Gastbeitrag zur kinderfreundlichen Gemeinde Graz: Öfter Straßen sperren – fürs Spielen!

Graz/Wien – Der Journalist Heinz Wagner von KiJuKU traf Kinder vom Grazer KinderParlament an einem Auto-frei-Tag. Sie berichten über ihre wichtigsten Wünsche und Forderungen für die UNICEF-zertifizierte Kinderfreundliche Gemeinde Graz. Besseres Schulessen, rauchfreie Spielplätze und Öffi-Haltestellen und mehr…

Kinder des Kinderparlaments Graz spielen Seilhüpfen auf einer abgesperrten Straße.
© Heinz Wagner

Je zwei Leute spannen abwechselnd das Seil zu einem länglichen Oval quer über die Straße. Veronika läuft an – Sprung - drüber. Sie ist nicht die einzige, wenngleich sie die höchsten Hürden meistert. Die Neunjährige ist ein besonderes Bewegungstalent, schlägt ein Rad nach dem anderen, setzt einen Spagat auf den Asphalt. Das tut aber auch Melek. Andere spielen mit Hockeyschlägern und einem kleinen Ball, später mit einer eingedeptschten Getränkedose in einem kleinen Spielfeld aus Holzblöcken auf den Tor-, sowie Kreidestrichen als Seitenlinien. Diese Dose flutscht nicht so leicht und weit davon. Kinder rennen auf und ab, spielen, malen mit dicken bunten Kreiden auf die Straße. An diesem Nachmittag ist der Abschnitt der Grazer Rechbauerstraße zwischen Schützenhof- und Krenngasse für drei Stunden autofrei. Also nicht ganz, an den Seitenrändern parken solche und wer mit der Karre wegmuss oder ankommt – für die/den, wird das Sperrgitter an einem der beiden Enden geöffnet.

Solche Aktionen, bei denen für einige Stunden ein Straßenabschnitt in der steirischen Landeshauptstadt bespielbar wird, gibt es immer wieder von der Initiative Auto:Frei:Tag, auch wenn’s nicht unbedingt ein Freitag sein muss ;)

Das besondere bei der Aktion am Beginn der Herbstferien, über die hier berichtet wird: Das Grazer KinderParlament hatte beschlossen, dieses Mal - im Bezirk St. Leonhard - dabei sein zu wollen und einen Teil des Treffens mit dem Journalisten aus Wien genau hier ablaufen zu lassen. UNICEF Österreich möchte den Kindern, die sich in den Kinderfreundlichen Gemeinden engagieren, eine Plattform geben und bat daher den Journalisten Heinz Wagner zum wiederholten Mal eine Reportage aus einer jener Gemeinden zu liefern, die die Auszeichnung „kinderfreundlich“ bekommen (haben).

Klima- und spielfreundlicher

Weniger Autos und mehr Bewegungsfreiheit für gehende, Rad fahrende oder gar spielende (nicht nur) Kinder ist einer der großen Wünsche – nicht nur in Graz ;) „Wir setzen uns für viele Themen ein, die Kindern in Graz wichtig sind, da gehört das Thema Verkehr und Umwelt dazu“, sagte Felix (10), gewählter Kinder-Bürgermeister ins Mikrophon. Seine Kollegin Hannah, ebenfalls als Kinder-Stadtoberhaupt gewählt, hatte an diesem Tag leider keine Zeit, dafür andere KinderParlaments-Mitglieder. „Wir waren als KinderParlament auch schon einmal von der Stadt Graz für die Erstellung eines Klimaschutzplans eingeladen“, setzt Felix fort „und konnten bei einer Gemeinderatssitzung unserer Ideen vorbringen. Das sind zum Beispiel: Weniger Autos, mehr Bäume, mehr Grünflächen – so dass Graz CO2 neutraler wird und schöner und gemütlicher.

Fabienne meinte: „So eine autofreie Straße ist eine gute Idee, da müssen wir nicht unsere Spielsachen weggeben.
Maja: „Ich find es auch toll, dass wir hier spielen dürfen, aber schade, dass sehr selten Straßen autofrei sind.

