UNICEF-ITU-Bericht: Zwei Drittel aller schulpflichtigen Kinder haben keinen Internetzugang zu Hause

New York/Genf/Wien - Die Internationale Fernmeldeunion und UNICEF rufen zu dringenden Investitionen zur Überbrückung der digitalen Kluft auf, die Kinder und Jugendliche derzeit an qualitativ hochwertigem digitalen Lernen hindert.

Sheila lernt zu Hause in Kibera, Kenia. Einmal pro Woche teilt ihr ihre Lehrerin telefonisch Fragen mit. Sie beantwortet diese und wird zurück in der Schule von Lehrpersonal benotet. Sheila ist im letzten Jahr ihrer Grundschulausbildung, aber sie macht sich Sorgen, dass sie aufgrund der COVID-19-Pandemie, die zur Schließung aller Schulen in Kenia führte, ihre Prüfungen nicht bestehen wird.
Sheila lernt zu Hause in Kibera, Kenia. Einmal pro Woche teilt ihr ihre Lehrerin telefonisch Fragen mit. Sie beantwortet diese und wird zurück in der Schule von Lehrpersonal benotet. Sheila ist im letzten Jahr ihrer Grundschulausbildung, aber sie macht sich Sorgen, dass sie aufgrund der COVID-19-Pandemie, die zur Schließung aller Schulen in Kenia führte, ihre Prüfungen nicht bestehen wird. © UNICEF

Zwei Drittel aller Kinder im schulpflichtigen Alter weltweit – oder 1,3 Milliarden Kinder im Alter von drei bis 17 Jahren – haben laut einem neuen gemeinsamen Bericht von UNICEF und der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) zu Hause keinen Internetanschluss.

Der Bericht „Wie viele Kinder und Jugendliche haben zu Hause Internetzugang?" stellt einen ähnlichen Mangel bei jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren fest, wobei 759 Millionen oder 63 Prozent zu Hause über keinen Internetanschluss verfügen.

„Dass so viele Kinder und Jugendliche zu Hause kein Internet haben, ist mehr als eine digitale Lücke – es ist eine digitale Kluft", sagt Henrietta Fore, UNICEF-Exekutivdirektorin. „Mangelnde Vernetzung hindert Kinder und Jugendliche nicht nur daran, sich online auszutauschen, sondern auch daran, in der modernen Wirtschaft zu konkurrieren. Dieser Mangel isoliert sie von der Welt. Und im Falle von Schulschließungen, wie sie derzeit Millionen Menschen aufgrund von COVID-19 erleiden, führt dies dazu, dass sie im Bildungsbereich den Kürzeren ziehen. Um es ganz offen zu sagen: Das Fehlen eines Internetzugangs kostet die nächste Generation ihre Zukunft."

Fast eine Viertelmilliarde Schüler*innen weltweit sind nach wie vor von COVID-19-Schulschließungen betroffen. Dadurch sind Hunderte Millionen Schüler*innen gezwungen, sich auf virtuelles Lernen zu verlassen. Für diejenigen, die keinen Internetzugang haben, kann Bildung unerreichbar sein. Schon vor der Pandemie musste eine wachsende Anzahl junger Menschen grundlegende, vermittelbare, digitale, berufsspezifische und unternehmerische Fähigkeiten erlernen, um in der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts wettbewerbsfähig zu sein.

Der Bericht stellt fest, dass die digitale Kluft Ungleichheiten fortbestehen lässt, die bereits Länder und Gemeinschaften spalten. Kinder und Jugendliche aus den ärmsten Haushalten, ländlichen und einkommensschwächeren Staaten fallen sogar noch weiter hinter ihre Altersgenossen zurück und haben nur noch sehr wenige Möglichkeiten, jemals aufzuholen.

Weltweit verfügen 58 Prozent der schulpflichtigen Kinder aus den reichsten Haushalten zu Hause über einen Internetanschluss, während es in den ärmsten Haushalten nur 16 Prozent sind. Das gleiche Ungleichgewicht besteht auch zwischen den Einkommensniveaus der einzelnen Länder. Weniger als jedes zwanzigste schulpflichtige Kind aus einkommensschwachen Ländern verfügt zu Hause über einen Internetanschluss, verglichen mit fast neun von zehn Kindern aus einkommensstarken Ländern.

„Die Anbindung der ländlichen Bevölkerung bleibt eine gewaltige Herausforderung", sagt ITU-Generalsekretär Houlin Zhao. „Wie die ITU-Messung der digitalen Entwicklung zeigt: Fakten und Zahlen 2020 – große Teile der ländlichen Gebiete sind nicht mit einem mobilen Breitbandnetz abgedeckt und weniger ländliche Haushalte haben Zugang zum Internet. Die Kluft bei der mobilen Breitbandnutzung und der Internetnutzung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist besonders groß, wodurch die fast 1,3 Milliarden Kinder im Schulalter, vor allem aus einkommensschwachen Ländern und ländlichen Regionen, Gefahr laufen, ihre Ausbildung zu versäumen, weil sie zu Hause keinen Zugang zum Internet haben.“

Es gibt auch geografische Ungleichheiten innerhalb der Länder und zwischen den Regionen. Weltweit haben etwa 60 Prozent der schulpflichtigen Kinder in städtischen Gebieten zu Hause keinen Internetzugang, verglichen mit etwa drei Viertel der schulpflichtigen Kinder in ländlichen Haushalten. Am stärksten betroffen sind schulpflichtige Kinder in Afrika südlich der Sahara und in Südasien, wo etwa neun von zehn Kindern keinen Zugang zum Internet haben.

