Zentrale Sahelzone: „Giftige Mischung" aus Instabilität, bewaffneter Gewalt, extremer Armut, Hunger und COVID-19

New York/Wien - Die Zukunft einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen ist in der zentralen Sahelzone gefährdet. Statement der UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore anlässlich des Gesprächs der Minister zur humanitären Lage in der zentralen Sahelzone.

In einem Gesundheitszentrum in Maradi, im Zentrum von Niger, wird ein Baby gewogen und gemessen. Im Niger sind 15% der Kinder unter fünf Jahren mangelernährt. Kinder, die an schwerer akuter Mangelernährung leiden, sterben mit 11-mal höherer Wahrscheinlichkeit als ein gut ernährtes Kind.
In einem Gesundheitszentrum in Maradi, im Zentrum von Niger, wird ein Baby gewogen und gemessen. Im Niger sind 15% der Kinder unter fünf Jahren mangelernährt. Kinder, die an schwerer akuter Mangelernährung leiden, sterben mit 11-mal höherer Wahrscheinlichkeit als ein gut ernährtes Kind.

UNICEF warnt vor der drohenden Ernährungskrise in der Sahelzone: Rund 7,2 Millionen Kinder in Mali, Niger und Burkina Faso brauchen dringend Unterstützung.

Die humanitäre Situation in der von zahlreichen Krisen betroffenen zentralen Sahelzone spitzt sich zu. Zunehmende Gewalt durch bewaffnete Konflikte und die Folgen der COVID-19-Pandemie haben die Situation der Bevölkerung dramatisch verschlechtert. Rund 7,2 Millionen Kinder in Burkina Faso, Mali und Niger benötigen dringend humanitäre Hilfe – zwei Drittel mehr als in 2019. Mehr als eine Million Kinder wurden in ihren eigenen Ländern vertrieben. Sauberes Trinkwasser ist knapper denn je, vor allem für Binnenvertriebene.

UNICEF und das UN-Welternährungsprogramm (WFP) schätzen, dass die Zahl der Kinder, die an lebensbedrohlicher akuter Mangelernährung leiden, in diesem Jahr um ein Fünftel steigen könnte. So könnten in Mali, Niger und Burkina Faso dieses Jahr über 2,9 Millionen Kinder an akuter Mangelernährung leiden, 890.000 Kinder davon an schwerer akuter Mangelernährung. Die Situation ist besonders ernst in Regionen in Burkina Faso, in denen viele Binnenvertriebene Zuflucht suchen.

Bereits vor der COVID-19-Pandemie waren 4.000 Schulen im zentralen Sahel wegen zunehmender Gewalt und gezielter Angriffe geschlossen. Aufgrund der Pandemie wurden auch die verbleibenden Schulen geschlossen. Die Zahl dokumentierter schwerer Kinderrechtsverletzungen, wie die Rekrutierung von Kindern, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt, steigt weiter an, insbesondere in Mali.

UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore anlässlich des Ministerratstreffens zur humanitären Lage in der zentralen Sahelzone

„[…] Während wir hier sprechen, benötigen 7,2 Millionen Kinder in Burkina Faso, Mali und Niger dringend humanitäre Hilfe – gegenüber 4,3 Millionen im letzten Jahr.

Diese Länder werden von einer giftigen Mischung aus Instabilität, bewaffneter Gewalt, extremer Armut, Hunger und jetzt COVID-19 geplagt, die die Zukunft einer ganzen Generation von Kindern und Jugendlichen gefährdet. Die Zukunft einer unruhigen Region, die so viel Potenzial für Afrika und die Welt birgt, wird getrübt.

Es handelt sich um eine Vertreibungskrise – über eine Million Kinder sind gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen.

Es ist auch eine Ernährungskrise – mit 2,9 Millionen Kindern, die Gefahr laufen, an akuter Mangelernährung zu leiden, ein Anstieg von 20 Prozent seit Anfang dieses Jahres.