Es ist ein schönes Gefühl, dass die Straße gesperrt ist und wir hier laufen dürfen“, strahlte Melinda sehr freudig als sie dies der versammelten Schar über Mikrophon gut hörbar mitteilte.

Gespräche auf dem Hauptplatz

Schon vor der Straßenbahnfahrt bis in die Nähe des autofreien und damit bespielbaren Straßenstücks gaben aktive Kinder in ihrem Parlament (das es seit 18 Jahren gibt und wo jährlich je eine Bürgermeisterin und ein Bürgermeister neu gewählt werden) dem Journalisten aus Wien ein bisschen Einblicke in ihre Wünsche, Forderungen und Ideen. Dieses Treffen – organisiert von Heidi * (da die Kinder nur mit Vornamen genannt werden gilt dies auch gleichwertig für die Erwachsenen, die in diesem Bericht vorkommen) vom „Kinderbüro – die Lobby für Menschen bis 14“ - fand auf dem Hauptplatz vor dem Grazer Rathaus statt – die Interviews auf den Stufen zum Erzherzog-Johann-Brunnendenkmal. Rasch eroberten die Kinder vor und nach den Gesprächen mit bunten Kreiden einen Teil des Platzes – Zeichnungen und nicht zuletzt ganz zentral der Schriftzug Frieden entstanden in Windeseile. Und Felder mit Ziffern, um daraus Hüpfspiele zu machen.

Der schon oben erwähnte Felix (10) wurde heuer bereits zum dritten Mal hintereinander zum Kinderbürgermeister gewählt. Als Themen mit denen er offenbar in den Grazer Schulen – wo ebenso gewählt werden konnte wie im Grazer Rathaus oder auf dem Hauptplatz – gepunktet hat, nennt er: „Jedes Jahr das Schulessen, außerdem Mobbing und die Verbesserung von Spielplätzen.

Worum geht’s beim Essen?

Felix: In meiner Schule ist es mir aufgefallen und dann hab ich bei Kindern in anderen Schulen nachgefragt: Öfter schmeckt das Essen nicht besonders. Und da wollen wir, will ich schauen, dass es besser wird.

Essens-Umfrage

Dazu initiierte das KinderParlament sogar eine große Umfrage im Vorjahr, also dem zweiten Jahr von Felix‘ „Amtszeit“: Rund 1000 – von 4780 Familien mit Kindern in Volks-, Mittelschulen und Horten - haben damals teilgenommen (Online-Befragung 25. April bis 12. Mai 2022). Mehr als die Hälfte (53 %) hatten angegeben, gern in der Einrichtung zu essen, mehr als ein Drittel (37 %) eher nicht. 346 Kinder meinten, dass ihnen das Essen schmeckt, was von jenen, denen es nicht schmeckt (377) zahlenmäßig übertroffen worden ist. Anlässlich der Vorstellung der Umfrage-Ergebnisse hatte Felix gemeint: „Ich freue mich sehr, dass hier mit der Befragung etwas passiert ist, hoffe aber auch, dass mit den Ergebnissen nun noch mehr passiert.

Das scheint – noch? – nicht ausreichend der Fall zu sein, wie nicht nur Felix im Interview feststellen musste. Aus dem Büro des zuständigen Stadtrates Kurt* wurde dem Journalisten erklärt, das Essen, bei dem auf gesund und Bio geachtet wird, kommt aus der Küche Graz – wo es gekocht und schockgefroren wird. In der jeweiligen Schule bzw. im Hort muss es schonend aufgetaut, aufgekocht und endverfeinert werden. Aufgrund der Umfrage-Ergebnisse sei beschlossen worden, dass das entsprechende Personal überall nachgeschult werden soll.

Was offenbar noch nicht überall der Fall gewesen sein dürfte. Denn Felix‘ Meinung war in den Interviews kein Einzelfall – aber auch nicht bei allen ein Thema.

