
Zahl der Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren sank 2023 auf 4,8 Millionen, während Totgeburten bei rund 1,9 Millionen verharrten – laut zwei neuen UN-Berichten
Genf/New York/Washington D.C./Wien – Die Zahl der weltweit vor dem fünften Geburtstag verstorbenen Kinder sank im Jahr 2023 auf 4,8 Millionen, während Totgeburten nur leicht zurückgingen und weiterhin bei rund 1,9 Millionen lagen. Das geht aus zwei heute veröffentlichten Berichten der Zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen zur Schätzung der Kindersterblichkeit (UN IGME) hervor.
Seit dem Jahr 2000 sind die Kindersterblichkeit um mehr als die Hälfte und die Totgeburten um über ein Drittel gesunken – dank anhaltender Investitionen in die weltweite Kindergesundheit. 2022 erreichte die Welt einen historischen Meilenstein, als die Zahl der Kindersterbefälle erstmals leicht unter 5 Millionen fiel. Doch der Fortschritt hat sich verlangsamt, und noch immer sterben viel zu viele Kinder an vermeidbaren Ursachen.
„Millionen Kinder leben heute dank des weltweiten Engagements für bewährte Maßnahmen wie Impfungen, Ernährung, Zugang zu sauberem Wasser und grundlegender Sanitärversorgung“, sagte Catherine Russell, Exekutivdirektorin von UNICEF. „Die vermeidbare Kindersterblichkeit auf ein Rekordtief zu bringen, ist eine bemerkenswerte Leistung. Doch ohne die richtigen politischen Entscheidungen und ausreichende Investitionen riskieren wir, diese hart erkämpften Erfolge wieder zu verlieren – mit Millionen weiteren vermeidbaren Kindstoden. Das dürfen wir nicht zulassen.“
Kürzungen von Hilfsgeldern bringen Fortschritte in Gefahr
Jahrzehntelange Fortschritte in der Kindergesundheit sind nun bedroht, da bedeutende Geberländer angekündigt oder signalisiert haben, ihre Hilfsgelder erheblich zu kürzen. Der Rückgang globaler Mittel für lebensrettende Programme zur Kinderüberlebenshilfe führt zu Personalmangel im Gesundheitswesen, Schließungen von Kliniken, Unterbrechungen von Impfprogrammen und einem Mangel an wichtigen Hilfsmitteln wie Malariamedikamenten. Besonders hart trifft es Regionen in humanitären Krisen, hochverschuldete Länder und Gebiete mit ohnehin hoher Kindersterblichkeit. Die Kürzungen gefährden auch die Überwachungs- und Nachverfolgungsmaßnahmen – wodurch es schwieriger wird, die am stärksten gefährdeten Kinder zu erreichen, warnt die Arbeitsgruppe.
„Von der Bekämpfung der Malaria über die Vermeidung von Totgeburten bis hin zur evidenzbasierten Versorgung der allerkleinsten Babys – wir können einen Unterschied für Millionen Familien machen“, sagte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation. „Gerade angesichts globaler Mittelkürzungen ist es wichtiger denn je, die Zusammenarbeit zu verstärken, um die Gesundheit von Kindern zu schützen und zu verbessern.“
Schon vor der aktuellen Finanzierungskrise hatte sich das Tempo beim Rückgang der Kindersterblichkeit verlangsamt. Seit 2015 ist die jährliche Reduktionsrate der Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren im Vergleich zu 2000–2015 um 42 % zurückgegangen, bei Totgeburten sogar um 53 %.
Größtes Risiko im ersten Lebensmonat
Rund die Hälfte aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren ereignet sich bereits im ersten Lebensmonat, meist als Folge von Frühgeburten und Komplikationen während der Geburt. Nach der Neugeborenenzeit zählen Infektionskrankheiten – darunter akute Atemwegsinfektionen wie Lungenentzündung, Malaria und Durchfall – zu den häufigsten vermeidbaren Todesursachen. 45 % der späten Totgeburten ereignen sich während der Geburt, oft aufgrund von mütterlichen Infektionen, langwierigen oder blockierten Geburtsverläufen und fehlender rechtzeitiger medizinischer Hilfe.
