Menschenrechtsverletzungen: GEWALT GEGEN FRAUEN UND MÄDCHEN

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Im Prater - Between here and bear.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist heute die vorherrschende Menschenrechtsverletzung in unserer Welt. Diese Gewalt findet sowohl öffentlich als auch versteckt statt, und hat enorme Auswirkungen auf Fortschritt und Entwicklung. Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist weltweit in vielen Kulturen so fest verankert, daß sie schon fast unsichtbar ist. Und doch ist diese Brutalität nicht unvermeidbar. Wenn sie einmal als das erkannt wird, was sie wirklich ist - Machtdemonstration und Erhaltung des Status quo - kann sie auch beendet werden.

In den Vereinigten Staaten wird alle neun Sekunden eine Frau von ihrem Partner körperlich mißhandelt. Vergewaltigung wird in vielen Kriegen als Waffe eingesetzt. In Bosnien-Herzegowina wurden etwa 20.000 muslimische Frauen während des Bürgerkrieges vergewaltigt, über 15.000 Frauen innerhalb eines Jahres in Ruanda. Massenvergewaltigung wurde in den letzten Jahren auch in Kambodscha, Liberia, Somalia und Uganda als Kriegswaffe eingesetzt. Jedes Jahr werden 2 Millionen Mädchen (6.000 jeden Tag) dem Ritual der Beschneidung unterzogen. Jedes Jahr werden über eine Million Kinder zur Prostitution gezwungen - der Großteil davon sind Mädchen.

Gewalt gegen Frauen erfüllt eine soziale Funktion: sie gibt Männern Kontrolle über das Leben von Frauen und macht Frauen zu Bürgern zweiter Klasse.


Der vertraute Feind

Für Millionen Frauen ist ihr Zuhause eine Stätte des Terrors. Körperliche Mißhandlung durch Verwandte, Freunde und den eigenen Partner ist weltweit die häufigste Form von Gewalt gegen Frauen. Diese Art von Gewalt kommt selten an die Öffentlichkeit, da sie hinter verschlossenen Türen stattfindet, und die Opfer meist schweigen - aus Angst vor neuerlicher Gewaltanwendung. In den Vereinigten Staaten zeigt nur eine von hundert körperlich mißhandelten Frauen den Täter an.

Häusliche Gewalt ist tragischerweise etwas Alltägliches. Sie kommt in allen Gesellschafts- und Einkommensschichten vor. Eine Auswertung der Weltbank von 35 Studien zum Thema Gewalt gegen Frauen in Industrie- und Entwicklungsländern ergab, daß zwischen 25 und 50 Prozent der Frauen von ihrem Partner körperlich mißhandelt wurden. Vorkommen und Verhaltensmuster von häuslicher Gewalt stimmen von Kultur zu Kultur überein. Statistiken über Vergewaltigungen in Industrie- und Entwicklungsländern zeigen die gleichen Ergebnisse: Zwischen einer von fünf und einer von sieben Frauen werden in ihrem Leben vergewaltigt.

Es ist dringend notwendig, daß sich die öffentliche Aufmerksamkeit dem Problem der häuslichen Gewalt zuwendet: Häusliche Gewalt wird an die nächste Generation weitergegeben. Kinder von gewalttätigen Vätern wiederholen dieses Verhaltensmuster häufig bei ihren eigenen Kindern, und verüben auch öfters Gewalttaten außerhalb der Familie. Es gibt klare Parallelen zwischen dem Verhalten innerhalb und außerhalb der Familie. Wenn die Unterdrückung von Frauen und Mädchen innerhalb der Familien toleriert wird, dann wird auch die Gesellschaft dementsprechend gestaltet sein. Studien belegen, daß häusliche Gewalt eine wichtige Komponente bei sozialen Problemen wie Straßenkindern, Kinderarbeit und Kinderprostitution ist. Gewalt schwächt Frauen und Mädchen körperlich, psychisch und sozial - oft ein Leben lang. Häusliche Gewalt beeinträchtigt gesunde Entwicklung und Produktivität in allen Gesellschaften.

Nur 42 Staaten haben bis jetzt spezielle Gesetze gegen häusliche Gewalt erlassen - Österreich ist nicht darunter. In nur 17 Ländern (inklusive Österreich) ist Vergewaltigung in der Ehe strafbar.