Spielplätze: Auch für ältere Kinder!

Bei mehreren aus dem KinderParlament war hingegen ein wichtiges Thema – das auch Felix nannte: „Auf den Spielplätzen sollte es auch immer etwas für ältere Kinder geben so für zehn, elf, zwölf Jahre.

Fabienne (10) stört, „dass es zu viele private Spielplätze gibt, wo nicht alle Kindern spielen dürfen. Aber alle Kinder haben ein Recht zu spielen.

Zum Schulessen ergänzt sie: „Wir haben zwar darüber gesprochen, aber leider hat sich noch nicht genug getan.

Die Mitarbeit beim KinderParlament schätzt sie, „weil es toll ist, sich für die Kinder der Stadt Graz einsetzen zu können und für die Rechte von Kindern zu kämpfen, damit es für sie besser wird.

Verbesserung beim Schulessen ist auch für die neunjährige Maja (9) ein Anliegen. Vor allem aber „interessiere ich mich fürs KinderParlament, weil wir uns hier für Kinderrechte einsetzen. Am wichtigsten dabei finde ich, dass überhaupt alle Kinder wissen und verstehen, dass sie Rechte haben und daher gut behandelt werden müssen.“

Autos zu schnell unterwegs

Yarennur (7) erzählt, dass aus ihrer Schule „ein Kind, das vorsichtig über den Zebrastreifen gegangen ist, Angst haben musste, von einem Auto erwischt zu werden, das viel zu schnell gefahren ist. Die Autos sollten viel langsamer und vorsichtiger fahren, wenn ein Kind über die Straße geht.

Ana (9) wünscht sich „ein bisschen größere Spielplätze und auch was für größere Kinder“, außerdem „fällt mir immer wieder auf, dass es Plätze gibt, wo ein Spielplatz Platz hätte, aber nur eine Hundewiese ist oder was verbaut wird“. Fürs KinderParlament habe sie sich gemeldet, „weil das spannend klingt und wir alle mithelfen können, dass sich alle in der Gemeinschaft wohlfühlen und Ideen haben, wie wir das mit dem CO2 verbessern können, auch wenn das nicht nur für Kinder, sondern für alle gut ist.

Nicht rauchen

Melek (9) „wollte einfach einmal ausprobieren, wie das so ist im KinderParlament. Und es ist voll lustig und total cool. Ich möchte, dass die Leute auf Spielplätzen nicht rauchen und ihre Zigarettenstummel wegwerfen, obwohl das verboten ist. Ich finde es voll mühsam, wenn wir Kinder diese schlechte Luft einatmen müssen.

Melinda (11): „Ich mach hier mit, weil ich mich gerne für Politik interessiere und mithelfen will, was besser zu machen.“ Auch ihr gehen Bereiche für ältere Kinder auf Spielplätzen ab. „Wenn eine Rutsche nur so groß ist wie ich selber bin – das ergibt keinen Sinn mehr. Und ich wünsch mir auch, dass die Leute auf Spielplätzen nicht mehr rauchen. Außerdem sollten sie auch nicht bei den Haltestellen rauchen, weil da auch Kinder auf Bus oder Bim warten!“

Die Leute sollten überhaupt weniger rauchen“, findet Veronika (9), der es ebenfalls „Spaß macht, weil wir mit dem KinderParlament öfter wohin gehen, Leute treffen, mit ihnen reden, sagen können, welche Ideen wir haben und mit anderen Kindern spielen können“.

Jonas (9) ist beim KinderParlament, „weil es Spaß macht und ich dabei öfter durch Graz komme, wenn wir uns was anschauen. Ich finde Graz perfekt, man sollte nichts daran ändern“.

Aela (9) „mag es gerne, mitzuarbeiten, wenn wir uns für die Kinderrechte einsetzen und dabei noch dazu Spaß haben“. Wie schon anderen zuvor sind ihr auch Spielplatz-Bereiche für ältere Kinder sehr wichtig, damit Spielplätze auch für uns interessant sind.

