
UNICEF-Statement zu Äthiopien
New York/Wien – „Die Entscheidung der äthiopischen Regierung, die UNICEF-Vertretung im Land, zusammen mit anderen Mitgliedern des UN-Führungsteams, des Landes zu verweisen, ist bedauerlich und alarmierend.“
„UNICEF ist seit mehr als 60 Jahren in Äthiopien präsent und setzt sich dafür ein, die Rechte für die am meist gefährdeten Kinder voranzutreiben und zu schützen. Angesichts der sich verschlechternden humanitären Lage im Land, unter der vor allem Kinder leiden, ist unsere Arbeit notwendiger denn je. Wir haben volles Vertrauen in die Teams, die vor Ort arbeiten, um das Leben von Kindern zu retten, und die sich – wie immer – von den Grundsätzen der Unparteilichkeit, Menschlichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit leiten lassen. Unsere Programme werden fortgesetzt. Unsere erste Priorität ist es, die Kinder zu unterstützen, die unsere Hilfe dringend brauchen, egal wo sie sind.“
10.08.2021 – Nordäthiopien: UNICEF zu den Berichten über die Tötung von über 200 Zivilisten, darunter 100 Kinder
New York/Köln/Wien – Statement von UNICEF-Exekutivdirektorin Henrietta Fore
„UNICEF ist tief besorgt über Berichte über die Ermordung von über 200 Menschen, darunter mehr als 100 Kinder, bei Angriffen auf vertriebene Familien, die in einer Gesundheitseinrichtung und einer Schule in der Region Afar untergebracht waren, am vergangenen Donnerstag (5.8.).
Berichten zufolge wurden auch wichtige Nahrungsmittellieferungen in einem Gebiet zerstört, in dem akute Unterernährung und Ernährungsunsicherheit herrschen.
Die Verschärfung der Kämpfe in Afar und anderen an Tigray angrenzenden Gebieten ist für Kinder katastrophal. Sie folgt auf einen monatelangen bewaffneten Konflikt in der gesamten Region Tigray, durch den etwa 400.000 Menschen, darunter mindestens 160.000 Kinder, an den Rande einer Hungersnot gebracht wurden. Vier Millionen Menschen sind in Tigray und den angrenzenden Regionen Afar und Amhara in einer Krisensituation oder leiden unter akuter Ernährungsunsicherheit. Mehr als 100.000 Menschen sind durch die jüngsten Kämpfe neu vertrieben worden, zusätzlich zu den 2 Millionen Menschen, die bereits zuvor aus ihrem Zuhause vertrieben wurden.
UNICEF schätzt, dass sich die Zahl der Kinder, die in den nächsten 12 Monaten an lebensbedrohlicher Unterernährung leiden werden, in Tigray verzehnfachen wird. Die Lebensmittel- und Ernährungskrise findet vor dem Hintergrund einer weitreichenden, systematischen Zerstörung des Gesundheitswesens und anderer wichtiger Einrichtungen statt, auf die Kinder und Gemeinden zum Überleben angewiesen sind. Mit seinen lokalen Büros in der Region und humanitären Partnern stellt UNICEF im gesamten Norden Äthiopiens Hilfsgüter und mobile Gesundheits- und Ernährungsteams bereit, um dringende Hilfe zu leisten.
Die humanitäre Katastrophe, die sich im Norden Äthiopiens ausbreitet, wird durch den bewaffneten Konflikt verursacht und kann nur von den Konfliktparteien gelöst werden. UNICEF appelliert an alle Parteien, die Kämpfe zu beenden und einen sofortigen humanitären Waffenstillstand umzusetzen. Vor allem rufen wir alle Parteien auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um Kinder zu schützen.“
30.07.2021Tigray, Nordäthiopien: Die Zahl der Kinder, die wegen akuter Mangelernährung behandelt werden muss, hat sich verzehnfacht
Genf/Wien – Eine Zusammenfassung der heutigen Pressekonferenz in Genf – UNICEF-Sprecherin Marixie Mercado
„Während UNICEF in Gebiete von Tigray vordringt, die in den vergangenen Monaten aufgrund der unsicheren Lage unzugänglich waren, bestätigen sich unsere schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich der Gesundheit und des Wohlergehens der Kinder in dieser konfliktreichen Region im Norden Äthiopiens.
UNICEF schätzt, dass in den nächsten 12 Monaten über 100.000 Kinder in Tigray an lebensbedrohlicher schwerer akuter Mangelernährung leiden könnten – das ist eine Verzehnfachung gegenüber der durchschnittlichen jährlichen Fallzahl.
