„Vor ein paar Wochen habe ich ein Gesundheitszentrum außerhalb von Kabul besucht, in dem Gesundheitshelferinnen unermüdlich arbeiteten und Mütter geduldig darauf warteten, dass ihre Babys von den Krankenschwestern geimpft werden. Eine Mutter ließ mich ihrer Tochter die Polio-Tropfen geben. Als die Gesundheitshelferin ihr dann sagte, dass ihre Tochter nun vor Kinderlähmung geschützt sei, lächelte sie.
Ich spreche weder Dari noch Pashto. Aber ich bin selbst Vater und weiß, was Erleichterung bedeutet.
Doch in Afghanistan haben 16 Millionen Mädchen und Jungen – Mädchen und Jungen wie mein Sohn und meine Töchter – keinen Zugang zu lebensrettender Hilfe.
Stattdessen wachen sie morgens hungrig auf. Sie gehen hungrig zu Bett. Sie haben kein sauberes Wasser, um ihren Durst zu stillen. Oder warme Decken zum Schlafen. Sie sind es gewöhnt arbeiten zu müssen – im Haushalt, auf der Straße, auf Feldern, in Minen und Geschäften. Viel zu viele von ihnen leben in Angst vor Gewalt oder fürchten sich, früh verheiratet zu werden. Zu viele von ihnen tragen die Verantwortung Erwachsener. Zu viele wurden ihrer Bildungschancen beraubt – ihrer einzigen Hoffnung auf ein besseres Leben.
Denn in einem Land, das mit humanitären Katastrophen, extremen Wetterereignissen und ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen zu kämpfen hat, haben zu viele Menschen vergessen, dass Kinder am härtesten unter der Krise leiden.
Es ist eine Krise, die immer schlimmer wird. Schätzungsweise 90 Prozent der Menschen in Afghanistan leben am Rande der Armut. Kinder leiden am stärksten darunter. In diesem Jahr könnten rund 2,3 Millionen Kinder an akuter Mangelernährung leiden – 875.000 von ihnen so schwer, dass ihre Leben in Gefahr sind.
Gleichzeitig werden in diesem Jahr schätzungsweise 840.000 schwangere Frauen und stillende Mütter an akuter Mangelernährung leiden, was wiederum die Gesundheit ihrer Kinder gefährdet.
Die Kämpfe in Afghanistan haben zwar größtenteils aufgehört, aber der jahrzehntelange Konflikt bedeutet, dass die Rechte der Kinder weiterhin jeden Tag auf entsetzliche Weise verletzt werden.
Afghanistan ist eines der am stärksten von Landminen verseuchten Länder der Welt. Die meisten Todesopfer sind Kinder. Laut vorläufigen Schätzungen wurden zwischen Januar und März dieses Jahres 134 Kinder durch Sprengsätze getötet oder verstümmelt. Dies ist die Realität, der afghanische Kinder ausgesetzt sind, wenn sie in Gebiete kommen, die zuvor aufgrund von Kämpfen unzugänglich waren.
Viele der getöteten und verletzten Kinder sammelten Altmetall, um es zu verkaufen.
Das ist es, was Armut bedeutet. Sie zwingt dich, deine Kinder zur Arbeit zu schicken – nicht, weil du es möchtest, sondern weil du keine Wahl hast.
Rund 1,6 Millionen Kinder in Afghanistan müssen arbeiten. Selbst Mädchen und Buben im Alter von sechs Jahren arbeiten unter gefährlichen Bedingungen, um ihren Eltern dabei zu helfen, ein wenig Essen auf den Tisch zu bringen. Brot. Bohnen. Kartoffeln.
Und wo Bildung einst ein Symbol der Hoffnung war, wird das Recht der Kinder auf Bildung untergraben. In Afghanistan wird Mädchen seit mehr als drei Jahren das Recht auf Bildung verwehrt – zunächst aufgrund der Pandemie und seit September 2021, weil es ihnen untersagt wird, eine weiterführende Schule zu besuchen. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, welche Auswirkungen dies auf ihre psychische Gesundheit hat."
Die Hilfe geht trotz der Einschränkungen weiter
„Trotz aller Herausforderungen, einschließlich der jüngsten inakzeptablen Verbote, die sich an afghanische Frauen richten, bleibt UNICEF weiter an der Seite der Kinder. Wir sind fest entschlossen, weiter für Frauen und Kinder in Afghanistan da zu sein und ihnen zu helfen, so wie wir es seit fast 75 Jahren tun. Wir passen uns den sich rapide verändernden Gegebenheiten vor Ort an und suchen nach pragmatischen Lösungen, um die Kinder zu erreichen, die uns jetzt am meisten brauchen. Gleichzeitig stellen wir sicher, dass afghanische Frauen, die für UNICEF arbeiten, weiterhin einen unschätzbaren Beitrag zu unserer Arbeit für Kinder leisten können.
Beispielsweise haben wir dank unseres mutigen Teams, insbesondere unserer weiblichen Mitarbeiterinnen, den Nichtregierungsorganisationen, ohne die wir Gemeinden nicht erreichen könnten, unserer Spender:innen und Partnern in den ersten drei Monaten dieses Jahres sehr vielen Kindern und ihren Familien beistehen können:
7,5 Millionen Menschen erhielten in von UNICEF unterstützten Gesundheitseinrichtungen Hilfe;
Wir konnten maßgeblich dazu beitragen, dass 600.000 Mädchen und Buben in gemeindebasierten Schulen lernen können – 55 Prozent davon Mädchen;
Mehr als 140.000 schwer mangelernährte Kinder unter fünf Jahren erhielten medizinische Hilfe und
86.000 sehr arme Haushalte wurden mit kleinen Bargeldhilfen unterstützt.
Aber die Not steigt von Tag zu Tag. Doch unser Nothilfeaufruf für Kinder in Afghanistan ist nur zu 22 Prozent finanziert. Das bedeutet, dass wir nicht alle Kinder, die dringend Hilfe benötigen, erreichen können.
Deshalb rufen wir die internationale Gemeinschaft dazu auf, sich zusammenzuschließen und uns zu helfen, das Leid der Kinder, Frauen und Familien in Afghanistan zu lindern. Sie können nichts für diese schwere Krise.
Gemeinsam können – und müssen – wir dafür sorgen, dass sie gesund und in Hoffnung leben können. Dafür brauchen wir dringend Unterstützung.“
Weitere Informationen zur UNICEF Nothilfe in Afghanistan finden sich hier.