Österreich ist ein Land der Kleinspender:innen. Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz geben hierzulande deutlich weniger vermögende Menschen für gemeinnützige Zwecke. Um zu verstehen woran das liegt, was Vermögende zu Spenden motiviert und was sie dabei hemmt, hat das Institut für Höhere Studien im Auftrag des Fundraising Verband Austria erstmals eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt. Qualitative Interviews mit 15 vermögenden Österreicher:innen ergaben, dass unter heimischen Großspender:innen das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit und das Gefühl der Verantwortung besonders starke Antriebe sind. Barrieren stellen hingegen die vorherrschende Mentalität, dass der Staat für das Lösen aller Probleme zuständig sei, die Skepsis der Gesellschaft gegenüber Vermögen und die schlechten steuerlichen Rahmenbedingungen dar. Was es für den Aufbau einer starken Kultur der Philanthropie braucht: Wertschätzung und mehr Austausch unter Philanthrop:innen.
Das internationale Spendenwesen entwickelt sich seit Jahren dahin, dass weniger Spendende kontinuierlich höhere Beträge geben. Insbesondere das Engagement Vermögender steigt in vielen Ländern seit geraumer Zeit an. „In Österreich wurden 2022 insgesamt 900 Mio. Euro gespendet – rund 97 Euro pro Einwohner. In der Schweiz und Deutschland liegt dieser Schnitt mit 217 Euro bzw. 150 Euro deutlich höher. Einer der Hauptgründe dafür ist eine wesentlich stärkere Beteiligung von vermögenden Menschen, die sich direkt oder über eigene Stiftungen engagieren“, weiß Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria.
Neue IHS-Studie gibt Einblick, was Philanthropen bewegt
Eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) 1) widmet sich daran anknüpfend erstmals der Frage, wie eine Kultur der Philanthropie unter Vermögenden in Österreich aufgebaut werden kann. „Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, dass Vermögende vor allem von intrinsischen Motiven, wie dem Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit, zum Spenden motiviert werden. Im internationalen Vergleich wird außerdem in Österreich stärker das Gefühl der Verantwortung als Grund angegeben, sich philanthropisch zu engagieren“, erläutert Studienautorin Katharina Gangl.
Konkret ausgearbeitet wurden in der Studie 36 Maßnahmen, die eine Kultur der Philanthropie stärken sollen. Zwei Maßnahmen haben sich dabei als besonders vielversprechend herauskristallisiert: Zum einen die Förderung eines niederschwelligen Austausches zwischen Philanthrop:innen und zum anderen die Förderung einer differenzierten öffentlichen Diskussion zum Thema Spenden und Philanthropie.
„Wir sehen, dass das Bewusstsein für soziale Verantwortung bei vielen Vermögenden in den letzten Jahren gestiegen ist. Durch die Teilnahme an der Studie wollten wir herausfinden, wo es aktuell noch Hindernisse gibt, damit sich noch mehr Menschen philanthropisch engagieren und was wir als Organisationen dazu beitragen können, diese Hindernisse zu beseitigen,“ so Anna Wilhelm-Strenn, Leitung Philanthropie & Partnerschaften bei UNICEF Österreich. „Gemeinsam wollen wir durch Gespräche auf Augenhöhe die Beweggründe und Werte der Investor:innen identifizieren und langfristige, impact-starke Projekte weltweit für die Kinder umsetzen, die unsere Hilfe am meisten brauchen.“
Für Redaktionen
1)Auf Basis einer verhaltensökonomischen Literaturanalyse wurden dazu 15 qualitative Interviews, zwei Fokusgruppen mit Vermögenden sowie zwei Expert:innen-Workshops durchgeführt. Das besondere Studiendesign ermöglichte unmittelbaren Einblick in die Situation Vermögender.
Philanthropie-Studie im Überblick
Die vorliegende Studie wurde durch das Institut für Höhere Studien auf Initiative von 13 gemeinnützigen Organisationen (Österreichisches Rotes Kreuz, Caritas, UNICEF Österreich, Ärzte ohne Grenzen, WWF, Concordia Sozialprojekte, Licht für die Welt, Jugend eine Welt, Care, ROTE NASEN Clowndoctors, VIER PFOTEN, SOS-Kinderdorf und Teach for Austria) und des Fundraising Verband Austria durchgeführt.
Auf Basis einer Literaturrecherche wurden Interviews mit 15 Vermögenden geführt. Darüber hinaus wurden zwei Fokusgruppen mit Vermögenden und zwei Workshops mit Expert:innen organisiert. Der gesamte Studienablauf wurde von einer Projektsteuerungsgruppe festgelegt und organisiert. Mitglieder dieser Gruppe waren neben dem IHS zwei Mitglieder des FVA sowie jeweils ein Mitglied von Ärzte ohne Grenzen, Teach for Austria und UNICEF Österreich.