Dezimierung der Versorgung von Neugeborenen im Gazastreifen

Amman/Wien – Erklärung der UNICEF-Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika, Adele Khodr, zur Verschlechterung der Versorgung von Neugeborenen im Gazastreifen.

© UNICEF/UNI673731

„Das Kamal Adwan-Krankenhaus im Norden des Gazastreifens hat sich in eine belagerte Kriegszone verwandelt. Die neonatologische Intensivstation, die letzte ihrer Art im Norden, wurde Berichten zufolge in den vergangenen Tagen bei heftigen Angriffen beschädigt.

Der Zugang zum Krankenhaus ist äußerst schwierig, doch Berichte deuten darauf hin, dass Kinder, die dort behandelt wurden, bei diesen Angriffen getötet und verletzt wurden. Zudem sind die Sauerstoff- und Wasservorräte beschädigt, was die dringend notwendige Versorgung der wenigen noch ums Überleben kämpfenden Patienten unterbricht.

Jedes neugeborene Baby, das in einem Krankenhausinkubator um jeden Atemzug kämpft, ist vollkommen schutzlos und auf spezialisierte medizinische Versorgung und Geräte angewiesen, um zu überleben.

Im Gazastreifen wird geschätzt, dass im vergangenen Jahr mindestens 4.000 Babys von lebensrettender Neugeborenenversorgung abgeschnitten wurden. Grund dafür sind fortwährende Angriffe auf Krankenhäuser, die verzweifelt versuchen, sie am Leben zu halten, die Unterbrechung der Stromversorgung und die Tatsache, dass der wenig verfügbare Treibstoff zur Stromversorgung der Krankenhäuser bei Weitem nicht ausreicht. Dies hat besonders tödliche Auswirkungen auf den nördlichen Gazastreifen.

Vor Kriegsbeginn im Oktober 2023 gab es im Gazastreifen acht neonatologische Intensivstationen mit insgesamt 178 Inkubatoren. Die meisten dieser Stationen hatten kürzlich neue Geräte, einschließlich Inkubatoren, von UNICEF erhalten. Doch selbst damals reichte die Kapazität der NICUs in Gaza nicht aus, um den hohen Bedarf an spezialisierter Neugeborenenversorgung zu decken.

Heute sind drei dieser NICU-Einheiten zerstört – alle im nördlichen Gazastreifen – und die Anzahl der verfügbaren Inkubatoren ist um 70 Prozent auf etwa 54 im gesamten Gazastreifen gesunken.

Im Norden des Gazastreifens sank die Anzahl der Inkubatoren von 105 an den drei NICUs auf nur noch neun, alle im Kamal Adwan-Krankenhaus. Nach den schweren Angriffen, die das Krankenhaus in den letzten Tagen erlitten hat, ist unklar, ob diese überhaupt noch funktionsfähig sind.

Mindestens 6.000 Neugeborene benötigen jährlich eine intensivmedizinische Versorgung im Gazastreifen. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch noch höher sein, da Ärzte berichten, dass der Anteil von Babys, die frühgeboren, unterernährt oder mit Entwicklungsstörungen und anderen gesundheitlichen Komplikationen zur Welt kommen, gestiegen ist – eine direkte Folge der Auswirkungen des Krieges auf ihre Entwicklung vor der Geburt, die Geburt selbst und die anschließende Versorgung.

Da Hilfe und kommerzielle Lieferungen nicht in ausreichendem Maße und flächendeckend den gesamten Gazastreifen erreichen dürfen, fehlt es schwangeren und stillenden Müttern an ausreichend nahrhafter Nahrung. Dies führt zu einem Anstieg an Frühgeburten.“

Gesundheitseinrichtungen sind gemäß dem internationalen humanitären Völkerrecht geschützt, ebenso wie medizinisches Personal und humanitäre Helfer. Verletzliche Neugeborene sowie kranke und verwundete Kinder, die auf intensivmedizinische Versorgung angewiesen sind, sterben in Zelten, in Inkubatoren und in den Armen ihrer Eltern. Dass dies bislang nicht ausreichend politischen Willen mobilisiert hat, um den Krieg zu beenden, stellt eine fundamentale Krise unserer Menschlichkeit dar.“

UNICEF bittet weiterhin um Unterstützung der Nothilfe Nahost.