Las Grietas, 24. November 1998 - Ein schäbiges Fahrzeug sucht sich seinen Weg durch Schlammpfützen. In ihm befinden sich sechs Gesundheitsarbeiter, Krankenschwestern und Ärzte auf dem Weg nach Las Grietas. In diesem kleinen Ort im Norden Nicaraguas leben ungefähr 480 Menschen.
Das mobile Ärzteteam wird den ganzen Tag in diesem kleinen Dorf verbringen. Nach den Regenfällen, Überflutungen und Erdrutschen kämpft die gesamte Region mit der Seuche Leptospirosis, einer tödlichen bakteriellen Krankheit, die durch Nagetiere übertragen wird. Nach Berichten des Gesundheitsministeriums wurde fast die Hälfte der bisher registrierten 264 Fälle von Leptospirosis in der Provinz Chinandega, zu der auch Las Grietas gehört, gezählt.
Das mobile Ärzteteam, das von UNICEF finanziert wird, erreicht Las Grietas gegen 8 Uhr morgens. Der Arbeitstag beginnt mit der Einrichtung einer behelfsmäßigen Ordination. Dafür hat eine Frau aus dem Ort ihr Haus den Ärzten gratis zur Verfügung gestellt. Es ist eines der wenigen aus Ziegel gebauten Häuser, die es in Las Grietas gibt. Mütter und kleine Kinder stehen bald Schlange, um einen der beiden Ärzte zu konsultieren.
Auf der anderen Straßenseite beginnen die Krankenschwestern in einer strohgedeckten Unterkunft mit ihrer Arbeit. Immer mehr Mütter und Kinder warten geduldig auf Bänken. Schweine und Hunde kommen und gehen, während die Schwestern Kinder gegen Masern, Polio, Diphterie, Keuchhusten und Tetanus impfen.
Die Ärzte und Krankenschwestern suchen nach den Symptomen für Leptosirosis: hohes Fieber, Husten, Erbrechen und Atemwegsprobleme. Sie fürchten einen massiven Ausbruch dieser Krankheit infolge mangelnder Hygiene und fehlender Sanitäranlagen. Viele Latrinen in Las Grietas gingen über, als Hurrikan Mitch über Nicaragua zog.
Aber am Abend - nach der Untersuchung von mehr als 90 Patienten - hat das mobile Ärzteteam fast nur für Nicaragua "übliche" Krankheiten ausgemacht. "Durchfall- und Atemwegserkrankungen sind unser tägliches Brot," bemerkt Dr. Bayardo Linarte, Leiter der Gesundheitsbehörde in der Stadt Chinandega. Letztes Jahr starben 360 nicaraguanische Kinder unter 5 Jahren an den Folgen von schwerer Diarrhöe. Die überwiegende Mehrheit war jünger als 1 Jahr.
Nun wird auch mit dem Ansteigen von Malaria- und Dengue-Fiebererkrankungen gerechnet, da man ein verstärktes Auftreten von Moskitos erwartet. Man fürchtet, daß man nur wenig dagegen machen wird können. "Natürlich könnten wir Moskitonetze verwenden," sagt Tomasa Tercero, die Hebamme des Ortes. "Aber für die meisten Leute hier sind sie zu teuer."
Gäbe es das mobile Ärzteteam nicht, würden die Bewohner von Las Grietas praktisch keine medizinische Versorgung erhalten. Bei einem Unfall oder einer plötzlichen Erkrankung muß die Hebamme des Ortes mit ihrem Fahrrad zum nächsten Telephon - 12km entfernt - fahren. Die Installation eines Funktelephones wurde bereits erwogen. Doch das würde fast 1500 US$ (rund 18.000 öS) kosten - und niemand hier hat soviel Geld. Der Lehrer, einer der am besten verdienenden Leute in Las Grietas, verdient ungefähr 50 US$ (ca. 600 öS) pro Monat.
Das mobile Ärzteteam hat Medikamente mit - inklusive Oralem Rehydrationssalz, das von UNICEF geliefert wird. "Wir haben nicht viel - aber wir haben von allem ein bißchen," bemerkt Dr. Marian Hoexum, eine dänische Freiwillige, die erst kürzlich zum mobilen Ärzteteam kam.
Dr. Luis Felipe Godoy, 59, hat mehr als 30 Jahre lang in der Provinz Chinandega gearbeitet. Es sagt, daß es noch immer das größte Problem für das mobile Ärzteteam sei, von Punkt A nach Punkt B zu kommen. Krankenwagen brechen auf Straßen zusammen, die für Maultiere und Ochsenkarren gebaut wurden. Allrad-Fahrzeuge können in Chinandega gemietet werden, doch manche Autovermietungen verweigern Ärzten die Fahrzeuge, weil diese sie auf schlechten Straßen benutzten. Neue Krankenwagen wären ein Geschenk des Himmels, sagt Dr. Godoy. "Alles was wir möchten ist die grundlegendsten Gesundheitsdienste leisten zu können, die alle Nicaraguaner und Menschen brauchen."
Um ganz sicher zu gehen, daß die mobilen Ärzteteams auch die entlegensten Teile Nicaraguas erreichen, hat UNICEF sogar einige Esel gekauft. "Es sieht komisch auf unserer Liste mit Fahrzeugen aus," bemerkt Bernt Aasen, UNICEF-Vertreter in Managua. "Aber in Gegenden, wo es keine Straßen gibt, sind sie die einzige Möglichkeit irgendwohin zu kommen."
UNICEF finanziert ungefähr 200 mobile Ärzteteams im Norden Nicaraguas.