Neue UNICEF Studie: Wohlstandsniveau der Staaten garantiert keine Gleichberechtigung von Kindern in der Bildung

Florenz/Wien. Viele Kinder sind bereits zu Beginn ihrer Schullaufbahn benachteiligt - zum Beispiel aufgrund ihrer Herkunft oder der sozialen und wirtschaftlichen Situation ihrer Familien. Der heute veröffentlichte UNICEF Bericht bestätigt: Schulen und Bildungspolitik müssen Kindern gerechte Chancen eröffnen und dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler nicht zurückbleiben. Während in der Vor- und Volksschule gute Ergebnisse erzielt werden, liegt Österreich im Ranking der Lesekompetenz von 15-Jährigen jedoch nur auf Platz 29 von 38.

Loredana, 11 Jahre alt, bei ihren Hausaufgaben. Sie besucht die 3.Klasse und hat Schwierigkeiten beim Schreiben. Colonesti/Rumänien. © UNICEF/UN040571/Cybermedia

In einem reichen Land zu leben garantiert keinen gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung, so die neue Studie des UNICEF Forschungsinstituts Innocenti in Florenz. Kinder in weniger wohlhabenden Ländern schneiden in der Schule oft besser ab, heißt es im Bericht. Ausgewertet wurden dafür vergleichbare Daten zu Schlüsselindikatoren für die kindliche Entwicklung aus 41 Ländern der Europäischen Union (EU) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Untersucht wird der Zusammenhang zwischen der Leistung der Kinder und Faktoren wie Beruf der Eltern, Migrationshintergrund, Geschlecht und Schulsystem.

Unser Bericht zeigt, dass Staaten ihren Kindern das Beste aus beiden Welten bieten können: Sie können hervorragende Bildungsstandards erreichen bei gleichzeitiger relativ geringer Ungleichheit", so Dr. Priscilla Idele, interim. Direktorin von Innocenti. „Aber alle reichen Länder können und müssen viel mehr für Kinder aus benachteiligten Familien tun, da sie am ehesten den Anschluss verlieren.
    
Der Bericht konzentriert sich auf zwei Indikatoren: Prozentzahl der Vorschulbesuche und Lesekompetenz der 10- und 15-Jährigen. Durch das verpflichtende Kindergartenjahr schneidet Österreich in der frühkindlichen Förderung mit 99,2 Prozent sehr gut ab. In der Rangliste der Länder mit der geringsten Ungleichheit hinsichtlich der Lesefähigkeiten von Viertklässlern liegt Österreich auf dem fünften Platz. Gemessen wird der Unterschied zwischen den besten und den schlechtesten 10 Prozent der getesteten Schülerinnen und Schüler. Um die Bildungsungleichheit im Vorschulschulalter zu messen, wurden Daten der PIRLS 2016 (Progress in International Reading Literacy Study) herangezogen.

In der Rangliste der Länder mit der geringsten Ungleichheit hinsichtlich der Lesekompetenz von 15-Jährigen liegt Österreich nur auf Platz 29 der 38 gereihten Länder (bei drei Staaten fehlen entsprechende Daten). Irland, Lettland und Spanien weisen die geringsten Ungleichheiten auf. In Bulgarien, Israel und Malta besteht die größte Kluft. In den meisten Industrieländern erreichen 10 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht das durchschnittliche Kompetenzniveau ihrer Altersgruppe.

In Bezug auf die Ungleichheit zwischen Buben und Mädchen weist Österreich sowohl bei den Schülerinnen und Schülern der 4. Klasse als auch bei den 15-Jährigen eine relativ geringe Ungleichheit zwischen Buben und Mädchen auf (Platz 2 von 28). Auch hierzulande schneiden Mädchen hinsichtlich der Lesekompetenz besser ab als Buben. Diese Kluft vergrößert sich, je älter die Kinder werden. Allerdings ist der Abstand zwischen den Geschlechtern in manchen Ländern geringer, wenn die Kompetenztests an Computern durchgeführt werden.

Aus dem Vergleich der unterschiedlichen Länder ziehen die Forscherinnen und Forscher grundlegende Schlussfolgerungen: 
Ein hohes Leistungsniveau in der Bildung und mehr Chancengerechtigkeit schließen sich nicht aus. So zeigt der Vergleich der Industrieländer, dass in Ländern mit insgesamt hohem Bildungsniveau die Unterschiede in der Lesekompetenz zwischen den Kindern eher geringer sind. Die schwächeren Kinder zu fördern bedeutet also nicht, die Leistung der stärkeren Kinder nach unten zu drücken. Verbesserte Bildungschancen für benachteiligte Kinder führen nicht - wie oft vermutet - zu einem allgemein sinkenden Bildungsniveau.
Leistungsunterschiede zwischen Kindern können während der gesamten Bildungsphase unterschiedlich stark ausgeprägt sein. So liegen zum Beispiel Irland und Slowenien beim Zugang zu vorschulischer Förderung im unteren Drittel des Ländervergleichs. In der Sekundarstufe gehören sie jedoch zu den Ländern mit der geringsten Bildungskluft zwischen den Kindern. In den Niederlanden besteht die größte Chancengleichheit für Vorschulkinder; allerdings belegt das Land nur noch Platz 26 beim internationalen Vergleich der Lesekenntnisse von 15-Jährigen.  
Eine hohe Wirtschaftskraft eines Landes bedeutet nicht automatisch mehr Bildungsgerechtigkeit. In ärmeren Ländern wie Lettland und Litauen besuchen mehr Kinder einen Kindergarten oder eine Vorschule und weisen geringere Unterschiede beim Leseverständnis auf als in wohlhabenderen Ländern. 

Empfehlungen des UNICEF Forschungsinstituts Innocenti: 

  • Frühkindliche Förderung für jedes Kind gewährleisten
  • Ein Mindestmaß an Kernkompetenzen für jedes Kind sicherstellen
  • Soziale und ökonomische Ungleichheit reduzieren
  • Geschlechterunterschiede bei der Bildung verringern
  • Fokus auf Chancengleichheit setzen
  • Qualitativ hochwertigere Daten in der Bildungsforschung erheben

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DOWNLOAD „An Unfair Start: Inequality in children’s education in rich countries“