
UNICEF warnt vor humanitärer Katastrophe historischen Ausmaßes – systematische Gewalt gegen Kinder und Frauen.
New York/Wien – Die humanitäre Lage in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) hat laut UNICEF ein nie dagewesenes Ausmaß erreicht. In einem eindringlichen Briefing vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen schilderte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell das verheerende Ausmaß der Krise, insbesondere für Kinder und Frauen.
Seit Januar 2025 wurden über eine Million Menschen in den Provinzen Ituri, Nord-Kivu und Süd-Kivu durch bewaffnete Gewalt vertrieben – darunter rund 400.000 Kinder. Damit steigt die Zahl der Binnenvertriebenen in der Region auf über sechs Millionen. Viele leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in überfüllten Lagern, was die Ausbreitung von Krankheiten wie Cholera, Masern und Affenpocken (Mpox) massiv begünstigt.
Gewalt gegen Kinder: Ein erschütterndes Muster
Besonders erschreckend ist die systematische Gewalt gegen Kinder. Laut UNICEF hat sich die Zahl der schweren Verstöße gegen Kinderrechte im ersten Quartal 2025 gegenüber dem Vorjahr verdoppelt. Kinder werden massenhaft rekrutiert, entführt und sexuell missbraucht. Allein im Januar und Februar wurden fast 10.000 Fälle sexueller Gewalt gemeldet – über 40 Prozent der Opfer waren Kinder. UNICEF geht davon aus, dass während der heftigsten Kämpfe alle 30 Minuten ein Kind vergewaltigt wurde.
Diese Gewalt ist keine Randerscheinung, sondern Teil einer gezielten Strategie, so Russell:„Vergewaltigung wird als Kriegswaffe eingesetzt, um Leben und Gemeinschaften zu zerstören.“
Zudem hat sich die Zahl der Kindesentführungen in nur drei Monaten versechsfacht. Immer mehr Minderjährige sind körperlichen Angriffen oder Drohungen bewaffneter Gruppen ausgesetzt.
Zusammenbruch lebenswichtiger Strukturen
Die Krise gefährdet auch grundlegende Dienstleistungen. Seit Jahresbeginn mussten mehr als 2.500 Schulen schließen, wodurch Kinder nicht nur ihre Bildungschancen verlieren, sondern auch Schutzräume, die sie vor Rekrutierung und Missbrauch bewahren könnten.
Gleichzeitig ist die medizinische Versorgung stark beeinträchtigt. Die Gesundheitseinrichtungen sind überlastet, medizinische Vorräte knapp. Besonders kritisch ist der Mangel an sogenannten PEP-Kits, die zur Nachbehandlung von Vergewaltigungsopfern dienen. Auch die Versorgung von Mpox-Patienten ist durch Sicherheitsrisiken kaum möglich – Patienten mussten aus Isolationsstationen fliehen.
Humanitäre Hilfe unter Beschuss
Trotz der dramatischen Lage wird die Arbeit humanitärer Organisationen zunehmend behindert. Helfer werden bedroht, angegriffen oder getötet – seit Januar kamen mindestens elf Humanitäre ums Leben. Einrichtungen wurden geplündert, darunter zwei von UNICEF unterstützte Behandlungszentren in Goma.
Der Rückzug der UN-Mission MONUSCO erschwert den Zugang zu abgelegenen Regionen zusätzlich, da Infrastruktur wie Straßen oder Landebahnen nicht mehr ausreichend geschützt ist.
Dennoch bleibt UNICEF vor Ort aktiv. In Goma und Bukavu leisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin lebensrettende Hilfe: täglich werden etwa 700.000 Menschen mit sauberem Wasser versorgt, medizinische Hilfe wird bereitgestellt, traumatisierte Kinder psychosozial betreut und Familienzusammenführungen organisiert.
Finanzierungsnotstand gefährdet Millionen Kinder
Trotz aller Anstrengungen steht UNICEF vor einem akuten Finanzierungsproblem. 2024 wurden nur 20 Prozent der benötigten Mittel bereitgestellt. Millionen Kinder erhielten keine lebensrettende Hilfe. Aktuell bittet UNICEF dringend um knapp 57 Millionen US-Dollar, um in den kommenden drei Monaten die Nothilfe fortsetzen zu können.
Ein Ausbleiben der Unterstützung hätte laut Russell verheerende Folgen: „Ohne ausreichende Hilfe verlieren Kinder nicht nur ihre Kindheit, sondern auch ihre Zukunft.“
Appell an die Weltgemeinschaft: Schutz, Zugang, Frieden
Russell forderte die Mitglieder des Sicherheitsrats eindringlich zu drei zentralen Maßnahmen auf:
- Schutz von Kindern und zivilen Infrastrukturen – inklusive Umsetzung bestehender Aktionspläne gegen schwere Kinderrechtsverletzungen.
- Ungehinderter humanitärer Zugang – inklusive sicherer Grenzöffnungen für Hilfslieferungen und medizinische Evakuierungen.
- Humanitäre Waffenpausen – um Hilfseinsätze und Rückkehrmöglichkeiten für Vertriebene zu ermöglichen.
„Der Osten der DR Kongo ist zu einem Albtraum aus Gewalt und Not geworden. Doch die Situation ist nicht hoffnungslos“, so Russell abschließend. „Wenn wir jetzt handeln, können wir einer Generation von Kindern wieder Hoffnung schenken.“
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