Die Zukunft der Kindheit steht auf dem Spiel, wenn nicht dringende Maßnahmen ergriffen werden, um die Rechte von Kindern in einer sich wandelnden Welt zu sichern, warnte UNICEF in seinem heute am Internationalen Tag der Kinderrechte veröffentlichten Leitbericht.
Der Bericht The State of the World’s Children 2024: The Future of Childhood in a Changing World beleuchtet, wie drei bedeutende globale Kräfte – sogenannte Megatrends – das Leben von Kindern bis 2050 und darüber hinaus beeinflussen werden. Die Megatrends – demografischer Wandel, Klima- und Umweltkrisen sowie bahnbrechende bzw. disruptive Technologien – geben entscheidende Hinweise auf die Herausforderungen und Chancen, denen Kinder in Zukunft begegnen könnten.
„Kinder sind bereits heute mit einer Vielzahl an Krisen konfrontiert, von Klimaschocks bis hin zu digitalen Gefahren, und diese werden in den kommenden Jahren noch intensiver“, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. „Die Prognosen dieses Berichts zeigen, dass die Entscheidungen, die die weltweit Regierenden heute treffen – oder nicht treffen – die Welt definieren werden, die Kinder erben werden. Eine bessere Zukunft im Jahr 2050 zu schaffen, erfordert mehr als bloße Vorstellungskraft, es erfordert Handeln. Jahrzehntelange Fortschritte, insbesondere für Mädchen, sind bedroht.“
Die Klimakrise ist bereits jetzt gravierend
„‚Listen to the Future‘ bedeutet für UNICEF, Kindern und Jugendlichen und ihren Problemen mehr Gehör zu schenken. Die auch in Österreich immer stärker merkbaren Auswirkungen des Klimawandels zeigen uns, Zuhören alleine genügt nicht. Um 2050 einen lebenswerten Planeten für unsere Kinder und Kindeskinder zu haben, müssen wir als globale Gesellschaft nachhaltiger ins Handeln kommen. Entscheidungen zu Klimaschutzmaßnahmen werden regelmäßig vertagt, nicht weniger als die Zukunft unserer Kinder steht auf dem Spiel,“ erklärt Christoph Jünger, Geschäftsführer von UNICEF Österreich.
Die Klimakrise ist bereits gravierend, wobei das Jahr 2023 das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen war. Laut dem Bericht werden sich in der Dekade von 2050 bis 2059 Klima- und Umweltkrisen weiter verschärfen: Achtmal so viele Kinder werden extremen Hitzewellen ausgesetzt sein, dreimal so viele extremen Flussüberschwemmungen und fast doppelt so viele extremen Waldbränden, verglichen mit den 2000er Jahren.
Wie sich diese klimatischen Gefahren auf Kinder auswirken, hängt von ihrem Alter, Gesundheitszustand, sozioökonomischen Umfeld und dem Zugang zu Ressourcen ab. Beispielsweise hat ein Kind mit Zugang zu klimaresilientem Wohnraum, Kühlinfrastruktur, Gesundheitsversorgung, Bildung und sauberem Wasser eine größere Überlebenschance gegenüber klimatischen Erschütterungen im Vergleich zu einem Kind ohne diesen Zugang. Der Bericht unterstreicht die dringende Notwendigkeit zielgerichteter Umweltmaßnahmen zum Schutz aller Kinder und zur Abschwächung der Risiken, denen sie ausgesetzt sind.
Demografische Verschiebungen
Für die 2050er Jahre wird prognostiziert, dass Subsahara-Afrika und Südasien die größten Kinderpopulationen haben werden. Gleichzeitig zeigt sich eine alternde Bevölkerung, da der Anteil der Kinder in allen Weltregionen zurückgehen wird. In Afrika sinkt der Kinderanteil auf unter 40 % – von 50 % in den 2000er Jahren. In Ostasien und Westeuropa fällt er auf unter 17 %, wo Kinder in den 2000er Jahren noch 29 bzw. 20 % der Bevölkerung ausmachten.
Diese demografischen Verschiebungen stellen Herausforderungen dar: Während einige Länder unter Druck stehen, ihre Dienste für große Kinderpopulationen auszubauen, müssen andere die Bedürfnisse einer wachsenden älteren Bevölkerung ausbalancieren.
Neue und disruptive Technologien
Der Bericht erkennt an, dass bahnbrechende Technologien – wie künstliche Intelligenz (KI) – sowohl Chancen als auch Gefahren für Kinder bieten, die bereits heute mit KI in Apps, Spielzeug, virtuellen Assistenten, Spielen und Lernsoftware interagieren. Doch die digitale Kluft bleibt stark ausgeprägt: Im Jahr 2024 sind über 95 % der Menschen in Hochlohnländern mit dem Internet verbunden, verglichen mit fast 26 % in Niedriglohnländern.
Der Bericht zeigt auf, dass ein großer Teil der jungen Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen Schwierigkeiten hat, Zugang zu digitalen Kompetenzen zu erhalten, was ihre Fähigkeit beeinflusst, digitale Werkzeuge in der Bildung und an zukünftigen Arbeitsplätzen effektiv und verantwortungsbewusst zu nutzen. Diese Barrieren stehen oft im Zusammenhang mit sozioökonomischen Rahmenbedingungen, Geschlecht, Sprachbarrieren und Zugänglichkeit.
