Fast eine halbe Milliarde Kinder erleben mindestens doppelt so viele extrem heiße Tage wie ihre Großeltern

New York/Wien - In acht Ländern, darunter Mali, Niger, Senegal, Südsudan und Sudan, leben Kinder, die mehr als die Hälfte des Jahres bei Temperaturen über 35 Grad Celsius verbringen.

Ein Mädchen aus Mali steht in einem brachliegenden Feld.
© UNICEF/UNI562947/Keïta

Laut einer neuen UNICEF-Analyse lebt eines von fünf Kindern – oder anders gesagt, 466 Millionen Kinder – in Gebieten, in denen es jedes Jahr mindestens doppelt so viele extrem heiße Tage gibt wie noch vor sechs Jahrzehnten.

Anhand eines Vergleichs zwischen dem Durchschnitt der 1960er Jahre und dem der Jahre 2020 bis 2024 warnt die Analyse eindringlich vor der Geschwindigkeit und dem Ausmaß, in dem extrem heiße Tage - gemessen bei mehr als 35 Grad Celsius - für fast eine halbe Milliarde Kinder weltweit zunehmen, von denen viele nicht über die nötige Infrastruktur oder Dienstleistungen verfügen, um dies zu ertragen.

,,Die heißesten Sommertage scheinen jetzt normal zu sein’’, sagte UNICEF-Exekutivdirektorin Catherine Russell. ,,Die extreme Hitze nimmt zu und beeinträchtigt die Gesundheit, das Wohlbefinden und den Tagesablauf der Kinder.’’

Die Analyse untersucht auch Daten auf Länderebene und stellt fest, dass Kinder in 16 Ländern heute mehr als einen Monat mehr extrem heiße Tage erleben als noch vor sechs Jahrzehnten. Im Südsudan zum Beispiel erleben Kinder in diesem Jahrzehnt im Jahresdurchschnitt 165 extrem heiße Tage im Vergleich zu 110 Tagen in den 1960er Jahren, während die Zahl in Paraguay von 36 auf 71 Tage angestiegen ist.

Der Analyse zufolge sind Kinder in West- und Zentralafrika weltweit am stärksten der extremen Hitze ausgesetzt und verzeichnen im Laufe der Zeit den größten Anstieg. 123 Millionen Kinder - oder 39 Prozent der Kinder in der Region - erleben heute im Durchschnitt mehr als ein Drittel des Jahres - oder mindestens 95 Tage - Temperaturen über 35 Grad Celsius, und zwar an 212 Tagen in Mali, 202 Tagen in Niger, 198 Tagen im Senegal und 195 Tagen im Sudan. In Lateinamerika und der Karibik leben fast 48 Millionen Kinder in Gebieten, in denen die Zahl der extrem heißen Tage doppelt so hoch ist.

Hitzestress im Körper, der durch extreme Hitze verursacht wird, stellt eine besondere Bedrohung für die Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und schwangeren Frauen dar, insbesondere wenn keine kühlenden Maßnahmen zur Verfügung stehen. Er wird mit Schwangerschaftskomplikationen wie chronischen Schwangerschaftskrankheiten und ungünstigen Geburtsergebnissen wie Totgeburten, niedrigem Geburtsgewicht und Frühgeburten in Verbindung gebracht. Übermäßiger Hitzestress trägt auch zu Unterernährung bei Kindern und nicht übertragbaren Krankheiten wie hitzebedingten Erkrankungen bei und macht Kinder anfälliger für Infektionskrankheiten, die sich bei hohen Temperaturen ausbreiten, wie Malaria und Denguefieber. Es ist erwiesen, dass er sich auch auf die neurologische Entwicklung, die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden auswirkt.

Extreme Hitze hat auch bedenklichere Auswirkungen, wenn sie über längere Zeiträume hinweg auftritt. Während extreme Hitze in allen Ländern weltweit zunimmt, zeigt die Analyse, dass Kinder auch schwereren, längeren und häufigeren Hitzewellen ausgesetzt sind. In über 100 Ländern erlebt mehr als die Hälfte der Kinder heute doppelt so viele Hitzewellen wie vor 60 Jahren. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel sind 36 Millionen Kinder doppelt so vielen Hitzewellen ausgesetzt wie vor 60 Jahren, und 5,7 Millionen sogar dreimal so vielen.

Die Auswirkungen klimabedingter Gefahren auf die Gesundheit von Kindern werden dadurch vervielfacht, dass klimabedingte Gefahren die Lebensmittel- und Wassersicherheit sowie die Verschmutzung beeinträchtigen, die Infrastruktur beschädigen, Dienstleistungen für Kinder, einschließlich Bildung, unterbrechen und zu Vertreibungen führen. Darüber hinaus wird die Schwere dieser Auswirkungen durch die zugrunde liegenden Schwachstellen und Ungleichheiten bestimmt, denen Kinder aufgrund ihres sozioökonomischen Status, ihres Geschlechts, ihres Standorts, ihres bestehenden Gesundheitszustands und des Länderkontexts ausgesetzt sind.

