Ehemalige Kindersoldaten in Angola

Es ist schwierig, sich Gervasio und Joao als Soldaten vorzustellen. Aber trotz ihres unschuldigen, kindlichen Aussehens haben die beiden - wie Tausende andere - als Kindersoldaten unvorstellbare Grausamkeiten im Bürgerkrieg in Angola miterlebt.

Gervasio war erst 11 Jahre alt, als er 1987 in die Armee der UNITA (National Union for the Total Independence of Angola) eintrat. Der Bub wurde sofort im Kampf eingesetzt, ausgerüstet mit einer Uniform, Stiefel und einem AK-47 Maschinengewehr.

"Meine beiden Brüder wurden im Krieg erschossen", erzählt Gervasio. Obwohl der Bub seine Mutter seit einem Jahr nicht mehr gesehen hat, und sein Vater seit langem vermißt ist, scheinen Gefühle wie Traurigkeit oder Schmerz nicht mehr vorhanden zu sein. Alles was für ihn im Moment zählt ist die Gegenwart - sein Leben im Vila Nova-Lager für demobilisierte Soldaten in Zentralangola. Gervasio weigert sich darüber zu sprechen, ob er während des Krieges Menschen getötet hat. Joao ist eher bereit, über dieses Thema zu reden: "Ich habe fünf Menschen getötet", sagt er. "Alle fünf waren Soldaten. Es war Notwehr."

Joao trat 1988 als Zehnjähriger in die Armee ein. Seine Erinnerungen sind lückenhaft, aber auch er nahm an vielen Kämpfen teil.

Warum traten die beiden Buben in die Armee ein? Was taten sie, wenn sie nicht kämpften? Gervasio und Joao reden nicht gerne über solche Dinge. Sie sind nervös und lächeln verlegen. Sie sind nicht schüchtern, es ist offensichtlich, daß sie ganz einfach Angst haben.

Beide Buben sagen, daß sie froh sind, daß der Krieg vorbei ist, obwohl sie keine genaue Vorstellung davon haben, was Friede eigentlich bedeutet. Sie wurden während des Krieges geboren und sind an Gehorsam, Disziplin und Befehle gewöhnt.

Für Joao und Gervasio ist das Vila Nova-Lager die Verbindung zu einem zivilen Leben. Nach dem im November 1994 unterzeichneten Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Rebellenorganisation UNITA begannen die Parteien langsam mit der Demobilisierung der Soldaten. Nach langem Hin und Her wurde am 15. November 1995 das erste Lager für abgerüstete Soldaten eröffnet. UNICEF unterstützt die Demobilisierung mit verschiedenen Programmen.

Im Vila Nova-Camp hat UNICEF ein System für sauberes Trinkwasser eingerichtet. UNICEF verteilte in allen Lagern Medikamente, Seife und Decken. UNICEF richtete Rehabilitationsprogramme für ehemalige Kindersoldaten ein. Diese Programme beinhalten Beratung, Schulbildung und Berufsausbildung. Doch Kindersoldaten sind in Angola ein heikles Thema. Weder die Regierung noch UNITA wollen zugeben, daß dieses Phänomen existiert. Die Rekrutierung von Soldaten unter 15 Jahren ist durch die Konvention über die Rechte des Kindes verboten, welche von Angola im Jahre 1990 ratifiziert wurde.

Einige Kinder traten in die Armee ein, um der verzweifelten Situation Zuhause zu entfliehen, andere waren von den Uniformen beeindruckt oder glaubten, etwas Wichtiges zu tun. Viele Kinder - vor allem Waisen - wurden zwangsrekrutiert. Nach einer oberflächlichen Ausbildung wurde viele der Kinder für Blitzangriffe nach Guerillaart eingesetzt, in denen sie als "Kanonenfutter" dienten.

Aus Kindern kann man gut funktionierende Soldaten machen. Sie befolgen Anordnungen, ohne sie zu hinterfragen, sie töten auf Befehl, sie schlüpfen mit Leichtigkeit über die feindlichen Linien. Doch wenn sie sich selbst überlassen bleiben, was während eines raschen Rückzugs oft passiert, sind sie gezwungen, allein mit Hunger, Krankheit und Angst fertig zu werden. Nach Kriegsende müssen sie allerdings auch mit dem Frieden fertig werden. Viele dieser jungen Menschen haben nie ziviles Leben zu Friedenszeiten kennengelernt. Sie müssen lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, und Respekt für ihre Mitmenschen zu entwickeln.

Schulbildung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine bessere Zukunft dieser ehemaligen Kindersoldaten. Doch viele der Kinder haben noch nie ein Klassenzimmer von innen gesehen, außer vielleicht als Zufluchtsstätte vor dem Feind. Joao ist eine Ausnahme: "Ich bin zur Schule gegangen", sagt er. "Und ich kann ein bißchen lesen. Aber weißt Du, in der Armee habe ich nie eine Schule mit richtigen Lehrern gesehen. Alle Schulen, die ich gesehen habe, waren leer - wir haben oft dort übernachtet." Joao möchte auch noch schreiben und rechnen lernen. Gervasio hat noch einen weiteren Weg vor sich - er kann weder lesen noch schreiben.

Ausbildung oder nicht - beide Buben wollen später unbedingt Lastwagenfahrer werden. "Da können wir herumfahren und Handel treiben - und eine Uniform und eine Kappe tragen."