Gastbeitrag: Schmeißt den Müll nicht achtlos weg!

Fernitz-Mellach/Wien - Der Kindergemeinderat in Fernitz-Mellach, einer von UNICEF zertifizierten Kinderfreundlichen Gemeinde, versucht mit eigenen Schildern vor allem Erwachsene zu „erziehen“. Und erzählt dem Journalisten Heinz Wagner über konkrete Wünsche für Freizeitanlagen in der Doppelgemeinde südlich von Graz.

Kinderfreundliche Gemeinde Fernitz-Mellach: Schilder für weniger Müll auf den Wiesen
Kinderfreundliche Gemeinde Fernitz-Mellach: eigenhändig entworfene Schilder für weniger Müll auf den Wiesen © Heinz Wagner

„Müll kommt in die Tonne. Dann gibt es Sonne“, steht auf einem Schild gegenüber der Kirche im Gemeindeteil Fernitz der mit Mellach seit sieben Jahren zusammengelegten steirischen Gemeinde. Der Spruch steht einmal gedruckt – und darunter in Kinder-Handschrift und dazu eine Zeichnung, die zeigt, dass es ganz einfach geht: Mist nehmen und rein in den dafür vorgesehenen Kübel. Lola, Lili, Emma (alle acht Jahre) sowie Felix (9), Ella (7, aber bald 8), Sarah (11), Ylvie (10) und Amelie (11) führen den Journalisten durch einen Teil von Fernitz, die meisten besuch(t)en die Volksschule im anderen Teil, in Mellach. Aber in Fernitz liegt das Gemeindeamt, wo das Treffen beginnt – in jenem Saal des Gebäudes, in dem sowohl Trauungen stattfinden als auch die Sitzungen des gewählten Gemeinderates.

Und hier treffen sich auch einmal im Monat rund zwei Dutzend 8- bis 12-Jährige des Kindergemeinderates. Den gibt es hier erst seit dem Vorjahr. Jeweils für ein Jahr melden sich in den beiden Volksschulen Fernitz sowie Mellach in den 3. und 4. Klassen Kinder, die Ideen für eine Verbesserung in Richtung kinderfreundliche Gemeinde vorschlagen wollen und auf deren Umsetzung drängen. Die acht oben Genannten gehören seit Mai der zweiten Kindervertretung an. Bei der Diskussionsrunde mit dem Journalisten – und David Ziegler, dem zweiten Vizebürgermeister der knapp 5.000 Einwohner:innen-Gemeinde im Umfeld von Graz (öffentlich ca. eine halbe bis ¾ Stunde entfernt), stellt sich heraus: Noch ist nicht alles umgesetzt, was den Kindern des ersten jungen Gemeinderates versprochen worden ist: Reckstangen und kleine Fußballtore stehen zwar schon auf der Wiese der Volksschule Fernitz, in Mellach aber warten die Kinder noch darauf.

Die Erde ist unser Zuhause

Ein wichtiges Anliegen war den ersten – und ist jetzt auch den zweiten – Kindergemeinderät:innen: Weniger Müll auf den Wiesen. Und so haben sie eigenhändig Schilder entworfen. In der Hoffnung, dass auf die Kinderzeichnungen und -Sprüche mehr Erwachsene reagieren. Eine der Aktionen der Kinder aus dem ersten Durchgang, zu denen unter anderem auch Sarah aus der jetzigen Funktionsperiode zählt, war: Fähnchen auf Holzstöcken dort in die Erde zu stecken, wo Menschen – offenbar aus Autofenstern – Müll auf eine Wiese neben der Straße in der Nähe eines Supermarkts geschmissen haben. Und das passt eigentlich gar nicht zu der Gemeinde, die immerhin schon 13 Mal zum schönsten Blumendorf der Steiermark auserkoren worden ist. Daher hat der Kindergemeinderat Fernitz-Mellach, wie auch andere Kindergemeinderäte in weiteren acht steirischen Gemeinden, bei der Aktion „Der Müll ist zum Schreien“ mitgemacht –  weil so manche Schilder und andere Aktionen (noch) keine nachhaltige Wirkung bei den „Großen“ hatte.

