10 Millionen Kinder in der zentralen Sahelzone sind durch Konflikte extrem gefährdet

Genf/Dakar/New York/Wien, 17. März 2023 - Zehn Millionen Kinder in Burkina Faso, Mali und Niger benötigen dringend humanitäre Hilfe, doppelt so viele wie im Jahr 2022. Vor allem aufgrund der sich zuspitzenden Konflikte, die auch fast vier Millionen Kinder in den Nachbarländern gefährden, da die Feindseligkeiten zwischen bewaffneten Gruppen und nationalen Sicherheitskräften über die Grenzen hinausgehen.

Eine Mutter in Benin hält ihr Baby auf dem Arm, nachdem sie Ernährungsberatung von einem Arzt bekamen. Nahaufnahme auf ihre Gesichter.
© UNICEF/UN0794091/Hounkpatin

Kinder werden zunehmend in den bewaffneten Konflikt hineingezogen, als Opfer der sich verschärfenden militärischen Auseinandersetzungen oder als Ziel von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen", sagt Marie-Pierre Poirier, UNICEF-Regionaldirektorin für West- und Zentralafrika. „Das Jahr 2022 war für Kinder in der zentralen Sahelzone besonders gewalttätig. Alle Konfliktparteien müssen dringend die Angriffe auf Kinder, ihre Schulen, Gesundheitszentren und Häuser beenden."

In Burkina Faso wurden nach UN-Angaben in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 dreimal so viele Kinder getötet wie im gleichen Zeitraum des Jahres 2021. Die meisten Kinder starben an Schussverletzungen bei Angriffen auf ihre Dörfer oder an den Folgen von improvisierten Sprengkörpern oder explosiven Kriegsüberresten.

Der bewaffnete Konflikt ist zunehmend brutaler geworden. Einige der bewaffneten Gruppen, die in weiten Teilen von Mali, Burkina Faso und zunehmend auch in Niger operieren, wenden Taktiken an, zu denen die Blockade von Städten und Dörfern und die Sabotage von Wasserversorgungsnetzen gehören. Jüngsten Prognosen zufolge werden bis Juni 2023 mehr als 20.000 Menschen im Grenzgebiet zwischen Burkina Faso, Mali und Niger von einer katastrophalen Ernährungslage betroffen sein.

Bewaffnete Gruppen, die das staatliche Bildungswesen ablehnen, verbrennen und plündern systematisch Schulen und bedrohen, entführen oder töten Lehrer:innen. Mehr als 8.300 Schulen in den drei Ländern wurden geschlossen, weil sie direkt angegriffen wurden, weil Lehrerpersonal geflohen ist oder weil Eltern vertrieben wurden oder zu viel Angst hatten, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Mehr als jede fünfte Schule in Burkina Faso wurde geschlossen, und 30 Prozent der Schulen in Nigers Region Tillaberi sind aufgrund des Konflikts nicht mehr funktionsfähig.

Die Feindseligkeiten greifen von der zentralen Sahelzone auf die nördlichen Grenzregionen Benins, der Elfenbeinküste, Ghanas und Togos über. Dabei handelt es sich um abgelegene Gemeinden mit spärlicher Infrastruktur und geringen Ressourcen, in denen Kinder nur sehr begrenzt Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und Schutz haben.

Im Jahr 2022 wurden in den nördlichen Grenzregionen der vier Länder mindestens 172 gewalttätige Vorfälle gemeldet, darunter auch Angriffe bewaffneter Gruppen. In Benin, das am stärksten betroffen ist, gelten nach Angaben eines regionalen Beobachtungsnetzes bis zu 16 Prozent der Bevölkerung als gefährdet. Sowohl in Benin als auch in Togo wurden bis Ende 2022 neun Schulen in den nördlichen Regionen der Länder geschlossen oder waren aufgrund der unsicheren Lage nicht mehr funktionsfähig.

