12 Jahre Konflikt & Erdbeben: Es droht eine Ernährungskrise für Kinder in Syrien

Damaskus/Amman/Wien - Zwölf Jahre Konflikt und die jüngsten tödlichen Erdbeben haben dazu geführt, dass Millionen Kindern in Syrien einem erhöhten Risiko der Mangelernährung ausgesetzt sind, warnte UNICEF heute.

Ein Bub in Syrien blickt in die Kamera.
© UNICEF/UN0791328/Al-Asadi

Der Konflikt in Syrien geht am 15. März in sein 13. Jahr und die Kampfhandlungen dauern in mehreren Teilen des Landes, insbesondere im Nordwesten, unvermindert an. Die Rechte der Kinder werden nach wie vor schwerwiegend verletzt. Seit Beginn des Konflikts wurden nach UN-Angaben fast 13.000 Kinder in Syrien getötet oder verletzt. Kinder leben weiterhin in Angst vor Angriffen und Vertreibung, und die Zahl der mangelernährten Kinder nimmt zu.

Schätzungen zufolge sind in Syrien mehr als 609.900 Kinder unter fünf Jahren verkümmert. „Stunting“ (Verkümmerung) ist die Folge von chronischer Mangelernährung und verursacht irreversible körperliche und geistige Schäden bei Kindern. Dies wirkt sich auf ihre Lernfähigkeit, ihre Produktivität und ihr späteres Einkommen im Erwachsenenalter aus.

Auch die akute Mangelernährung bei Kindern ist im Zunehmen begriffen. Die Zahl der 6-59 Monate alten Kinder, die an schwerer akuter Mangelernährung leiden, stieg zwischen 2021 und 2022 um 48 Prozent. Wenn Kinder an akuter Mangelernährung leiden, wird ihr Immunsystem geschwächt, und sie haben ein elfmal höheres Risiko zu sterben als gut ernährte Kinder.

Steigende Preise und unzureichende Einkommen bedeuten, dass Millionen von Familien in einer beispiellosen Wirtschaftskrise darum kämpfen, über die Runden zu kommen. Nahezu 90 Prozent der Menschen in Syrien leben in Armut. Dies wirkt sich nachteilig auf die Ernährung und den Ernährungszustand der Kinder aus.

Im Jahr 2023, vor den tödlichen Erdbeben, die Syrien am 6. Februar 2023 erschütterten, benötigten mehr als 3,75 Millionen Kinder im ganzen Land Ernährungshilfe, während landesweit fast 7 Millionen Kinder dringend humanitäre Hilfe benötigten.

Die Kinder in Syrien können nicht länger warten. Nach jahrelangen Konflikten und zwei katastrophalen Erdbeben hängt die Zukunft von Millionen von Kindern am seidenen Faden", sagte die UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, Adele Khodr. „Es ist unsere gemeinsame Verantwortung, den Kindern zu versichern, dass ihre Zukunft auch unsere Priorität ist."

Die Erdbeben haben die Häuser von Familien zerstört und viele Kinder hatten Angst, nach Hause zurückzukehren, da die Nachbeben anhielten.  Viele Familien sind nun vertrieben und leben unter beengten Verhältnissen in Notunterkünften und Lagern.

Vor den Erdbeben benötigten 6,81 Millionen Kinder in Syrien eine medizinische Grundversorgung. Die Hälfte des primären Gesundheitssystems funktionierte nicht, so dass viele Familien gezwungen waren, die medizinische Versorgung hinauszuzögern oder lange Reisen auf sich zu nehmen, wenn sie es sich leisten konnten. Schätzungen zufolge gibt es in Syrien nur noch 20.000 Ärztinnen und Ärzte. Der jüngste Choleraausbruch und die Auswirkungen der Erdbeben üben zusätzlichen Druck auf die bereits überlasteten öffentlichen Gesundheitsdienste und die Gesundheitsversorgung im Land aus. Es wird erwartet, dass sich der Zugang zu grundlegenden Gesundheits- und Ernährungsdiensten im Jahr 2023 weiter verschlechtern wird.

Wir müssen auf die Bedürfnisse der Kinder reagieren, wo immer sie sich in Syrien befinden, und die Systeme unterstützen, die die grundlegenden Dienstleistungen, die sie so dringend benötigen, gewährleisten", sagte Khodr.

In ganz Syrien investiert UNICEF in die Früherkennung von Unterernährung und arbeitet mit Partnern zusammen, um lebensrettende Behandlungsdienste für Kinder, die an schwerer akuter Unterernährung leiden, bereitzustellen und zu erweitern. Darüber hinaus werden präventive Ernährungsdienste wie Mikronährstoffergänzungen, Wachstumsüberwachung und -beratung sowie Unterstützung beim Stillen und altersgerechter Beikost angeboten. UNICEF stellt auch wichtige Gesundheitsdienste und -materialien sowie Zugang zu sauberem Wasser und guten sanitären Einrichtungen bereit, damit mehr Kinder eine Chance zum Überleben haben.

Schon vor den Erdbeben war der UNICEF-Appell "Humanitäre Hilfe für Kinder 2023" in Syrien deutlich unterfinanziert, da nur ein Bruchteil der 328,5 Millionen US-Dollar gesichert war. Mit der zusätzlichen Belastung durch die Erdbeben ist die Situation noch dringlicher geworden. 172,7 Millionen US-Dollar werden benötigt, um 5,4 Millionen Menschen (darunter 2,6 Millionen Kinder), die von dem Erdbeben betroffen sind, lebensrettende Soforthilfe in Syrien zukommen zu lassen.

Hinweise für Redaktionen

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  • Alle in dieser Pressemitteilung genannten Daten stammen aus der Zeit vor den Erdbeben vom Februar 2023.
  • Im Jahr 2022 stieg die Zahl der Kinder mit mäßiger akuter Mangelernährung um 55 Prozent.
  • Die Mangelernährung bei Müttern reicht von 11 Prozent im Nordwesten Syriens und Teilen von Damaskus bis zu 25 Prozent im Nordosten Syriens.
  • Vor den Erdbeben waren fast zwei Drittel der Wasseraufbereitungsanlagen, die Hälfte der Pumpstationen und ein Drittel der Wassertürme in ganz Syrien durch den Konflikt beschädigt.
  • Fast die Hälfte der Bevölkerung ist auf alternative und oft unsichere Wasserquellen angewiesen, um ihren Wasserbedarf zu decken oder zu ergänzen.
  • Mindestens 70 Prozent der eingeleiteten Abwässer sind unbehandelt.
  • Seit der Ausrufung des Choleraausbruchs in Syrien im September 2022 wurden mehr als 84.600 Verdachtsfälle gemeldet. Unterernährte Kinder mit geschwächtem Immunsystem haben ein höheres Risiko, sich mit Cholera zu infizieren.
  • Innerhalb der nächsten sechs Monate im Jahr 2023 werden mehr als 39.000 neue Choleraverdachtsfälle erwartet, wodurch mindestens 3 Millionen Menschen gefährdet sind und lebensrettende Präventionsmaßnahmen benötigen.