 

RegionSchulpflichtige Kinder drei -17 Jahre alt ohne Internetzugang zu Hause
West- und Zentralafrika95% - 194 Millionen
Ost- und Südafrika88% - 191 Millionen
Südasien88% - 449 Millionen
Mittlerer Osten und Nordafrika75% - 89 Millionen
Lateinamerika und Karibik49% - 74 Millionen
Ost-Europa und Zentralasien42% - 36 Millionen
Ostasien und Pazifikregion32% - 183 Millionen
Global 67% - 1.3 Mrd.

Im vergangenen Jahr starteten UNICEF und ITU Giga eine globale Initiative, um jede Schule und die sie umgebende Gemeinschaft an das Internet anzuschließen. In Zusammenarbeit mit Regierungen hat Giga inzwischen über 800.000 Schulen in 30 Ländern erfasst. Mit diesen Daten arbeitet Giga mit Regierungen, der Industrie, dem zivilen Sektor und Partnern aus der Privatwirtschaft zusammen, um überzeugende Investitionsfälle für eine gemischte öffentlich-private Finanzierung zum Aufbau der Vernetzungsinfrastruktur zu erarbeiten, die für den Einsatz digitaler Lernlösungen und anderer Dienste erforderlich ist.

Die Initiative arbeitet jetzt im Rahmen der Initiative „Reimagine Education“ und in Koordination mit Generation Unlimited zusammen. Mit der „Reimagine Education-Initiative“ will UNICEF die Lernkrise angehen und das Bildungswesen verändern, indem Kindern und Jugendlichen der gleiche Zugang zu qualitativ hochwertigem digitalen Lernen ermöglicht wird. Ein Schlüssel zum Erreichen dieses Ziels ist der universelle Internet-Zugang.

Aufbauend auf diesen Bemühungen und auf der Bedeutung des Engagements der Jugend ist Generation Connect eine von der ITU ins Leben gerufene Initiative, die junge Menschen in die Lage versetzen soll, sich in der digitalen Welt zu engagieren und an ihr teilzuhaben.  

Obwohl die Zahlen im UNICEF-ITU-Bericht ein alarmierendes Bild aufzeigen, ist die Situation aufgrund von erschwerenden Faktoren wie Leistbarkeit, Sicherheit und niedrigem Niveau der digitalen Kenntnisse wahrscheinlich noch schlechter. Den jüngsten ITU-Daten zufolge stellen geringe digitale Fähigkeiten nach wie vor ein Hindernis für eine sinnvolle Teilnahme an einer digitalen Gesellschaft dar, während Mobiltelefonie und Internetzugang für viele in den Entwicklungsländern aufgrund der großen Kaufkraftunterschiede nach wie vor zu teuer sind.

Selbst wenn Kinder zu Hause über einen Internetanschluss verfügen, kann es sein, dass sie de facto keinen Zugang zum Internet haben. Zu erledigende Hausarbeiten, Arbeit, der Mangel an entsprechenden Geräten im Haushalt, die Tatsache, dass Mädchen weniger oder gar keine Internetnutzung erlaubt wird oder das mangelnde Verständnis für die Nutzung von Online-Möglichkeiten sind Gründe dafür. Es bestehen auch Probleme hinsichtlich der Online-Sicherheit, da Eltern möglicherweise nicht ausreichend darauf vorbereitet sind, für die Sicherheit ihrer Kinder zu sorgen.

Für Redaktionen

Eine Auswahl an Videos und Fotos steht Redaktionen im Rahmen der Berichterstattung zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Der Bericht stützt sich auf eine weltweit repräsentative Analyse der Verfügbarkeit von Internetanschlüssen in Haushalten mit Kindern und Jugendlichen im Alter von Null bis 25 Jahren, mit Daten aus mehr als 85 Ländern.

Der Bericht ist hier in Englisch abrufbar.

Über ITU
Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) ist die Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), die zusammen mit 193 Mitgliedstaaten und einer Mitgliedschaft von über 900 Unternehmen, Universitäten sowie internationalen und regionalen Organisationen die Innovation im Bereich der IKT vorantreibt. Die ITU wurde 1865 vor über 150 Jahren gegründet und ist das zwischenstaatliche Gremium, das für die Koordinierung der gemeinsamen weltweiten Nutzung des Funkfrequenzspektrums, die Förderung der internationalen Zusammenarbeit bei der Zuweisung von Satellitenumlaufbahnen, die Verbesserung der Kommunikationsinfrastruktur in den Entwicklungsländern und die Festlegung weltweiter Standards zuständig ist, die die nahtlose Verbindung einer Vielzahl von Kommunikationssystemen fördern. Von Breitbandnetzwerken bis hin zu modernsten drahtlosen Technologien, Luft- und Seefahrtsnavigation, Radioastronomie, ozeanographischer und satellitengestützter Erdbeobachtung sowie konvergierenden Festnetz-Mobiltelefon-, Internet- und Rundfunktechnologien – die ITU setzt sich für die Verbindung der Welt ein.

Über Generation Unlimited
Generation Unlimited (GenU) ist eine globale, sektorübergreifende Partnerschaft, um den dringenden Bedarf an erweiterten Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für junge Menschen im Alter von zehn bis 24 Jahren in einem noch nie da gewesenen Ausmaß zu decken.

Über Giga
Giga wurde 2019 von der ITU und UNICEF ins Leben gerufen und ist eine globale Initiative, die jede Schule mit dem Internet und jeden jungen Menschen mit Informationen, Möglichkeiten und Wahlmöglichkeiten verbinden soll. Sie soll sicherstellen, dass jedes Kind mit den digitalen öffentlichen Gütern ausgestattet wird, die es braucht, und befähigt wird, die Zukunft zu gestalten, die es sich wünscht.