UNICEF ruft zu „Befreiungsfeldzug“ gegen HIV/AIDS auf

Neuer Report Progress of Nations 2000: Mobilisierung der gesamten Gesellschaft ist notwendig – vor allem von jungen Menschen, die ein Drittel der weltweiten HIV-Fälle ausmachen

Ausgerüstet mit der Erkenntnis, daß HIV/AIDS jede Minute 6 Menschen unter 24 Jahren infiziert, sagte UNICEF heute, daß wenn Nationen hoffen, diese Krankheit zu besiegen, sie sich für die „größte Mobilisierung von Mitteln in ihrer Geschichte“ einsetzen müssen und sich selbst so organisieren, als ob sie einen „Befreiungskrieg“ mit jungen Menschen an vorderster Front führen.

„HIV/AIDS stellt die größte Bedrohung dar, mit der viele Gesellschaften je konfrontiert waren“, sagte Carol Bellamy, Direktorin von UNICEF. „Unglücklicherweise war es oft ein versteckter Feind, begünstigt durch die allgemeine Abgeneigtheit, seine Stärke und unsere Verwundbarkeit anzuerkennen. So sind wir AIDS nicht mit der gesamten Kraft, die wir aufbringen können, gegenübergetreten“, sagte sie.

„Praktisch jede Gesellschaft versteht, was es bedeutet, einen Befreiungskampf zu führen“, sagte Bellamy und hielt fest, daß dieses Konzept vor allem in Afrika Resonanz findet. „Das bedeutet alle verfügbaren Mittel zu mobilisieren, Männer und Frauen auf gleichberechtigter Basis mit einzubeziehen und die wichtige Rolle der Jugendlichen zu akzeptieren. Das bedeutet, keine Mühe zu scheuen und keinen Aufschub zu dulden. Das wird jetzt benötigt, nicht weniger.“

Das forderte Carol Bellamy heute anläßlich der Präsentation des UNICEF- Berichts Progress of Nations 2000 – Fortschritt der Nationen, der unter anderem die enormen Auswirkungen von HIV/AIDS auf junge Menschen darstellt. Und dabei halten nach den Erfahrungen von UNICEF gerade junge Menschen den Schlüssel in Händen, um die Übertragungsrate zu verringern und AIDS schließlich zu besiegen.

Der UNICEF-Report Progress of Nations 2000 stellt folgendes fest:

* Fast ein Drittel aller Menschen mit HIV/AIDS sind zwischen 15 und 24 Jahren alt – insgesamt etwa 10 Millionen junge Menschen.
* Jede Minute infizieren sich sechs junge Menschen unter 24 Jahren mit HIV.
* Mädchen und junge Frauen sind um 50 Prozent mehr gefährdet, sich mit HIV zu infizieren als Buben und junge Männer.
* Allein im Jahre 1999 verloren etwa 860.000 Schulkinder in Afrika südlich der Sahara ihre Lehrer wegen AIDS.

Bellamy forderte, daß die Bemühungen, die Ausbreitung von HIV zu stoppen, verstärkt werden. Die UNICEF-Direktorin erklärte vor dem Publikum der Internationalen AIDS Konferenz in Durban: „Besonders beunruhigend ist die Tatsache, daß eine große Zahl junger Menschen in jenen Ländern mit den höchsten Infektionsraten nicht genau wissen, wie sie sich selbst schützen können. Viele wissen gar nicht, daß sie überhaupt gefährdet sind – vor allem Mädchen - und das ist eine Katastrophe.“

Der Progress of Nations stellt dazu folgendes fest:

* In einigen Ländern weiß die Hälfte der 15- bis 19-jährigen Mädchen nicht, daß eine Person, die gesund aussieht, mit HIV infiziert sein und andere anstecken kann.
* In diversen Ländern glaubt die Hälfte der 15- bis 19-jährigen Mädchen nicht, daß sie sich mit der Krankheit infizieren könnten.
* Bei Befragungen in 17 Ländern konnte die Hälfte der Jugendlichen keine einzige Methode zum Schutz vor HIV/AIDS nennen.

Gleichzeitig betont UNICEF, daß HIV/AIDS-Aufklärung, an der Jugendliche selbst beteiligt sind, Erfolg hatte. In Uganda, Malawi, Senegal und Sambia beginnen die HIV- Raten zurückzugehen. Auch in Thailand zeigt die HIV/AIDS-Prävention Ergebnisse: in der stark betroffenen Provinz Chiang Rai sinken die Infektionsraten bei Frauen, vor allem bei jungen Frauen und Mädchen. UNICEF wird sich weiterhin auf die Unterstützung von Programmen konzentrieren, an denen die Jugendlichen selbst aktiv mitarbeiten.