Screening-Daten zeigen auch, dass fast die Hälfte (47 Prozent) aller schwangeren und stillenden Frauen akut mangelernährt ist. Diese alarmierenden Zahlen deuten darauf hin, dass Mütter mit mehr schwangerschaftsbedingten Komplikationen konfrontiert werden könnten. Diese erhöhen das Sterberisiko von Müttern während der Geburt und die Anzahl von Babys mit niedrigem Geburtsgewicht, die viel anfälliger dafür sind, zu erkranken und nicht zu überleben.Die Schätzungen zur Mangelernährung von Kindern beruhen auf der Analyse von Daten aus wöchentlichen Untersuchungen des mittleren Oberarmumfangs (MUAC), die UNICEF und seine Partner seit dem Ausbruch des Konflikts in der Region, vor fast neun Monaten, durchgeführt haben. Die bei mehr als 435.000 Kindern gesammelten Screening-Daten ergeben eine Schätzung von 2,3 Prozent schwerer und 15,6 Prozent mäßiger akuter Mangelernährung, was über der Notfallschwelle von 15 Prozent liegt. Die Daten für die Mütter beruhen auf Untersuchungen, die zur gleichen Zeit durchgeführt wurden.
Diese Mangelernährungskrise findet vor dem Hintergrund umfassender, systematischer Schäden der Lebensmittel-, Gesundheits-, Ernährungs-, Wasser- und Abwassersysteme und -dienste statt, auf die Kinder und ihre Familien zum Überleben angewiesen sind. Das Risiko des Ausbruchs von Krankheiten ist hoch, insbesondere in den überfüllten, unhygienischen Unterkünften, in denen vertriebene Familien untergebracht sind.
Letzte Woche konnte ich an Ernährungsscreenings in den Woredas Wajirat und Gijet teilnehmen, zwei Bezirken, die während des Konflikts praktisch unzugänglich waren. Was ich sah, war ein Zusammenspiel von Bedingungen, die das Leben von Kindern ernsthaft gefährden: Vielerorts gab es keine Vorräte an therapeutischen Nahrungsmitteln, die zur Behandlung schwerer akuter Mangelernährung benötigt werden. Es gab keine Antibiotika. Die Gesundheitseinrichtungen hatten keinen Strom. Außerdem sind die Kinder seit Monaten nicht mehr geimpft worden.
Die jüngste Verschärfung der Kämpfe in den benachbarten Regionen Afar und Amhara, wo bereits fast 1,5 Millionen Menschen unter akuter Ernährungsunsicherheit leiden, verschlimmert die Lage in ganz Nordäthiopien weiter. Zehntausende Menschen sind vertrieben worden. Lebensmittelvorräte wurden geplündert. Ohne ausreichende humanitäre Hilfe wird die Mangelernährung von Kindern noch weiter ansteigen und zu einem erhöhten Sterberisiko für die gefährdete Bevölkerung führen. UNICEF sendet jetzt Hilfsgüter, um den neuen Bedarf in Afar und Amhara zu decken.
Wir brauchen ungehinderten Zugang nach Tigray und in die gesamte Region, um Kindern und Frauen die dringend benötigte Unterstützung zukommen zu lassen. Zurzeit haben wir in unseren Lagern in Tigray nur 6.900 Kartons mit lebensrettenden, verzehrfertigen therapeutischen Nahrungsmitteln. Das ist nur genug, um die schwere Mangelernährung von 6.900 Kindern zu behandeln.
Um die Katastrophe in den Bereichen Ernährung, Gesundheit, Wasser und Lebensmittelsicherheit zu beheben, ist eine massive Aufstockung der humanitären Hilfe erforderlich. Und das wiederum bedeutet, dass die humanitäre Gemeinschaft ihre Arbeit ungehindert durchführen können muss, sprich, dass sie Zugang zu Treibstoff, Bargeld und Telekommunikation haben muss, dass sie die benötigten Hilfsgüter einführen kann und dass sie normale finanzielle Transaktionen durchführen darf. Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, könnte die humanitäre Hilfe zum Erliegen kommen.
UNICEF appelliert vor allem an alle Parteien, ihrer grundlegenden Verpflichtung nachzukommen, Kinder zu schützen. Die dramatische Ernährungs- und Lebensmittelsicherheitskrise in Tigray und den angrenzenden Regionen wird durch den bewaffneten Konflikt verursacht und kann nur von den Konfliktparteien gelöst werden.“