Übermütige Schulbuben drängen sich in einen behelfsmäßigen Klassenraum ohne Dach hinein, der überfüllt ist mit Bankreihen. Wenn die Schulstunde beginnt, grübeln die Buben über ihren Schiefertafeln, sagen das ABC auf, und strecken aufgeregt die Hände in die Luft, um die Antworten auf die Fragen des Lehrers zu rufen. Ihre Freude am Lernen ist offensichtlich.
Die Buben sehen wie typische Schüler in vielen afrikanischen Schulen aus. Der Unterschied besteht in ihren hellrosa, handgenähten Uniformen und in den Wachen, die außerhalb des Klassenraumes postiert sind.
Diese Kinder sind Insassen des "Kigali Central Prison". Die meisten von ihnen werden des Völkermordes beschuldigt, wurden aber noch nicht offiziell angeklagt. Es gibt in Ruanda ungefähr 1.050 Kinder, die wegen ihrer angeblichen Aktivitäten während des Bürgerkrieges ins Gefängnis gesperrt wurden. Alle diese Kinder beteuern ihre Unschuld. Viele von ihnen sagen, daß sie nur Proviant gestohlen haben, wie zum Beispiel Hühner oder Ziegen.
Die Kinder leben unter unzumutbaren Bedingungen in den Gefängnissen des Landes, deren Kapazität für 15.000 Menschen gedacht ist, in denen aber zur Zeit ungefähr 48.000 Erwachsene und Kinder inhaftiert sind. Im "Kigali Central Prison", dem größten Gefängnis der Hauptstadt, schlafen die Schüler im Klassenzimmer, das auch als Kapelle und Moschee. Die zerlumpten Habseligkeiten der Buben hängen auf Haken an den Wänden.
"Allah ist groß und wird mich beschützen" lautet eine Botschaft, die auf die Wand geschrieben wurde, "Jesus wird mir helfen" eine andere. Trotzdem sorgt dieses Klassenzimmer für Normalität im Leben dieser entwurzelten Kinder, und gibt ihnen Hoffnung für die Zukunft.
"Das Klassenzimmer ist friedlich," sagt der 16-j‰hrige Joseph, während er den Fußboden aufwischt. "Ich kann mich entspannen, und muß nicht über die Probleme im Gefängnis und in meinem Land nachdenken."
UNICEF und UNESCO starteten ein Programm, welches den Kindern in den Gefängnissen Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Mathematik vermitteln soll. Dieses Programm bezieht sich auch auf die 160 Buben, die in ein spezielles Militärgefängnis gebracht wurden, und denen noch einige nachfolgen werden.
"Ich weiß nicht, was mit mir passieren wird, aber im Moment möchte ich soviel wie möglich lernen," sagt der 15-jährige Jean-Luc, der auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, und weder schreiben noch lesen kann. "Vielleicht kann ich eines Tages verwenden, was ich gelernt habe, vielleicht kann ich einmal Mechaniker werden." Jean-Luc nennt die Stunden die er jeden Tag in der Schule verbringt "die besten Stunden meines Tages. Das macht mich glücklich."
"Egal wo sie sich gerade befinden - Kinder haben ein Recht auf Schulbildung," sagt Pilar Aguilar, die Leiterin der "Education Section" von UNICEF in Ruanda, und wiederholt damit die Worte der Konvention über die Rechte des Kindes. "Idealerweise sollte ein Kind überhaupt nicht im Gefängnis sein. Aber aufgrund der vielen inhaftierten Kinder und Jugendlichen ist es unsere Pflicht, diese zu unterstützen. Das ist unsere Forderung."
Im Gefängnis wird das "Teacher´s Emergency Package" (TEP) verwendet, welches Schiefertafeln, Kreide und andere Materialien für 80 Kinder enthält.