UNICEF-Umfrage vor UN-Migrationsgipfel in Marrakesch zeigt Not von migrierten und geflüchteten Kindern und Jugendlichen

Das Kinderhilfswerk UNICEF veröffentlicht alarmierende Daten aus einer Umfrage von rund 4.000 migrierten und gewaltsam vertriebenen Kindern und Jugendlichen im Vorfeld der Konferenz zum UN-Migrationspakt am 10. und 11. Dezember 2018 in Marrakesch, Marokko. „Ich bin es gewohnt zu leiden, und jetzt sehe ich es einfach als normal an“, sagt ein jugendlicher Migrant aus Kenia.

Lara (5) aus Damaskus im Transitzentrum und Flüchtlingslager Slavonski Brod in Kroatien. © UNICEF/UN07714/Kljajo

Zwei Drittel der Befragten einer UNICEF-Umfrage unter fast 4.000 Flüchtlingen und Migranten - im Alter von 14 bis 24 Jahren - waren gezwungen, ihre Länder zu verlassen. Fast die Hälfte der Kinder und Jugendlichen mussten die Flucht alleine ohne Familie antreten.

Der neue UNICEF Bericht „A Right to be Heard: Listening to children and young people on the move“ („Ein Recht darauf, gehört zu werden: Geflüchteten und migrierten Kindern zuhören“) gibt alarmierende Einblicke in die Herausforderungen und Entbehrungen, mit denen junge Flüchtlinge und Migranten auf ihrer Reise auf der Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben konfrontiert sind. 

Der Bericht basiert auf einer Analyse der Informationen, die in den letzten drei Monaten durch eine Online-Umfrage bei rund 4.000 Jugend- und Kinderflüchtlingen und -migranten gesammelt wurden. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen große Lücken bei der Unterstützung und den Dienstleistungen für entwurzelte Kinder und junge Menschen.

"Während sich Politiker über Migration streiten, sagen uns 4.000 entwurzelte Kinder und Jugendliche, dass sie mehr Unterstützung brauchen", sagte Laurence Chandy, Direktorin für Daten, Forschung und Politik bei UNICEF. "Wir müssen besser zuhören und uns mit denen befassen, deren Leben auf dem Spiel steht. Wie diese Umfrage zeigt, können entwurzelte Kinder uns viel über ihre Bedürfnisse und Verletzlichkeit erzählen, wenn wir bereit sind, ihnen zuzuhören." 

Fast 90 Prozent der Befragten kamen aus Ländern in Afrika, Asien und Europa. Sie antworteten aus Ländern, die entweder Migranten und Flüchtlinge entsenden, wie z.B. Syrien oder die Ukraine, oder sie aufnehmen, wie Deutschland, die Türkei und Uganda. Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ für die Erfahrungen aller Kindermigranten und Kinderflüchtlinge, bietet aber eine Plattform für entwurzelte Kinder und Jugendliche, wo ihre Stimmen und Anliegen Gehör finden.

UNICEF hat die Ergebnisse der Kinder- und Jugendumfrage wenige Tage vor der Konferenz zum UN-Migrationspakt (Global Compact for Migration, GCM) am 10. und 11. Dezember 2018 in Marrakesch veröffentlicht. Die Staats- und Regierungschefs der Welt treffen sich in Marokko, um den GCM, das erste zwischenstaatliche Abkommen über einen gemeinsamen Ansatz für alle Dimensionen der Migration, offiziell zu unterzeichnen. Die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse soll den Staats- und Regierungschefs und den Teilnehmern der Konferenz in Marrakesch helfen, die Auswirkungen der Migrationspolitik auf Kinder zu verstehen.

"Migration ist unvermeidlich, aber die Gefährdung und Diskriminierung von Jugend- und Kinderflüchtlingen und Kindermigranten muss nicht sein", sagte Chandy. "Die Staaten haben die Möglichkeit, Migration sicher zu machen. Die im GCM vorgeschlagenen Verpflichtungen und Maßnahmen - einschließlich der Wahrung des Kindeswohls zu jedem Zeitpunkt und der Einbeziehung von Migrantenkindern in die nationalen Kinderschutzsysteme - sind sowohl praktisch als auch machbar. Der GCM stellt ein "Betriebshandbuch" für lokale und nationale Behörden über bewährte Praktiken und Ansätze zum Wohle entwurzelter Kinder zur Verfügung.“

Zu den wichtigsten Ergebnissen der Umfrageanalyse gehören:

  • 67 Prozent der Befragten waren gezwungen, ihre Länder zu verlassen.
  • 44 Prozent der Befragten verließen ihr Heimatland allein.
  • 58 Prozent der Befragten gaben an, ein oder mehrere Schuljahre verloren zu haben.
  • 49 Prozent der Befragten gaben an, dass sie bei Bedarf nicht zum Arzt gehen konnten.
  • 38 Prozent der Befragten haben von niemandem - Familie, Freunde oder Institutionen - Hilfe erhalten.

UNICEF fordert die Regierungen der Herkunfts-, Transit- und Zielländer weiterhin nachdrücklich auf, das Kindeswohl bei der Entwicklung und Anwendung von Migrationspolitiken und -verfahren in den Vordergrund zu stellen, die Einheit der Familie zu wahren, die Inhaftierung von geflüchteten oder migrierten Kindern und Familien zu beenden und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement) der Genfer Flüchtlingskonvention einzuhalten.
Wie diese Umfrage zeigt, gibt es noch mehr zu tun. Es ist an der Zeit, Worte in Taten umzusetzen, indem man die notwendigen Investitionen zum Schutz entwurzelter Kinder und zur Sicherung ihrer Rechte tätigt. UNICEF fordert:

  • Bereitstellung grundlegender Dienstleistungen für Jugend- und Kinderflüchtlinge und –migranten, einschließlich Bildung und Gesundheitsversorgung.
  • Stärkung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zum Schutz der Kinderrechte und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in jeder Phase ihrer Reise.
  • Investitionen in aufgeschlüsselte Daten über die Migrationsbewegungen und das Wohlergehen entwurzelter Kinder und Jugendlicher.
  • Einbindung entwurzelter Kinder und Jugendlicher als aktive Partner. Zuhören reicht nicht aus, Kinder und Jugendliche müssen auch einen Platz am Tisch haben.

DOWNLOAD: UNICEF-Report mit den Ergebnissen der Umfrage von „A Right to be Heard: Listening to children and young people on the move“