Ich möchte Ihnen von den Kindern im Irak erzählen. Ich war bei ihnen und habe zwei Wochen lang viel über ihr Leben gelernt. Und obwohl ich schon lange wieder zurück in Wien bin, sind meine Gedanken noch bei den Kindern. Sie lassen mich nicht los, die Bilder der Kinder in den ärmsten Vierteln von Baghdad und den vergessenen Dörfern entlang der Straße nach Basrah.
Versuchen Sie sich vorzustellen: ein Volksschulkind hockt auf dem Boden, weil es zu wenig Möbel gibt. Es hat Probleme mit den Augen, weil es keinen Strom für Beleuchtung gibt. In den kalten Monaten bekommt es Lungenentzündung, weil das Gebäude nicht beheizt werden kann. Manche Kinder gehen einen langen beschwerlichen Weg zur Schule, um eine Stunde Unterricht zu haben. Dann wartet schon die nächste Schicht" - es gibt zu wenig Schulgebäude für einen vollen Unterricht für alle Kinder.
Ich war in den Schulen - oder in dem, was von ihnen übrig ist. Kinder, die einfach da sitzen, ohne Hefte, Bücher, Schreibmaterial, mit hungrigem Magen. Kinder, die nicht einmal einen Schluck Wasser bekommen können, weil es keine Wasserleitungen gibt. Diese Kinder lassen mich deshalb nicht los, weil ich ihren Lerneifer gesehen habe - und die Armut, die diesen Lerneifer nicht stillen kann.
Von 100 Kindern im Volksschulalter dürfen 34 (!) Kinder nicht einmal in die Grundschule gehen.
Das heißt auf eine durchschnittliche Klassengröße umgerechnet: Die Kinder von 2 Klassen dürfen in die Schule gehen, jede dritte Klasse bleibt zu Hause. Mein UNICEF-Kollege Tim Sutton, der schon so lange für die Kinder im Irak arbeitet, und der es mir möglich gemacht hat, auch die entlegensten Schulen zu besuchen, erklärt das Problem: "Erst die Hälfte der benötigten Mittel für die Kinder im Irak ist aufgebracht!" Mit den bisher verfügbaren Mitteln hat UNICEF Schulen für 90.000 Kinder neu aufgebaut und ausgestattet.
Was aber wird aus den vielen anderen Kindern? Ich weiß, daß viele "meiner" Kinder noch immer in ihren niedrigen, finsteren Räumen hinter den zugigen, abbruchreifen Mauern sitzen, in denen sich im Sommer die Hitze staut und es im Winter bitter kalt ist. Wie viele von ihnen werden eines Tages einfach nicht mehr kommen. Und vielleicht eines Tages im Zentrum für straffällig gewordene Kinder landen wie der kleine Sahid? Sahid, der einfach weggelaufen ist, weil sein Vater tot ist und seine Mutter nicht mehr wußte, wovon sie ihn ernähren sollte? Sahid ist 7 Jahre und hält ein Bambi Puzzle in der Hand. Er wurde auf der Straße aufgegriffen. Sahid hat in den Straßen von Baghdad vieles gelernt. Auch wo er in der Nacht Unterschlupf findet, ohne von der Polizei entdeckt zu werden. Aber wie er seinen Namen schreiben kann, das hat ihm niemand beigebracht. Warum er nicht in die Schule gegangen ist, frage ich ihn, und den Lehrer um Hilfe gebeten hat. "In welche Schule" übersetzt der Dolmetsch die Antwort von Sahid. "Wir haben keine Schule."
Die Kinder im Irak möchten in die Schule gehen. Sie nehmen alle Mühen auf sich. Bitte helfen Sie UNICEF, damit es seine dringendsten Vorhaben für die Kinder umsetzen kann. Der komplette Wiederaufbau einer Schule für 500 Kinder kostet rund 240.000,- Schillinge. Das sind rund 480,- Schillinge pro Kind. Und vergessen wir nicht, daß im Irak eine komplette Schule mehr ist als "nur" die Möglichkeit zu lernen. Sie bedeutet für 500 Kinder Trinkwasser, funktionierende Sanitäranlagen und vieles andere, das für uns selbstverständlich ist - nicht aber für die Kinder im Irak! Ich bitte Sie aus ganzem Herzen: Bitte helfen Sie mir, diesen Betrag so schnell als möglich aufzubringen, damit eine weitere Schule ihren Betrieb aufnehmen kann! Jede Spende trägt dazu bei! Danke!"
Mit hochachtungsvollen Grüßen
Dr. Gudrun Berger
Generalsekretärin UNICEF Österreich