Ted Chaliban besucht eine Kinderfreundliche Zone in Afghanistan und spielt mit Kindern.

Kabul/New York/Wien – Mit Millionen Rückkehrenden ruft UNICEF zu Sicherheit, Würde und Freiwilligkeit bei der Heimkehr auf. Die Organisation mahnt besondere Unterstützung für Kinder und Familien an und warnt vor den Folgen für ohnehin fragile Gemeinden. Stellungnahme von Ted Chaiban, stellvertretender UNICEF-Exekutivdirektor für humanitäre Hilfe und Versorgung.

„Ich habe gerade meinen Besuch in Afghanistan abgeschlossen, wo in diesem Jahr bisher über zwei Millionen Afghaninnen und Afghanen, darunter eine halbe Million Kinder, aus dem Iran und Pakistan zurückgekehrt sind, zusätzlich zu einer erheblichen Zahl aus Ländern in Zentralasien.

Dies war mein vierter Aufenthalt in Afghanistan. Ich habe mich mit hochrangigen Vertretern der De-facto-Behörden getroffen, darunter dem stellvertretenden Premierminister für Verwaltungsangelegenheiten, amtierenden Ministern und Provinzgouverneuren vor Ort. Wir haben uns außerdem mit UN-Kollegen und Partnern der Zivilgesellschaft ausgetauscht. Ich hatte Gelegenheit, von UNICEF unterstützte Programme in Kundus, Islam Qala und Herat zu besuchen. Im Vergleich zu meinen früheren Reisen habe ich eine verbesserte Zugänglichkeit im gesamten Land festgestellt, die es UNICEF ermöglicht, mehr Kinder, Frauen und Gemeinden mit humanitären Dienstleistungen zu erreichen.

Am Empfangszentrum in Islam Qala, an dem täglich Zehntausende Menschen über die Grenze aus dem Iran eintreffen, konnte ich sehen, wie humanitäre Hilfe und Schutzleistungen koordiniert von den De-facto-Behörden, UN-Organisationen, NGOs und anderen Partnern erbracht werden. An Grenzpunkten in ganz Afghanistan wurden Empfangszentren eingerichtet, um auf die hohe Zahl der Rückkehrenden zu reagieren – am 4. Juli erreichte diese ihren Höhepunkt mit über 50.000 Menschen an einem einzigen Tag. Die Familien, die ich an der Grenze traf, blickten hoffnungsvoll in die Zukunft in ihrer Heimat, waren jedoch besorgt darüber, wie sie ihr Leben wiederaufbauen können. Ein häufig geäußerter Punkt war die Frage der weiteren Bildung ihrer Töchter über die sechste Klasse hinaus – eine Sorge, die auch von den Schülerinnen in Kundus geteilt wurde.

Die Bildungssituation in Afghanistan bleibt besonders für jugendliche Mädchen ein kritisches Thema, da ihnen der Schulbesuch über die sechste Klasse hinaus nicht gestattet ist. Dies betrifft nicht nur die Mädchen selbst, sondern alle Frauen im Land, wenn sie keine weiterführende Schulbildung, kein Universitätsstudium und folglich auch keine Beschäftigung aufnehmen können. In Kundus besuchte ich eine beschleunigte Lerngruppe, in der Mädchen ihren Grundschulabschluss nachholen können, wenn sie zuvor nicht zur Schule gehen konnten. Eine junge Lehrerin erzählte mir, dass sie nur wenige Monate vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums stand, bevor sie gezwungen wurde, ihre Ausbildung abzubrechen. Das bedeutet: eine Ärztin weniger, um die dringend benötigte Gesundheitsversorgung für Frauen in Afghanistan zu gewährleisten.

