarf in Afar und Amhara zu decken.

Wir brauchen ungehinderten Zugang nach Tigray und in die gesamte Region, um Kindern und Frauen die dringend benötigte Unterstützung zukommen zu lassen. Zurzeit haben wir in unseren Lagern in Tigray nur 6.900 Kartons mit lebensrettenden, verzehrfertigen therapeutischen Nahrungsmitteln. Das ist nur genug, um die schwere Mangelernährung von 6.900 Kindern zu behandeln.

Um die Katastrophe in den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Wasser und Lebensmittelsicherheit zu beheben, ist eine massive Aufstockung der humanitären Hilfe erforderlich. Und das wiederum bedeutet, dass die humanitäre Gemeinschaft ihre Arbeit ungehindert durchführen können muss, sprich, dass sie Zugang zu Treibstoff, Bargeld und Telekommunikation haben muss, dass sie die benötigten Hilfsgüter einführen kann und dass sie normale finanzielle Transaktionen durchführen darf. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, könnte die humanitäre Hilfe zum Erliegen kommen.

UNICEF appelliert vor allem an alle Parteien, ihrer grundlegenden Verpflichtung nachzukommen, Kinder zu schützen. Die dramatische Ernährungs- und Lebensmittelsicherheitskrise in Tigray und den angrenzenden Regionen wird durch den bewaffneten Konflikt verursacht und kann nur von den Konfliktparteien gelöst werden.“

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