Bildungskrise stellt enorme Bedrohung dar

Nach einer weltweiten Untersuchung ist die Zukunft von Mädchen besonders gefährdet

London, 8. Dezember 1998 – Hunderten Millionen Kindern wird das Recht auf angemessene, qualitätvolle
Grundbildung verwehrt und sie wachsen ohne Rüstzeug auf, um im 21. Jahrhundert ein annehmbares Leben
führen zu können. UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, warnt in seinem jährlichen Bericht –
The State of the World´s Children 1999 – daß diese Situation ein Pulverfaß für den globalen Frieden und den
Wohlstand darstellt.

Fast eine Milliarde Menschen – ein Sechstel der Menschheit – sind laut UNICEF Analphabeten. Sie sind nicht in
der Lage ein Buch zu lesen oder ihren Namen zu schreiben. Und sie sind weit entfernt davon, einen Computer
zu bedienen oder ein Formular auszufüllen.

„Die Konsequenzen von Analphabetismus sind tiefgreifend – und sogar lebensbedrohend“, sagte
UNICEF-Direktorin Carol Bellamy. „Der diesjährige Bericht zeigt sehr anschaulich, daß für Millionen von
Kindern Bildung buchstäblich eine Sache von Leben und Tod ist.“

Ausgehend von Untersuchungen in den Entwicklungsländern, zeigt der UNICEF-Bericht, daß es einen direkten
Zusammenhang zwischen der Anzahl der Schuljahre und den Kindersterblichkeitsraten gibt.

Der Bericht zeigt, daß es für Kinder, die ohne Grundschulbildung aufwachsen, nicht nur schwieriger sein wird,
sich und ihre Familien zu versorgen, sondern auch ihren Weg in der Gesellschaft als Erwachsene im Geiste von
Toleranz, Verständnis und Gleichberechtigung zu gehen.

Bildung hilft den Menschen, die grundlegenden Menschenrechte zu erfüllen – wie Gesundheit, Ernährung und
sichere Mutterschaft – und ihre Lebensqualität zu verbessern. Aber Bildung hilft Erwachsenen und Kindern
auch dabei, mit Konflikten umzugehen, Vielfältigkeit und Verschiedenheit zu respektieren, und gemeinsam mit
anderen für gemeinsame Ziele zu arbeiten.

„Das Vorenthalten von Bildung beeinträchtigt auf Gesellschaftsebene die Demokratie, den sozialen
Fortschritt, den Frieden und die Sicherheit“, sagt der Bericht.

Das Vorenthalten von Bildung ist besonders kraß im Fall von Mädchen, die oft arbeiten müssen, statt zur Schule
zu gehen, oder im Klassenzimmer ausgegrenzt werden. Wie bedenklich die Situation tatsächlich ist, zeigt die
Statistik: von etwa 855 Millionen erwachsenen Analphabeten auf der Welt sind zwei Drittel Frauen.

Bildung ist ein Schlüsselelement beim Kampf gegen Kinderarbeit und Bildung für Mädchen ist ein
Schlüsselelement beim Kampf gegen Analphabetismus. Für Kinder die durch bewaffnete Konflikte und Gewalt
traumatisiert wurden, wie Kindersoldaten oder Opfer von sexuellem Mißbrauch, ist Schulbildung von äußerster
Wichtigkeit für Genesung und Rehabilitation.

Der Bericht betont die entscheidende Bedeutung der Qualität der Bildung. Denn 150 Millionen Kinder in den
Entwicklungsländern beginnen zwar mit dem Schulbesuch doch erreichen die fünfte Schulstufe nicht. Sie
verlassen die Schule, ohne schreiben, lesen und rechnen zu können.

Die Welt müßte während der nächsten 10 Jahre jährlich zusätzlich 7 Milliarden US-Dollar aufbringen, damit
alle Kinder ihr Recht auf Bildung wahrnehmen können. Das ist weniger als jährlich in den Vereinigten Staaten
für Kosmetik oder in Europa für Eiscreme ausgegeben wird. Und es ist weniger als ein Zehntel der jährlichen
weltweiten Militärausgaben.

Die Bildungskrise kommt zu einer Zeit, in der neue Technologien Informationen, Ideen und Wissen mehr
Menschen als je zuvor zugänglich machen. Die Tragödie besteht darin, daß eben jene Technologien die Kluft
zwischen reich und arm noch mehr vertieft haben.

Das Recht auf Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht, das in den verschiedensten Vereinbarungen
festgehalten ist, von der 50 Jahre alten Deklaration der Menschenrechte bis hin zur Konvention über die Rechte
des Kindes. Beim Streben nach Entwicklung gibt es wohl kaum eine wichtigerer Rolle für Staaten, als
sicherzustellen, daß die Kinder ihr Recht auf Grundschulbildung wahrnehmen können.