UNICEF fürchtet, daß die Krise zu neuerlichen Rekrutierung von Kindersoldaten führt
Freetown, Wien, 10. Mai 2000 - Die Direktorin von UNICEF in Sierra Leone sagte heute, daß die gegenwärtige Krise im Land zu neuerlichen Rekrutierungen von Kindersoldaten führen könnte - ein Verfahren, von dem sich die militärischen Führer in den letzten zwei Jahren wiederholt losgesagt hatten.
"Wir sind gerade jetzt sehr besorgt über diese Bedrohung für die Kinder," sagte Joanna Van Gerpen, die Leiterin des UNICEF-Büros in Sierra Leone. ""Das hohe Maß an Instabilität könnte uns wieder zurück zu jener Gewaltspirale führen, in der Kinder als Werkzeuge für den Krieg verwendet werden. Dieser Krieg ist die Angelegenheit von Erwachsenen - Kinder sollten nicht dazu gezwungen werden, den Preis dafür zu bezahlen," sagte sie.
Die Anführer der Armee von Sierra Leone, die paramilitärische Civil Defence Force und das Armed Forces Ruling Council (AFRC) hatten zugestimmt, sich von der Rekrutierung von Kindern als Soldaten loszusagen, sagte van Gerpen. Obwohl einige Mitglieder der Revolutionary United Front (RUF) ihre Unterstützung für das Verbot von Kindersoldaten zugesagt hatten , hat Foday Sankoh, Anführer der RUF, bis jetzt nicht sehr viel Engagement in dieser Richtung gezeigt.
Trotzdem forderte van Gerpen alle militärischen Organisationen im Land dazu auf, das Verbot aufrecht zu halten. Sie sagte, daß letzte Woche in Makeni Kommandanten der RUF mindestens 40 ehemaliger Kindersoldaten wieder eingezogen hatten - und versucht hätten noch mehr zu rekrutieren.
UNICEF schätzt, daß während des neunjährigen Bürgerkrieges in Sierra Leone etwa 5.000 Kinder - vor allem Buben - als Soldaten eingesetzt wurden. Tausende andere Buben und Mädchen wurden verschleppt und gezwungen, Köche, Diener, Träger oder Sexsklaven für die Militärs zu werden. Van Gerpen sagte, daß seit der Unterzeichnung der Lome Friedensverträge im letzten Juli fast 1.700 ehemalige Kindersoldaten demobilisiert wurden.
UNICEF unterstützt die Rehabilitationszentren für die demobilisierten Kindersoldaten pro Jahr mit über 28 Millionen Schilling. Die ehemaligen Kindersoldaten erhalten hier psychologische Beratung, Schulbildung und Berufsausbildung während versucht wird, ihre Familien zu finden. Van Gerpen betonte, daß die Famlienzusammenführung und die Reintegration in die Heimatgemeinden die obersten Ziele sind. Fast die Hälfte der demobilisierten Kinder leben wieder bei ihren Familien oder bei Pflegeeltern. UNICEF und seine Partner bieten auch diesen Kindern weiterhin psychologische Unterstützung, Schulunterricht und Berufsausbildung an.
Aber Van Gerpen, die während der momentanen Krise in Freetown bleibt und die Arbeit von UNICEF fortsetzt, äußerte sich sehr besorgt, daß diese Bemühungen, das Leben von Kindern zu normalisieren, nun zunichte gemacht werden könnten.
"Das Letzte was dieses Land jetzt braucht ist die Rückkehr zur Gewalt," sagt sie. "Der Krieg hat bei einer ganzen Generation von Kindern Narben an Körper und Seele hinterlassen. Wenn wir sie nach ihren Wünschen fragen, sagen sie meist, daß sie zur Schule gehen wollen - eine Chance, die über 50% der Kinder in Sierra Leone während des Krieges nicht hatte. Den Kindern wurde erklärt, daß nun Friede herrsche. Und was sollen wir ihnen jetzt sagen? Wird es diesen Kinder jemals erlaubt werden, wirklich Kinder zu sein?"
"Ständige Vertreibung, Unterbrechung der Schulbildung, traumatische Erlebnisse, Verlust von Familienmitgliedern, Verschleppung und Zwangsrekrutierung sowie ständige Verletzungen der grundlegenden Menschenrechte beeinträchtigten das Leben von Hunderttausenden Kindern. Die Kinder in diesem Land haben genug gelitten," sagte Van Gerpen. "Es ist Zeit für eine Veränderung, Zeit daß die Rechte der Kinder an erster Stelle kommen"
Trotz der angespannten Situation in Sierra Leone bleibt die Betreuung ehemaliger Kindersoldaten durch UNICEF gewährleistet. Vor allem Kinder, die in provisorischen Camps nahe der jetzt umkämpften Regionen untergebracht waren, werden derzeit an sicherere Orte gebracht, damit sie nicht erneut in die Gewalt der Rebellen geraten und zu Kämpfen gezwungen werden. Die Leiterin des UNICEF-Büros in Sierra Leone, Joanna Van Gerpen, setzt die Arbeit mit einer Notbesetzung fort.