Kinder- und Jugendstadt

Im Vorjahr beschloss der Grazer Gemeinderat einen Schwerpunkt unter dem Titel Kinder- und Jugendstadt (2022 – 2027). Für diese fünf Jahre stellte das gewählte – erwachsene – Stadtparlament 1,5 Millionen zur Verfügung um Projekte zu verwirklichen, die das Leben der jungen Stadtbewohner:innen verbessern. Dazu gehörte die Aktion „Sommer des Zuhörens“ im Vorjahr wo zunächst einmal die Meinungen, Wünsche, Forderungen von Kindern und Jugendlichen gefragt waren – das konnte schriftlich aber auch zeichnerisch erfolgen. 1200 junge und jüngste Grazer:innen haben sich daran beteiligt.

Parks, Mistkübel, Öffis und Radwege

Wichtigste Wünsche aus dieser Befragung – in der es auch viel Lob für Bestehendes, vor allem Parks und Grünflächen gab – Link zu einer Übersichtsmeldung aus dem Rathaus unten am Ende des Beitrages: Mehr Parks, Grünflächen, Mülleimer, Ausbau von Öffis und Radwegen.

Eine Großbaustelle in Graz – für eine neue Bimstrecke (Entlastungsstrecke für die Herrengasse durch die Neutorgasse) – zeugt von einer Umsetzung einer der Wünsche – nicht nur von Kindern und Jugendlichen. Außerdem wird die Straßenbahnlinie 5 im Bereich Richtung Puntigam endlich auf zweigleisig ausgebaut. Fahrradwege werden ebenfalls ausgebaut, berichtet Nadine *, Koordinatorin der Kinder- und Jugendstadt dem Journalisten am Telefon. Und sie verweist auf die Aktion der (erwachsenen) Vizebürgermeisterin Judith *: „Grazer Kinder-Radlbonus“, die kürzlich pilotweise in fünf zufällig ausgewählten Volksschulen stattfand – und danach ausgewertet und erweitert werden soll: Alle Kinder der zweiten Schulstufe dieser Schulen bekamen zwischen Juli und Mitte Oktober einen 250-Euro-Gutschein für ein Rad in einem der 16 teilnehmenden Fahrradgeschäfte von Graz (das Antragsformular gab es übrigens in einem Dutzend Sprachen).

Zoo

Ein großer Wunsch vieler Kinder war ein Tiergarten/Zoo. Der kann nicht erfüllt werden, heißt es aus dem Rathaus – nicht zuletzt aus budgetären Gründen, aber in Lustbühel auf einem Naturschutzgebiet, das der Stadt gehört und von einer Bäuerin vor Ort gepflegt wird, werde „der schon bestehende Streichelzoo ausgeweitet – natürlich unter höchsten Tierwohlstandards und gegebenenfalls wird auch ein neuer Spielplatz errichtet“, sagt dazu Michael * aus dem Büro des zuständigen Stadtrates.

Ein – auch im Rathaus selbst – sichtbares Zeichen für mehr Kindefreundlichkeit ließ die Bürgermeisterin (des erwachsenen Graz) Elke * setzen: Die vormals eher düstere Eingangstür zu ihrem Büro wurde durch eine helle ersetzt. Und diese durften 13 Kinder des Kinderbüros, das auch das KinderParlament organisiert, bemalt und beschrieben werden. Inmitten einer leuchtend gelben Sonne steht Bürgermeisterin-Amt und auf der ganzen Fläche verteilt sind Bäume, Blumen und vieles mehr – vor allem Willkommen – in 70 verschiedenen Sprachen.

*da die Kinder nur mit Vornamen genannt werden gilt dies auch gleichwertig für die Erwachsenen, die in diesem Bericht vorkommen

Weitere Informationen zu den „kinderfreundlichen Gemeinden“ in Österreich.

Website von "Kinder Jugend Kultur und mehr" (kijuku.at).

Zusätzliche Informationen zum KinderParlament Graz.

Eine Reportage von Heinz Wagner aus der Gemeinde Fernitz (2022).