An der Ustad-Abdullah-Schule in der Nähe von Kundus traf ich viele kluge junge Schülerinnen und Schüler, Mädchen und Buben, die Lehrerinnen, Chirurginnen oder Ingenieure werden wollen und voller Hoffnung auf eine Zukunft in Afghanistan sind, zu der sie beitragen möchten. Herzzerreißend ist jedoch, dass mit dem derzeitigen Verbot für Mädchen in der Sekundarstufe ihre Schullaufbahn nach der sechsten Klasse endet. Bildung für alle Kinder steht im Mittelpunkt des UNICEF-Mandats, und wir setzen uns mit Nachdruck für die Aufhebung des Verbots ein, damit Mädchen aller Altersgruppen in der Schule bleiben, eine gute Ausbildung erhalten, arbeiten und eine Rolle in der Gesellschaft spielen können – für sich selbst, ihre Familien und das künftige Wachstum Afghanistans. Wir sind bereit, Lösungen für die Kontinuität der Mädchenbildung zu finden, und führen hierzu weiterhin Gespräche mit den Behörden.

Im Zusammenhang mit der Rückkehrkrise erkennt UNICEF die Bemühungen der Gastländer, darunter Iran und Pakistan, an und dankt ihnen für die Aufnahme afghanischer Staatsangehöriger über viele Jahre. Wir sind jedoch besorgt um das Wohlergehen von Familien und Einzelpersonen, darunter Kinder, die oftmals unter schwierigen und plötzlichen Umständen zurückkehren, ebenso wie um die Auswirkungen der massenhaften Rückkehr auf die ohnehin fragilen Gemeinden in Afghanistan, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung humanitäre Hilfe benötigt und die versuchen, die Folgen von mehr als vier Jahrzehnten Konflikt, verschärft durch eine drohende Dürre, zu überwinden. Kinder benötigen besonderen Schutz, insbesondere unbegleitete Minderjährige, deren Wohl im Rahmen einer Kindeswohlprüfung durch die Kinderschutzbehörden sichergestellt werden muss, einschließlich Unterstützung bei der Familienzusammenführung. Bis Ende Juli hat UNICEF mehr als 6.000 unbegleitete und von ihren Familien getrennte Kinder erfasst, betreut und mit ihren Familien oder Angehörigen wiedervereint.

Während der schnelle Ausbau von Hilfsmaßnahmen eine koordinierte und gemeinsame Erstversorgung an den Empfangspunkten ermöglicht hat, ist mehr erforderlich, um die sichere Passage der Rückkehrenden während ihrer Reise zu gewährleisten – einschließlich einer qualitativ hochwertigen Weiterbetreuung und eines anhaltenden Zugangs zu grundlegenden Diensten in den Rückkehrgebieten, um eine nachhaltige Wiedereingliederung zu unterstützen. Angesichts begrenzten Zugangs zu Bildung, Gesundheitsdiensten und wirtschaftlichen Möglichkeiten fällt es den Gemeinden zunehmend schwer, die hohe Zahl an Rückkehrenden in so kurzer Zeit aufzunehmen.

UNICEF fordert daher einen systematischen und schrittweisen Ansatz für die Rückkehrenden, der die Sicherheit, Würde und Freiwilligkeit der Rückkehr gewährleistet, eine kontinuierliche Betreuung während der gesamten Reise sicherstellt und, falls nötig, Maßnahmen für den weiteren Schutz in den Aufnahmeländern vorsieht.

Ein solcher Ansatz ist besonders für gefährdete Gruppen von entscheidender Bedeutung, insbesondere für Frauen und Kinder, darunter getrennte und unbegleitete Minderjährige.

UNICEF ruft daher zu einem Dialog zwischen Iran, Pakistan und Afghanistan auf, um die Rückkehr in Phasen zu gestalten, damit die afghanischen Behörden, UN-Organisationen, NGOs und Partner die Hilfe besser organisieren können. Zudem appellieren wir an die Geber, humanitäre Maßnahmen für die Rückkehrenden – insbesondere für Kinder – zu unterstützen, sowohl an den Empfangspunkten als auch in den endgültigen Ansiedlungsgebieten.“

Für Redaktionen

Foto- und Videomaterial aus Afghanistan zur redaktionellen Nutzung.

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