„Kalt, krank und traumatisiert" – der anhaltende Albtraum der Kinder in Gaza

Amman/Genf/Wien – Ausführungen der UNICEF-Kommunikationsspezialistin Rosalia Bollen bei der heutigen Pressekonferenz im Palais des Nations in Genf.

Ein Bub sitzt im Gazastreifen auf einem Polster auf der Straße.
© UNICEF/UNI463117/El Baba

„Den Kindern in Gaza ist kalt, sie sind krank und traumatisiert. Hunger und Mangelernährung sowie die katastrophalen Lebensbedingungen gefährden weiterhin das Leben der Kinder. Derzeit können über 96 % der Frauen und Kinder in Gaza ihre grundlegenden Ernährungsbedürfnisse nicht decken. Die meisten überleben mit rationiertem Mehl, Linsen, Nudeln und Dosenlebensmitteln – einer Ernährung, die ihre Gesundheit allmählich beeinträchtigt.

Im November wurden im Durchschnitt 65 Lastwagenladungen Hilfsgüter nach Gaza geliefert, verglichen mit 500 Lastwagen täglich vor dem Krieg – und zu einer Zeit, als Gaza noch eigene Lebensmittel produzieren konnte. Der nördlichste Teil Gazas steht seit mittlerweile 75 Tagen unter einer nahezu vollständigen Blockade. Seit mehr als zehn Wochen konnte humanitäre Hilfe die bedürftigen Kinder kaum erreichen.

Für humanitäre Helfer muss Gaza einer der herzzerreißendsten Orte der Welt sein. Jeder kleine Versuch, das Leben eines Kindes zu retten, wird von der gewaltigen Zerstörung wieder zunichtegemacht. Seit über 14 Monaten befinden sich Kinder an vorderster Front dieses Albtraums, mit Berichten über mehr als 14.500 getötete Kinder und Tausenden von Verletzten.

Letzte Woche traf ich Saad, einen fünfjährigen Buben. Bei einem Bombenangriff verlor er sein Augenlicht und erlitt eine Kopfverletzung sowie Verbrennungen. Als ich ihn diese Woche wiedertraf, sagte er zu mir: ‚Meine Augen gingen in den Himmel, bevor ich es tat.‘ Während unseres Gesprächs flog ein Flugzeug über uns. Er erstarrte, schrie und klammerte sich an seine Mutter. Diesen Jungen, der kürzlich sein Augenlicht verloren hatte, in einem so tiefen Zustand der Verzweiflung zu sehen, war unerträglich.

Während wir uns dem Jahresende nähern – einer Zeit, in der die Welt normalerweise Familie, Frieden und Zusammenhalt feiert –, ist die Realität für über eine Million Kinder in Gaza von Angst, völliger Entbehrung und unvorstellbarem Leid geprägt.

Der Krieg gegen die Kinder in Gaza ist eine eindringliche Mahnung an unsere kollektive Verantwortung. Eine Generation von Kindern erleidet die brutale Verletzung ihrer Rechte und die Zerstörung ihrer Zukunft.

Die Geschichten, die ich in den letzten Monaten hörte, werden mich für immer quälen. Lassen Sie mich eine davon teilen: Diesen Sommer trafen wir einen kleinen Jungen, ebenfalls Saad genannt, der sieben Monate alt war. Er war das Wunder seiner Mutter, die jahrelang versucht hatte, ein Kind zu bekommen. Mit sieben Monaten wog er nur 2,7 Kilogramm – ein Bruchteil dessen, was ein Baby in seinem Alter wiegen sollte. Vor elf Tagen gab sein zerbrechlicher Körper nach, weil er nicht genügend nahrhafte Nahrung bekam. Er wurde im Krieg geboren und verließ diese Welt, ohne jemals die Chance gehabt zu haben, in Frieden zu leben. Ich kann mir das Leid seiner Eltern nicht einmal ansatzweise vorstellen. Das Leiden ist nicht nur körperlich, sondern auch psychisch.

Der Winter ist nun in Gaza angekommen. Den Kindern ist kalt, sie sind nass und barfuß. Viele tragen immer noch Sommerkleidung. Ohne Gas zum Kochen suchen viele in den Trümmern nach Plastikteilen, die sie verbrennen können. Krankheiten wüten in den kleinen Körpern der Kinder, während Krankenhäuser ohne Mittel sind und ständig angegriffen werden. Das Gesundheitssystem ist am Boden: Es fehlt an Medikamenten, medizinischer Ausrüstung und Ärzten. Dies wird durch die nahezu vollständige Stromabschaltung verschärft, wodurch Krankenhäuser und andere kritische Infrastrukturen vollständig auf dürftige Treibstofflieferungen angewiesen sind.

Es gibt sofortige Maßnahmen, die wir heute ergreifen können, um das Leben dieser Kinder ein wenig erträglicher zu machen.

Wir können unsere Stimmen, unser politisches Kapital und unseren diplomatischen Einfluss nutzen, um für die Evakuierung schwer verletzter Kinder und ihrer Eltern zu kämpfen, damit sie lebensrettende medizinische Versorgung in Ost-Jerusalem oder anderswo erhalten können.

Während viele von uns die Weihnachts- und Neujahrsfeierlichkeiten begehen, umgeben von so viel Wohlstand, sollten wir einen Moment innehalten und an diese Kinder denken, die so wenig haben und dennoch Tag für Tag immer mehr verlieren. Nutzen Sie Ihre Macht, nutzen Sie Ihren Einfluss, um für einen Waffenstillstand und den umfassenden Zugang zu humanitärer Hilfe einzutreten.

Jeder Tag ohne Handeln stiehlt einen weiteren Tag aus dem Leben der Kinder in Gaza. Jede Verzögerung kostet weitere Leben. Dieser Krieg sollte uns alle verfolgen. Die Kinder in Gaza können nicht länger warten.

Vielen Dank.“

UNICEF bittet um Unterstützung der Nothilfe Nahost.

Für Redaktionen

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