Der Report enthält auch gute Nachrichten. Die Lebenserwartung bei der Geburt wird voraussichtlich steigen. Die Fortschritte im Bildungszugang für Kinder in den letzten 100 Jahren werden ebenfalls voraussichtlich anhalten, und bis in die 2050er Jahre werden fast 96 % der Kinder weltweit mindestens eine Grundschulausbildung erhalten – ein Anstieg von 80 % in den 2000er Jahren. Mit erhöhten Investitionen in Bildung und öffentliche Gesundheit sowie strengeren Umweltvorschriften könnten die Ergebnisse für Kinder deutlich verbessert werden. Beispielsweise würde sich der Geschlechterunterschied im Bildungsniveau verringern und die Exposition gegenüber Umweltgefahren reduziert.
The State of the World’s Children 2024 betont die Bedeutung der Berücksichtigung von Kinderrechten, wie sie in der UN-Kinderrechtskonvention verankert sind, in allen Strategien, Politiken und Maßnahmen. Der Bericht fordert, den Herausforderungen und Chancen der drei Megatrends zu begegnen, indem:
- in Bildung, Dienstleistungen und nachhaltige und resiliente Städte für Kinder investiert wird;
- Klimaresilienz in Infrastruktur, Technologie, wichtigen Diensten und sozialen Unterstützungssystemen ausgebaut wird;
- Konnektivität und sicheres Technologie-Design für alle Kinder gewährleistet werden.
Klimakrise: UNICEF-Forderungen für Österreich
Die Klimakrise beschäftigt uns bereits jetzt auch in Österreich und wird dies auch in Zukunft noch viel mehr. Daher fordert UNICEF Österreich die handelnden Personen zu folgenden Schritten auf:
- Ambitionierte Verfolgung der Pariser Klimaziele
- Klimagerechtigkeit – Erhöhung der Klimafinanzierung gegenüber besonders betroffenen Regionen im Globalen Süden;
- Resilienz der für Kinder kritischen Infrastruktur stärken: Wasser, Ernährung, Sanitär- und Gesundheitsdienste, Bildung, Kinderschutz;
- Partizipation junger Menschen in der Klimapolitik.
Kinder zu Wort kommen lassen
Der diesjährige Internationale Tag der Kinderrechte, der jährlich von UNICEF als Aktionstag für Kinder gefeiert wird, steht unter dem Motto „Listen to the Future“. Im Rahmen der Kampagne hat UNICEF Kinder dazu aufgerufen, Briefe über die Welt zu schreiben, die sie sich im Jahr 2050 wünschen. Antworten kamen aus der ganzen Welt – darunter aus Gaza-Stadt, Haiti und Tansania – und äußern den Wunsch der Kinder, sicher, gesund und gebildet zu sein sowie vor Krieg und Klimakatastrophen geschützt zu werden.
In Österreich ließen wir die 15-jährige Luisa zu Wort kommen: „Es ist frustrierend, dass der Klimaschutz immer noch so zögerlich umgesetzt wird, obwohl längst klar ist, was auf dem Spiel steht. Ich möchte in einer Welt leben, in der die Luft frei von jeglichen Schadstoffen ist, Naturkatastrophen nicht zur Normalität werden und keine Tierarten vom Aussterben bedroht sind. Ich möchte in einem Land leben, das Verantwortung übernimmt und konsequent handelt, anstatt die Schuld von sich zu weisen und sich in leeren Versprechungen zu verlieren.“ Die internationalen Briefe können hier eingesehen werden.
„Der Internationale Tag der Kinderrechte ist ein Moment für die Politik, ihr Engagement für die Rechte und das Wohlergehen jedes Kindes zu zeigen“, sagte Russell. „Wir können eine bessere Zukunft für die Kinder von morgen gestalten, und wir müssen heute damit beginnen.“
Hinweis für Redaktionen
Foto- und Videomaterial passend zum Thema.
Auf der Grundlage von Megatrends und vielen anderen sozioökonomischen Indikatoren hat UNICEF das Wittgenstein Centre für Demografie und globales Humankapital beauftragt, Szenarien zu analysieren, die aufzeigen, wie die Welt für Kinder im Jahr 2050 aussehen könnte. Die Szenarien stellen mögliche Ergebnisse dar, keine Prognosen.
Neue Klimagrenzen: Die Analyse legt eine Schwelle fest, ab der ein Klimaereignis – wie eine Hitzewelle oder eine Flussüberschwemmung – als „extrem“ eingestuft wird. Beispielsweise wird eine Flussüberschwemmung als extrem betrachtet, wenn ihr Wasserstand den Wert überschreitet, der in der vorindustriellen Zeit nur alle 100 Jahre erreicht wurde. Die Schwellenwerte basieren auf wissenschaftlicher Literatur.
Der gesamte Bericht als PDF und eine 12-seitige Zusammenfassung.