In den kommenden Monaten müssen alle Mitgliedstaaten des Pariser Abkommens neue nationale Klimapläne – Nationally Defined Contributions (NDC 3.0) – vorlegen. Diese Pläne werden den Kurs der Klimapolitik für ein Jahrzehnt festlegen. Sie sind eine zeitlich begrenzte Gelegenheit, konkrete Pläne zur Verwirklichung der Ziele des Pariser Abkommens darzulegen. UNICEF ruft Führungskräfte, Regierungen und den privaten Sektor dazu auf, diese Gelegenheit zu nutzen, um dringende und mutige Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, die das Recht jedes Kindes auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt wahren, indem sie die folgenden Maßnahmen ergreifen:

  • Emissionen reduzieren und ehrgeizige internationale Nachhaltigkeits- und Klimaschutzvereinbarungen mit Dringlichkeit erfüllen, um steigende Temperaturen unter Kontrolle zu bringen;
  • Leben, Gesundheit und Wohlbefinden von Kindern und die Widerstandsfähigkeit ihrer Gemeinschaften schützen, u.a. durch die Anpassung wesentlicher sozialer Dienste an den Klimawandel, häufigere Katastrophen und die Verschlechterung der Umwelt. Zum Beispiel, indem sichergestellt wird, dass alle Mitarbeiter:innen des Gesundheitswesens geschult ist, Hitzestress zu erkennen und zu behandeln, und indem Gesundheits- und Bildungseinrichtungen hitzebeständig gemacht werden;
  • Jedes Kind soll im Laufe seines Lebens die Entwicklungschancen, die Bildung und die Fähigkeiten erhalten, um sich für die Umwelt einzusetzen.

,,Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ihr Körper ist viel anfälliger für extreme Hitze. Junge Körper heizen sich schneller auf und kühlen langsamer ab. Extreme Hitze ist für Babys wegen ihrer schnelleren Herzfrequenz besonders riskant, daher sind steigende Temperaturen für Kinder noch alarmierender’’, sagt Russell.

,,Die Regierungen müssen handeln, um den Temperaturanstieg in den Griff zu bekommen, und es gibt eine einzigartige Gelegenheit, dies jetzt zu tun. Da die Regierungen derzeit ihre nationalen Klimaschutzpläne ausarbeiten, können sie dies mit dem Ehrgeiz und dem Wissen tun, dass die Kinder von heute und künftige Generationen in der Welt leben müssen, die sie hinterlassen.’’

Für Redaktionen

Foto- und Videomaterial zum Thema zur redaktionellen Nutzung.

Die Temperaturdaten werden anhand täglicher aggregierter Temperaturdaten aus der ERA5-Reanalyse (Muñoz, 2019; abgerufen am 10. Juli 2024) berechnet, die mithilfe der Google Earth Engine Platform gewonnen und verarbeitet wurden.

Die Bevölkerungsdaten für Kinder stammen aus dem Global Human Settlement Population Data (GHS-POP - R2023A; Schiavina, 2023; abgerufen am 10. Juli 2024), die von der Copernicus-FTP-Seite heruntergeladen wurden (https://human-settlement.emergency.copernicus.eu/download.php?ds=pop). Diese Daten wurden anschließend angepasst, um den Prozentsatz der Kinderbevölkerung unter Verwendung der Daten zum Bevölkerungsanteil nach Altersgruppen – beide Geschlechter – aus den World Population Prospects-Daten (Vereinte Nationen, 2024; abgerufen am 10. Juli 2024) zu schätzen.

UNICEF hat die folgenden Definitionen zur Festlegung von Wärmemetriken angenommen:

  • Hitzewellen: Jede Periode von 3 Tagen oder mehr, in der die maximale Temperatur an jedem Tag zu den obersten 10 % des lokalen 15-Tage-Durchschnitts gehört.
  • Hitzewellenhäufigkeit: Die Anzahl der Hitzewellen pro Jahr.
  • Hitzewellendauer: Die Gesamtanzahl der Tage, die ein Ereignis andauert.
  • Hitzewellenschwere: Die Temperatur über dem lokalen 15-Tage-Durchschnitt während der Hitzewelle, ausgedrückt in Grad Celsius.
  • Extrem hohe Temperaturen (extrem heiße Tage): Tage, an denen die Temperatur 35 °C überschreitet.

Weitere Informationen finden Sie im Bericht "A Threat to Progress".