Schädliche Traditionen

Traditionelle Praktiken, bei denen Gewalt gegenüber Frauen angewendet wird, werden oft mit dem Argument verteidigt, sie seien Teil der Kultur der betreffenden Gesellschaft. In vielen Ländern ist es zum Beispiel selbstverständlich, daß Männer ihre Frauen schlagen dürfen. In 12 Lateinamerikanischen Staaten wird ein Mann, der eine Frau vergewaltigt hat, vor Gericht freigesprochen, wenn er anbietet, sein Opfer zu heiraten. Die Familie zwingt die Frau meistens zur Hochzeit mit dem Vergewaltiger, um die Familienehre wiederherzustellen. In Indien werden jedes Jahr über 5.000 Frauen getötet, weil ihre angeheirateten Verwandten ihre Mitgift als zu gering erachten. Nur ein geringer Prozentsatz der Mörder wird tatsächlich vor Gericht gestellt. In einigen Ländern in Mittleren Osten und in Lateinamerika werden Männer, die ihre untreuen oder ungehorsamen Ehefrauen umbringen, aus Gründen der "Ehre" freigesprochen. In vielen Ländern werden Söhne den Töchtern vorgezogen, vor allem in Asien. Mädchen werden gezielt abgetrieben, in einigen Gesellschaften kommt es zur Tötung von neugeborenen Mädchen. Jedes Jahr werden etwa 200 Millionen Mädchen an ihren Geschlechtsorganen beschnitten. Diese schmerzvolle Praktik ist eine schwere Verletzung der Menschenrechte und verursacht lebenslange Schäden an Körper und Seele.

Gewaltsame kulturelle Praktiken und die Tatsache, daß Mädchen weniger zu essen bekommen als ihre Brüder, schlechter medizinisch versorgt werden und mehr arbeiten müssen, hat dazu geführt, daß die Balance zwischen Buben und Mädchen, zwischen Männern und Frauen verloren geht. Weltweit "fehlen" rund 60 Millionen Mädchen und Frauen.

"In vielen Gesellschaften werden Frauen wie Sklaven behandelt. Ihre Fesseln sind geringe oder keine Schulbildung, wirtschaftliche Abhängigkeit, geringe oder keine politische Macht, zuwenig Kontrolle über Familienplanung, grausame soziale Sitten und keine Gleichstellung vor dem Gesetz. Gewalt ist ein wirksames Mittel, um diese Fesseln an ihrem Platz zu halten", sagte der verstorbene UNICEF Executive Director James P. Grant.

Veränderungen sind möglich

Um Gewaltanwendung gegenüber Frauen und Mädchen zu beenden, muß die Vorstellung, daß Frauen weniger wert sind als Männer, verändert werden. Nur wenn Frauen und Mädchen ihren Platz als gleichwertige und starke Mitglieder in der Gesellschaft erlangen, wird Gewalt gegen sie als Verbrechen und nicht als Normalität betrachtet werden.

Weltweit muß der erste Schritt die Erfüllung der Konvention über die Rechte des Kindes und der Konvention zur Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau sein. Die Ratifikation dieser Verträge ist die Basis für Sozial- und Gesetzesreformen.

Die Erfüllung dieser Konventionen muß mit Schulbildung für Mädchen beginnen. Der begrenzte Zugang von Mädchen zu Schulbildung schwächt ihre Position immer mehr, und macht sie anfällig für Unterdrückung und Gewalt. Schulbildung gibt Mädchen das Selbstvertrauen, das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen. Das Schulsystem ist ein Forum, um Einstellungen gegenüber Gewalt zu diskutieren. Mädchen, die zur Schule gehen sind eine eindeutige Botschaft an ihre männlichen Schulkollegen bezüglich Gleichheit der Geschlechter.

Schulbildung für Mädchen ist der Weg in die Wirtschaft. Geldverdienen verstärkt das Selbstbewußtsein und festigt den Platz in der Gesellschaft. Eigenes Geld gibt Frauen Kontrolle über ihr Leben. Kleinkreditprogramme für Frauen, die mit Sozial- und Gesundheitsdiensten verbunden sind, helfen den Frauen, für sich selbst und ihre Kinder zu sorgen.

Auch politische Macht ist wichtig für die Verstärkung der Position von Frauen. Frauen in Autoritätspositionen in politischen Systemen können eindeutig Positives bewirken, auch durch ihre Vorbildwirkung. Doch Frauen sind weltweit in der Politik unterrepräsentiert. Nur 7 Prozent der Ministerposten sind mit Frauen besetzt (Österreich 24 Prozent), und dieser Prozentsatz ist auf wenige Fachgebiete konzentriert wie Soziales, Erziehung, Gesundheit und Familie.

Um Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beenden, müssen alle Bereiche der Gesellschaft miteinbezogen werden: das Justizsystem, die Medien, Lehrer, Ärzte und medizinisches Personal, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Politiker, religiöse Führer, und natürlich die Frauen und Männer selbst.