Drei Buben im Sudan sind von hinten zu sehen, einer hat ein Sackerl von UNICEF.

New York/Wien – „Exzellenzen, Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen, dass Sie mich heute eingeladen haben, hier zu sprechen.

Ich möchte Dänemark und dem Vereinigten Königreich meine Anerkennung für die Organisation und Ausrichtung dieses Briefings während der dänischen Ratspräsidentschaft des Sicherheitsrats aussprechen. Ebenso möchte ich meinen Kollegen von Ärzte ohne Grenzen (MSF) danken, die in Sudan und vielen anderen schwierigen Regionen auf der Welt großartige Arbeit leisten.

Die Notwendigkeit dieser Diskussion könnte nicht dringender sein.

Fast zwei Jahre nach Beginn des Konflikts ist Sudan nun die größte und verheerendste humanitäre Krise der Welt.

Mit einer Wirtschaft, einem Sozialsystem und einer Infrastruktur, die kurz vor dem Zusammenbruch stehen, und ohne Aussicht auf ein baldiges Ende des Konflikts schätzen wir, dass in diesem Jahr fast zwei Drittel der Gesamtbevölkerung Sudans – mehr als 30 Millionen Menschen – humanitäre Hilfe benötigen werden.

16 Millionen von ihnen sind Kinder – und sie zahlen einen entsetzlichen Preis.

In mindestens fünf Gebieten Sudans herrscht eine Hungersnot. Schätzungsweise 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren leben in diesen Gebieten.

Mehr als 3 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut von tödlichen Krankheitsausbrüchen wie Cholera, Malaria und Dengue-Fieber bedroht – weil das Gesundheitssystem versagt.

16,5 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter – nahezu eine gesamte Generation – können nicht in die Schule gehen.

Dies ist nicht nur eine Krise, sondern eine Polykrise, die alle Bereiche betrifft – von Gesundheit und Ernährung über Wasser und Bildung bis hin zum Kinderschutz.

Exzellenzen, Kinder in Sudan erleiden unvorstellbares Leid und furchtbare Gewalt.

Als ich das letzte Mal in Sudan war, traf ich Familien und Kinder, die diesen Albtraum durchleben. Ihre Geschichten sind herzzerreißend – und verlangen nach sofortigem Handeln.

Die Kämpfe finden direkt vor ihren Haustüren statt, rund um ihre Häuser, Schulen und Krankenhäuser, in vielen Städten, Dörfern und Gemeinden Sudans.

UNICEF erhält weiterhin alarmierende Berichte über schwerwiegende Verstöße gegen Kinderrechte – darunter die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern durch bewaffnete Gruppen.

Zwischen Juni und Dezember 2024 wurden mehr als 900 schwerwiegende Verstöße gegen Kinderrechte gemeldet – mit einer erschreckenden Zahl von 80 Prozent, die das Töten und Verstümmeln von Kindern betrafen, insbesondere in Darfur, Khartum und Al-Dschazira. Doch wir wissen, dass diese Zahlen nur die Spitze des Eisbergs sind.

Innerhalb von nur zwei Tagen im Februar wurden in Kadugli, im Bundesstaat Süd-Kordofan, 21 Kinder durch Artilleriebeschuss getötet und 29 weitere verstümmelt.

In El Fasher, im Bundesstaat Nord-Darfur, wurden 11 Kinder getötet, als ein Viehmarkt beschossen wurde.

In Khartum starben 8 weitere Kinder durch einen Angriff auf einen Markt, 6 wurden verstümmelt.

Der massive Einsatz von Explosivwaffen breitet sich weiter aus – mit verheerenden Folgen für Kinder.

Diese Waffen werden nicht verschwinden, wenn der Konflikt endet. Die Verseuchung mit Waffen wird Kinder und Zivilisten weiterhin bedrohen – insbesondere Binnenvertriebene und Menschen, die in ihre Häuser, Schulen und Gemeinden zurückkehren. Wir schätzen, dass 13 Millionen Zivilisten gefährdet sind.

Zudem verhindern diese Waffen den sicheren Zugang für humanitäre Helfer, die den Betroffenen dringend benötigte Hilfe bringen wollen.