Es ist zunehmend eine Wasser- und Sanitärkrise, mit mehr als 6,7 Millionen Menschen in Not.

Es ist eine Bildungskrise mit mehr als 20 Millionen Kindern, die keine Schule besuchen, was mehr als eine Verdoppelung seit Beginn der Pandemie bedeutet.

Es ist eine Schutzkrise mit 2,3 Millionen Kindern, die unsere Unterstützung brauchen. Vor allem heranwachsende Mädchen sind zunehmend gefährdet durch sexuellen Missbrauch, Kinderheirat oder Schwangerschaft. Und bewaffnete Angriffe auf Gemeinden, Schulen, Gesundheitszentren und Heime haben das tägliche Leben in diesen Gemeinden zu einem Alptraum gemacht.

Es ist eine Wirtschaftskrise, da die Sozialausgaben sinken, die Inflation steigt und die Haushalte Mühe haben, für die Grundbedürfnisse zu bezahlen.  

Und für die humanitäre Gemeinschaft ist die zentrale Sahelzone eine Krise des Zugangs. Diese Kinder brauchen dringend unsere Unterstützung, aber es ist von Tag zu Tag schwieriger und gefährlicher, sie zu erreichen.

Als Teil der gemeinsamen Reaktion unternimmt UNICEF zusammen mit Partnerorganisationen in der ganzen Region – meist vor Ort, in der Nähe der Gemeinden, denen wir helfen – alles, was wir können.

So wurden beispielsweise allein in diesem Jahr 364.000 schwer mangelernährte Kinder behandelt. Und mit den WASH-Partnern erhielten mehr als 560.000 Menschen Wasser zum Trinken, Kochen und für Hygiene.

[…] Aber die Bedürfnisse übersteigen bald unsere Reaktionsfähigkeit. Wir brauchen unsere großzügige Familie von Spender*innen, die mit uns zusammenarbeiten, um diese Region vor dem Abgrund zu retten.

Für diese Reaktion sind alle unsere Organisationen enorm unterfinanziert. Ende August erhielten wir nur 39 Prozent der 1,4 Milliarden Dollar, die wir für Burkina Faso, Mali und Niger benötigen.

Diese Finanzierungslücke bedeutet, dass Kinder ohne die nötige Nahrung, Gesundheit, Schutz, Bildung, sozialen Schutz sowie Wasser und sanitäre Einrichtungen auskommen müssen.

Sie bedeutet auch, dass unsere Arbeit mit den Regierungen in der zentralen Sahelzone zum Aufbau stärkerer Systeme für die Zukunft auf gefährliche Weise ins Stocken geraten ist.

Wir brauchen unsere Entwicklungspartner, die mit uns zusammenarbeiten, um stärkere Systeme in der gesamten Region aufzubauen. Dazu gehört auch die Ausweitung der Verfügbarkeit von sicheren, nahrhaften und erschwinglichen Nahrungsmitteln und die Behandlung von Mangelernährung. Und verstärkte Unterstützung für psychosoziale Betreuung, um Kindern bei der Bewältigung des Traumas, das sie erlitten haben, zu helfen.

[…] Helfen Sie uns dabei, […] Und schließlich: Unterstützen Sie unseren Aufruf, Angriffe und Bedrohungen gegen Schulen, Krankenhäuser, Wasser- und Abwasserinfrastrukturen und Mitarbeiter*innen an vorderster Front zu beenden, mit Ihrer Stimme.

Die Gewalt muss aufhören. Welche Hoffnung haben diese Länder ohne Frieden?

Indem wir in die Bedürfnisse der Kinder investieren, investieren wir auch in den Frieden, in den sozialen Zusammenhalt und in eine – hoffentlich – dauerhafte Entwicklung in Burkina Faso, Mali und Niger.

Lassen Sie uns jetzt gemeinsam hinter diesen Bedürfnissen stehen und den Kindern dieser Region die bessere Zukunft geben, die sie verdienen. Ich danke Ihnen."