Afghanistan - einer der furchtbarsten Orte der Welt für schwangere Frauen

Untersuchungen von UNICEF und dem U.S. Center for Disease Control and Prevention (CDC) in vier Regionen Afghanistans ergaben, daß die afghanischen Frauen von einer der höchsten Müttersterblichkeitsraten der Welt betroffen sind. Die Hälfte aller Todesfälle von Frauen zwischen 15 und 49 Jahren sind Folgen von Schwangerschaft und Geburt.

UNICEF-Direktorin Carol Bellamy sagte, daß diese Untersuchungen ­ die umfangreichsten dieser Art die in Afghanistan jemals durchgeführt wurden ­ "eine anhaltende humanitäre Tragödie für afghanische Frauen und Kinder enthüllen, eine Tragödie, die bekannt gemacht und überwunden werden muß."

Die Untersuchungen fanden zwischen März und Juli 2002 in Zusammenarbeit mit dem afghanischen Gesundheitsministerium und mit Unterstützung von weiblichen Gesundheitsarbeiterinnen in vier Provinzen statt ­ Kabul, Laghman, Kandahar und Badakshan.

Die Untersuchungen ergaben eine Müttersterblichkeit von 1.600 Todesfällen von Frauen bei 100.000 Geburten ­ eine Zahl, die nahelegt, daß Afghanistan einer der furchtbarsten Orte der Welt für schwangere Frauen ist. Aber auch weltweit betrachtet wurden wenig Fortschritte hinsichtlich Müttersterblichkeit erzielt. Jedes Jahr sterben 515.000 Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt.

"Die Haupttodesursachen für die afghanischen Frauen im gebärfähigen Alter in unserer Untersuchung waren Schwangerschaft und Geburt", sagte CDC-Mitarbeiterin Linda Bartlett. "Das Sterben dieser Frauen ist unnötig. Die meisten dieser Todesfälle hätten verhindert werden können."

Mitarbeiter von UNICEF und CDC bereisten tagelang zu Pferd abgelegenen Regionen und befragten in jedem Haus die Familien über Todesfälle von Frauen. Der abschließende Report untersucht die Daten von 13.000 Haushalten, deren Familienmitglieder Informationen über etwa 85.000 Frauen weitergaben. Die Familien wurden über die Todesursachen von Frauen, die zwischen 1999 und 2002 starben, befragt.

"Diese Untersuchung spricht Bände über die Probleme von Frauen und Mädchen in Afghanistan", sagte Carol Bellamy. "Die Restriktionen der Taliban gegenüber Frauen in Kombination mit mehr als 20 Jahren Krieg haben Gesundheitsstatus der Frauen unermeßlich verschlechtert. Mit einer neuen politischen Führung und anhaltender Unterstützung der internationalen Gemeinschaft hat Afghanistan die Möglichkeit, die Zahlen unserer Untersuchung zu ändern. Doch Investitionen in die Gesundheitsversorgung werden den Frauen nur dann zugute kommen, wenn sie auch Zugang zu diesen Diensten haben."

UNICEF und CDC betonten bei der heutigen Veröffentlichung des Reports, daß Müttersterblichkeit nicht nur ein "Frauenproblem" ist. Wenn die Mutter eines neugeborenen Säuglings in Afghanistan stirbt, stehen die Chancen des Kindes, seinen ersten Geburtstag zu erleben, eins zu vier.

"Der Verlust der Mutter bei der Geburt ist ein traumatisierendes und kritisches Ereignis im Leben eines Kindes", so Carol Bellamy. "Müttersterblichkeit betrifft nicht nur Frauen sondern auch Kinder, Väter, Familien und ganze Gemeinden. Müttersterblichkeit ist wohl das am meisten vernachlässigte Gesundheitsproblem der Welt", sagte Bellamy.

Weitere Ergebnisse:

- Die meisten Todesfälle von Müttern sind vermeidbar.
- Nur 7 Prozent der verstorbenen Frauen wurden von ausgebildeten Geburtshelfern betreut.
- Der Großteil der verstorbenen Frauen war zwischen 20 und 29 Jahren alt. Nur 4 Prozent dieser Frauen konnten lesen und schreiben, nur 26 Prozent ihrer Männer hatten diese Grundbildung.
- Müttersterblichkeitsraten variieren von Region zu Region, sie spiegeln den Unterschied zwischen Stadt und Land hinsichtlich Zugang zu Gesundheitsdiensten wider.


UNICEF und CDC empfehlen auf Basis der Ergebnisse folgendes:

- Einrichtung von Gesundheitsdiensten in abgelegenen Gebieten. Diese Dienste müssen mit Medikamenten und medizinischer Ausrüstung ausgestattet sein, sowie die Kapazität haben, Geburten, Kaiserschnitte und Bluttransfusionen durchzuführen. Der Zugang für Frauen zu solchen Diensten muß unterstützt und verstärkt werden.
- Aus- und Weiterbildung für weibliche Geburtshelfer, Hebammen und Krankenschwestern.
- Bildungs- und Informationsprogramme für Frauen und ihre Familien, damit Anzeichen von Komplikationen bei der Schwangerschaft frühzeitig selbst erkannt werden können.
- Medikamente und medizinische Ausrüstung für Komplikationen wie Anämie, Malaria und Eklampsie sowie Zugang zu medizinischer Betreuung während der Schwangerschaft.
- Straßenbau und ­ reparatur um Zugang zu Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Gebieten zu verbessern.


"Es ist schrecklich, daß so viele Frauen bei der Geburt ihrer Kinder sterben", sagte Eric Laroche, Büroleiter von UNICEF Afghanistan. "UNICEF ist verpflichtet, Afghanistan dabei zu helfen, die Gesundheit der Frauen und Kinder zu verbessern. Ein wichtiger Schlüssel dafür ist die Senkung der Müttersterblichkeit. Das muß Priorität haben."

Situation der Kinder in Afghanistan
Eines von vier Kindern stirbt vor seinem 5. Geburtstag. Afghanistan hat die vierthöchste Kindersterblichkeitsrate der Welt hinter Sierra Leone, Angola und Niger. Jedes zweite afghanische Kind ist mangelernährt und etwa 40 Prozent der Kinder sterben an schwerem Durchfall und Atemwegsinfektionen. 13 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Trinkwasser, 12 Prozent zu angemessenen sanitären Anlagen.