Die Krise spielt sich in einer der am stärksten vom Klima betroffenen Regionen der Welt ab. Die Temperaturen in der Sahelzone steigen 1,5 Mal schneller als im globalen Durchschnitt. Die Niederschläge fallen unregelmäßiger und intensiver und verursachen Überschwemmungen, die die Ernteerträge schmälern und die knappen Wasservorräte verseuchen. Im Jahr 2022 beschädigten oder zerstörten die schlimmsten Überschwemmungen seit Jahren 38.000 Häuser in Niger, das auf dem UNICEF-Kinderklima-Risiko-Index weltweit auf Platz 7 liegt.

Die Krise in der zentralen Sahelzone ist nach wie vor chronisch unterfinanziert: Im Jahr 2022 erhielt UNICEF nur ein Drittel seines Aufrufs in Höhe von 391 Millionen US-Dollar für die zentrale Sahelzone. Für 2023 hat UNICEF um 473,8 Millionen US-Dollar gebeten, um unsere humanitäre Hilfe in der zentralen Sahelzone und in den benachbarten Küstenländern zu unterstützen.

Das Ausmaß der Krise in der zentralen Sahelzone und in zunehmendem Maße auch in den benachbarten Küstenländern erfordert dringend eine stärkere humanitäre Reaktion sowie langfristige, flexible Investitionen in widerstandsfähige, grundlegende soziale Dienste, die dazu beitragen, den sozialen Zusammenhalt, die nachhaltige Entwicklung und eine bessere Zukunft für Kinder zu festigen", sagt Marie-Pierre Poirier, UNICEF-Regionaldirektorin für West- und Zentralafrika.

Um der zunehmenden Bedrohung der Kinder in der zentralen Sahelzone zu begegnen, fordert UNICEF dringend:

  • Die Regierungen der zentralen Sahelzone und der betroffenen Küstenländer sowie die technischen und finanziellen Partner müssen ihre Investitionen in den Ausbau des Zugangs zu grundlegenden sozialen Diensten und Schutzmaßnahmen als Schlüssel zu Frieden und Sicherheit deutlich erhöhen. Diese Aufstockung sollte sich auf die Stärkung und Unterstützung lokaler Systeme, Netzwerke und Arbeitskräfte konzentrieren, die in Krisenzeiten als erste reagieren und Kinder, insbesondere in schwer zugänglichen Gemeinschaften, konsequent erreichen können.
  • Alle Konfliktparteien müssen ihre grundlegenden moralischen und rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Kindern gemäß dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten erfüllen. Dazu gehören die Beendigung von Angriffen auf Kinder und die Dienste, auf die sie angewiesen sind, die Achtung des humanitären Raums und des Zugangs, die Umsetzung spezifischer Protokolle über die Behandlung von Kindern, die von dem bewaffneten Konflikt betroffen sind, und die systematische Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen bei konkreten Aktionsplänen zur Beendigung schwerer Verstöße gegen Kinder.

Hinweise für die Redaktion:

Den Bericht finden Sie auf der Website von UNICEF international.

Foto- und Videomaterial zur redaktionellen Nutzung.

Im Jahr 2022 hat UNICEF zusammen mit Partnern die zentrale Sahelzone unterstützt:

  • Fast 365.000 Kinder erhielten Zugang zu psychologischen Diensten und psychosozialer Unterstützung; 1,2 Millionen Kinder erhielten Zugang zu formaler oder nicht-formaler Bildung, einschließlich Früherziehung; und 1,1 Millionen Kinder wurden gegen Masern geimpft.
  • Über 446.000 Kinder und Frauen erhielten Zugang zur medizinischen Grundversorgung in von UNICEF unterstützten Einrichtungen, und 674.000 Kinder unter fünf Jahren wurden wegen schwerer Auszehrung behandelt. Fast 820.000 Menschen erhielten ausreichend sicheres Wasser für den Trink- und Haushaltsbedarf.
  • In fünf Küstenländern, die an die zentrale Sahelzone grenzen, erhielten 7,1 Millionen Kinder individuelle Lernmaterialien, und 1,28 Millionen Menschen wurden mit Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygieneartikeln versorgt. Fast 1,9 Millionen Kinder und Frauen erhielten Zugang zur medizinischen Grundversorgung in von UNICEF unterstützten Einrichtungen.