Ein verbesserter Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung für Mütter, Neugeborene und Kinder auf allen Ebenen des Gesundheitssystems würde laut den Berichten viele Leben retten. Dazu gehören präventive Maßnahmen und Gesundheitsförderung in der Gemeinschaft, rechtzeitige Besuche in Gesundheitseinrichtungen, Fachpersonal bei Geburten, hochwertige vor- und nachgeburtliche Betreuung, Vorsorgeuntersuchungen für Kinder wie Standardimpfungen und umfassende Ernährungsprogramme, Diagnose und Behandlung häufiger Kinderkrankheiten sowie spezialisierte Betreuung für kleine und kranke Neugeborene.
„Die meisten vermeidbaren Kindstode ereignen sich in Ländern mit niedrigem Einkommen, wo grundlegende Dienste, Impfstoffe und Behandlungen oft nicht verfügbar sind“, sagte Juan Pablo Uribe, Globaler Gesundheitsdirektor der Weltbank und Direktor des Global Financing Facility. „In die Gesundheit von Kindern zu investieren, sichert ihr Überleben, ihre Bildung und ihren künftigen Beitrag zur Arbeitswelt. Mit gezielten Investitionen und starkem politischen Willen können wir die Kindersterblichkeit weiter senken – und damit globales Wirtschaftswachstum und Beschäftigung fördern.“
Geburtsort für Überlebens-Chancen entscheidend
Die Berichte zeigen zudem, dass der Geburtsort eines Kindes erheblichen Einfluss auf seine Überlebenschancen hat. Das Risiko, vor dem fünften Lebensjahr zu sterben, ist in Ländern mit der höchsten Kindersterblichkeit 80-mal höher als in Ländern mit der niedrigsten. Ein in Subsahara-Afrika geborenes Kind hat im Durchschnitt ein 18-mal höheres Sterberisiko vor dem fünften Geburtstag als ein Kind, das in Australien oder Neuseeland geboren wird. Innerhalb der Länder sind vor allem die ärmsten Kinder, jene in ländlichen Gebieten und Kinder von Müttern mit geringer Bildung besonders gefährdet.
Auch bei Totgeburten bestehen gravierende Ungleichheiten: Fast 80 Prozent aller Totgeburten ereignen sich in Subsahara-Afrika und Südasien, wo Frauen sechs- bis achtmal häufiger eine Totgeburt erleben als Frauen in Europa oder Nordamerika. Frauen in Ländern mit niedrigem Einkommen sind zudem achtmal häufiger betroffen als jene in wohlhabenden Ländern.
„Ungleichheiten bei der Kindersterblichkeit innerhalb und zwischen Ländern gehören zu den größten Herausforderungen unserer Zeit“, sagte Li Junhua, Untergeneralsekretär der UN DESA. „Diese Unterschiede zu verringern, ist nicht nur ein moralischer Imperativ, sondern auch ein grundlegender Schritt hin zu nachhaltiger Entwicklung und globaler Gerechtigkeit. Jedes Kind verdient eine faire Chance auf Leben – und es liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung, sicherzustellen, dass kein Kind zurückgelassen wird.“
Die Mitglieder der UN IGME fordern Regierungen, Geber und Partner aus öffentlichen wie privaten Sektoren dazu auf, die mühsam errungenen Fortschritte zur Rettung von Kinderleben zu schützen und ihre Bemühungen zu verstärken. Es braucht dringend mehr Investitionen, bessere Integration von Diensten und innovative Ansätze, um den Zugang zu bewährten lebensrettenden Gesundheits-, Ernährungs- und Sozialschutzangeboten für Kinder und werdende Mütter auszuweiten.
Hinweise für Redaktionen
Foto- und Videomaterial zur redaktionellen Nutzung.
Die Berichte zur Kindersterblichkeit und zu Totgeburten auf der Website von UNICEF International.
Die beiden Berichte – Levels & Trends in Child Mortality und Counting Every Stillbirth – sind die ersten einer Reihe bedeutender globaler Datensätze, die 2025 veröffentlicht werden. Zahlen zur Müttersterblichkeit werden in den kommenden Wochen folgen.