In diesem Sinne lud UNICEF zwei junge Afrikaner dazu ein, Artikel über HIV/AIDS für den Progress of Nations zu schreiben. Der afrikanische Musiker Femi Anikulapo- Kuti, dessen bekannter Vater Fela 1997 an AIDS starb, schreibt, daß „Afrika und seine Freunde AIDS mit derselben Entschlossenheit und Einheit gegenübertreten müssen wie sie es bei jedem Feind tun würden, der versucht, sie zu vernichten.“ Die 19-jährige Hortense Bla Me, Präsidentin des Kinderparlaments der Elfenbeinküste, schreibt, daß „Aufklärung durch Gleichaltrige das stärkste und gleichzeitig am wenigsten benutzte Instrument ist, das wir haben, um HIV/AIDS gegenüber zu treten.“

UNICEF betont, daß die Mehrheit der jungen Menschen unter 25 Jahren HIV-Negativ ist. Der Schlüssel zu ihrem Schutz ist Wissen, Gesinnung und Sachkenntnis.

UNICEF arbeitet auch aktiv für die Verringerung der Mutter-Kind- Übertragungsrate. In Botswana und Ruanda finden Pilotprojekte mit einem ganzheitlichem Ansatz statt, eine Kombination aus Beratung und medizinischer Betreuung. Ein weiteres Projekt in Nord-Thailand konnte die Mutter-Kind-Übertragungsrate von 25 auf 7,5 Prozent senken.

Weitere Themen des Reports

Zusätzlich zu den Erkenntnissen über HIV/AIDS enthält der Progress of Nations 2000 Artikel und Statistiken zu drei weiteren Kinderrechtsbereichen: Betreuung in frühester Kindheit, Impfschutz sowie Schutz vor Ausbeutung und Vernachlässigung.

„Obwohl der Schwerpunkt in dem Report HIV/AIDS ist, steht die Ausbreitung dieser Krankheit unter jungen Menschen symbolisch für etwas viel weitreichenderes: für das Versagen der Welt, die Rechte der Kinder zu erfüllen“, sagte Carol Bellamy: „Wenn Regierungen angemessene Mittel in Gesundheitsversorgung und Schulbildung für Kinder investieren würden, in die Betreuung schwangerer Frauen, in Impfschutz und in den Schutz der Kinder vor Ausbeutung, dann wäre HIV/AIDS weit weniger verbreitet als es momentan der Fall ist.“

Carol Bellamy setzt sich in ihrem Beitrag mit dem Titel „Zeit zu säen“ mit Betreuung in frühester Kindheit auseinander. Bellamy betont darin, daß gute Betreuung für Kinder zwischen Geburt und achtem Lebensjahr ausschlaggebend für eine anhaltende menschliche Entwicklung ist. „Die Bausteine dafür sind ganz simpel“, schreibt Bellamy. „Kinder brauchen Gesundheitsversorgung, gesunde Ernährung, eine sichere und hygienische Umgebung sowie spielerische und liebevolle Interaktion.“ UNICEF geht davon aus, daß zusätzliche weltweite Ausgaben von 70 bis 80 Milliarden Dollar pro Jahr die nötigsten Sozialleistungen sicherstellen könnten, damit alle mit dieser Art von lebenswichtigen Grundlagen versorgt sind. Ergänzende Statistiken zu Bellamy´s Artikel setzen sich mit Wachstumshindernissen, Jodmangel, niedrigem Geburtsgewicht, pränataler Versorgung, Gesundheitsdiensten auf Gemeindeebene und Teenager-Müttern auseinander.

Im dritten Artikel „Die Macht von Impfschutz“ setzt sich der Gesundheitsexperte Dr. William Foege für Verbesserung und Ausweitung von Impfschutz vor allem in ärmeren Ländern ein. Er unterstreicht, daß eine neue Generation von Impfstoffen notwendig ist, um Impfschutz für alle zu verwirklichen und Krankheiten wie Hib (Haemophilus Influenzae Typ B, verursacht bakterielle Lungenentzündung und Meningitis) , Malaria und HIV/AIDS zu besiegen. Dr. Foege betont, daß jeden Tag 30.000 Kinder an vermeidbaren Krankheiten sterben. Die begleitenden Statistiken beschäftigen sich mit DPT3-Impfraten (Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus), Fortschritten bezüglich der Ausrottung von Kinderlähmung, Todesfällen infolge von neonatalem Tetanus und mit der Finanzierung von Impfstoffen.

Der letzte Beitrag „Die verlorenen Kinder“ von ILO-Direktor Juan Somavia setzt sich mit den hunderten Millionen Kindern auseinander, die - kaum gehört oder gesehen - „verloren“ sind. Darunter sind Kinder, die in der Landwirtschaft und in Fabriken arbeiten, die sexuell ausgebeutet werden, Kindersoldaten, Kinder ohne Geburtsurkunden und Straßenkinder. Zusätzlich wird das Stadt-Land-Gefälle hinsichtlich Bildung untersucht, die Situation von Waisenkindern, das Problem der weiblichen Beschneidung, mangelnder Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen und das Sinken der Entwicklungshilfegelder.