Die Holzstange mit dem zweiten Schild bei einer Holzbrücke über den Mühlkanal finden die Kinder bei unserem Rundgang gar nicht mehr fest im Boden verankert. Und sagen das gleich dem genannten Gemeindevertreter. Der Spruch hier lautet „Die Erde ist unser Zuhause und keine Mülltonne. Haltet Sie bitte sauber!“ Darunter die Zeichnung einer bunten, sauberen Welt und jemand, der seinen Mist wegwirft. Insgesamt wurden die beiden Schilder an sechs Orten in der Gemeinde Fernitz-Mellach aufgestellt. Der Kindergemeinderat gestaltete nicht nur die Schilder, sondern überlegte sich auch, an welchen Orten die Schilder am meisten Sinn machen.

Die Kindergemeinderät:innen, die der Journalist trifft, wollen die Erwachsenen – und natürlich auch ihre Altersgenoss:innen – darauf aufmerksam machen, Müll nicht achtlos irgendwohin zu schmeißen, oder dass die versprochenen Pausen- und Freizeitgeräte in den Schulhöfen kommen. Wobei sie immer wieder auch selber Mist-Sammel-Aktionen starten, an denen sich auch viele andere Kinder beteiligen. Davon berichten sie richtiggehend begeistert.

 

Spieltrieb nutzen

Die erste Müllsammelaktion des Kindergemeinderats war ein großer Erfolg: Im September 2021 (am Tag des weltweiten Klimastreiks) sammelten die Kindergemeinderät:innen mit Unterstützung ihrer Klassenkolleg:innen, Eltern und Gemeindepolitiker:innen einiges an Müll in Fernitz-Mellach.

Ein weiterer Wunsch der Kinder sind Mistkübel mit Trennsystem, die es im öffentlichen Raum noch nicht gibt und die bald bei beiden Volksschulen aufgestellt werden sollen. Eine weitere Idee der Mädchen und Buben zum Thema Müll wird umgesetzt, indem einige Mistkübel in der Gemeinde mit kleinen Basketball-Körben versehen werden. Das – so die Kinder – könnte bei Menschen den Spieltrieb aktivieren und sie dazu bewegen, Mist spielerisch in die Tonnen zu werfen ;) Dafür überlegt sich der Kindergemeinderat noch einen Spruch, der auf die Basketball-Körbe kommt.

 

Spielgeräte nicht nur für Kleinkinder

Sie haben auch andere, weitere Wünsche, die sie bei ihren Sitzungen besprechen. So wollen sie – auch außerhalb der Schulhöfe und -gärten „Spielgeräte auch für Größere und nicht nur für Kleinkinder“. Dazu äußern sie auch konkrete Vorschläge: Stangen, über die wir springen können. Im Verlauf des Gesprächs wird dieser Wunsch auch noch gleich verfeinert: Zwei Holzstangen mit Rillen, in die diese Stangen gelegt werden können, um die Sprunghöhe zu verändern. Ein Parcours für Fahrräder, Scooter usw. kommt auch auf die Wunschliste samt Rampen und Halfpipe. Aufmerksam hört der 2. Vizebürgermeister des „alten“ Gemeinderates zu – und begleitet auch die Tour durch einen Teil von Fernitz.

Der Reporter will natürlich auch wissen, was sie dazu bewegt(e), sich im Kindergemeinderat zu engagieren. Felix‘ erster Satz: „Weil’s sonst langweilig und der Kindergemeinderat lustig ist. Aber vor allem, weil wir vorschlagen können, dass etwas für Kinder kommt, was es jetzt noch nicht gibt und es so für alle besser wird.“ Sarah macht es „Spaß, über alles mit anderen Kindern zu reden, damit alle Kinder in der Gemeinde was kriegen, was vorher noch nicht da war.“

Spaß scheint der Kindergemeinderat allen acht Kindern zu machen – denn das ist fast bei allen das erste dem Journalisten hingeworfene Wort. Mehr Mitgestaltung wünschen sich die Kinder auch in ihren Schulen. Ja, selbst von den Kinderrechten haben sie dort noch nichts gehört, wie sie dem Journalisten berichten. Dafür haben sie davon bei der letzten Sitzung des Kindergemeinderates erfahren, wo nicht nur ihre Ideen gesammelt und -hoffentlich – umgesetzt werden und sie hören, wie ihre Gemeinde funktioniert.

Einmal im Jahr treffen sie andere steirische Kindergemeinderäte und -parlamente beim Kindergipfel-Treffen zum Erfahrungsaustausch. Den nächsten Kindergipfel (2023) wird übrigens die Gemeinde Fernitz-Mellach ausrichten. Begleitet wird der Kindergemeinderat Fernitz-Mellach – wie zehn andere im Bundesland – von beteiligung.st, der Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Bürger:innenbeteiligung.

Autor: Journalist Heinz Wagner

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