Exzellenzen, dieser Konflikt führt nicht nur zur Zerstörung von Infrastruktur, sondern auch zu einem Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit und zu völliger Straflosigkeit für Gewalt gegen Kinder.

Im Sudan ist sexuelle Gewalt allgegenwärtig. Sie wird eingesetzt, um Menschen zu erniedrigen, zu dominieren, zu vertreiben, zur Flucht zu zwingen und zu terrorisieren.

Aktuell sind schätzungsweise 12,1 Millionen Frauen und Mädchen – und zunehmend auch Männer und Buben – von sexueller Gewalt bedroht. Dies ist ein Anstieg um 80 % im Vergleich zum Vorjahr.

Laut von UNICEF analysierten Daten, die von Dienstleistern in Sudan gesammelt wurden, wurden im Jahr 2024 in neun Bundesstaaten 221 Fälle von Vergewaltigung gegen Kinder gemeldet.

67 %  dieser Kinder waren Mädchen, 33 % waren Buben.

In 16 der dokumentierten Fälle waren die Kinder unter fünf Jahre alt.

Vier von ihnen waren Säuglinge unter einem Jahr.

Diese Zahlen geben uns nur einen winzigen Einblick in eine weitaus größere und erschütternde Realität.

Überlebende und ihre Familien haben oft Angst, sich zu melden – sei es aus Angst vor sozialer Stigmatisierung, mangelndem Zugang zu Hilfe oder aus Furcht vor Vergeltung.

Eine Überlebende berichtete uns, dass sie – allein in Khartum nach dem Tod ihrer Eltern – von vier bewaffneten, maskierten Männern vergewaltigt wurde. Trotz all des anderen Schreckens, den sie erlitten hatte, beschrieb sie dies als „die größte Härte“, die sie je erfahren hatte.

Exzellenzen, diese Krise verlangt nach sofortiger Deeskalation des Konflikts und ungehindertem humanitärem Zugang – sowohl über Grenzen hinweg als auch entlang der Frontlinien.

Humanitäre Helfer kämpfen mit erheblichen Hindernissen bei der Beantragung von Genehmigungen für die Lieferung von Hilfsgütern.

Konfliktlinien verschieben sich ständig. Wege, die heute offen sind, können morgen blockiert sein.

Mehr als 770.000 Kinder werden in diesem Jahr an schwerer akuter Mangelernährung leiden – viele von ihnen in Gebieten, die wir kaum erreichen können. Ohne lebensrettende Hilfe werden viele dieser Kinder sterben.

Seit Beginn des Konflikts in Sudan wurden mehr als 110 humanitäre Helferinnen und Helfer getötet, verletzt, entführt oder gelten als vermisst. Wir brauchen Ihre Stimmen, um ihren Schutz zu gewährleisten.

Trotz dieser enormen Herausforderungen handelt UNICEF weiterhin.

Im Jahr 2024 haben wir:

  • 9,8 Millionen Kinder und Familien mit sauberem Trinkwasser versorgt.
  • 6,7 Millionen Kinder auf Mangelernährung untersucht und 422.000 schwer unterernährte Kinder behandelt.
  • 2,7 Millionen Kindern und Betreuern psychosoziale Unterstützung, Bildungs- und Schutzdienste bereitgestellt.

Aber das reicht nicht.

Ich richte vier dringende Appelle an diesen Rat:

  1. Schutz von Kindern und Infrastruktur – gemäß internationalem Recht.
  2. Garantierter sicherer Zugang für humanitäre Helfer und Hilfsgüter.
  3. Einstellung jeglicher militärischer Unterstützung für Konfliktparteien.
  4. Dringende finanzielle Mittel für UNICEF und humanitäre Organisationen.

UNICEF benötigt 1 Milliarde US-Dollar im Jahr 2025, um lebensrettende Hilfe für 8,7 Millionen gefährdete Kinder zu leisten.

Ohne diese Maßnahmen droht eine generationenübergreifende Katastrophe, die Sudan, die Region und darüber hinaus destabilisieren könnte.

Exzellenzen, die Kinder Sudans zählen auf uns. Ich danke Ihnen.“

Für Redaktionen

Foto- und Videomaterial aus dem Sudan zur redaktionellen Nutzung.

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