Ungefähr 10.000 Kinder wurden während des 16-jährigen Bürgerkrieges in Mozambique gezwungen, als Soldaten zu kämpfen. Der Konflikt endete 1992.
Der 18-jährige Naftal hinkt zu seiner Hütte, und bringt Sessel für seine Besucher. Naftal lebt seit seinem vierzehnten Lebensjahr mit dieser Gehbehinderung. Damals wurde sein Bein während eines Gefechts durch eine Gewehrkugel schwer verletzt. Nach dieser Verwundung konnte der Bub zwei Jahre lang überhaupt nicht gehen.
Naftal ist ein ehemaliger Kindersoldat, eines der vielen Kinder in Mozambique, die während des 16-jährigen Bürgerkriegs, der 1992 endete, von den Truppen eingezogen oder entführt wurden. Kleingewachsen, robust und liebenswürdig, wirkt der Jugendliche eher wie ein Pfadfinder, und nicht wie ein ehemaliger Soldat, der schon mit 12 Jahren ein AK-47 Maschinengewehr benützt hat.
"Die Soldaten sagten mir nur: "So schießt man!", erzählt Naftal und demonstriert seine erste Begegnung mit einem Gewehr. "Den Rest lernst Du von selbst."
Einer der Besucher von Naftal ist Bento Mugabe, ein Sozialarbeiter des sogenannten "Hausbesuch-Projekts" des Sozialministeriums. Er kam in dieses kleine Dorf in der südlichen Provinz Gaza, um Naftal´s Geschichte zu hören, und um einen Weg zu finden, dem Buben bei seiner Reintegration in das zivile Leben zu helfen. Dieses "Hausbesuch-Projekt" ist eine landesweite Initiative, um ehemalige Kindersoldaten, verwaiste Kinder, Flüchtlingskinder, und Kinder, die durch den Krieg verletzt oder traumatisiert wurden, zu unterstützen.
Naftal erzählt von der Nacht vor sechs Jahren, als er als damals 12-jähriger gekidnappt wurde. Es war am Weihnachtsabend. Sein Vater besuchte mit einem Teil seiner Geschwister Verwandte in einem Nachbardorf. Ungefähr um 18.00 Uhr griffen Soldaten der "Mozambique National Resistance" (RENAMO) sein Dorf an. Sie ermordeten etwa 70 Menschen, darunter war auch Naftal´s älterer Bruder. Die Soldaten zwangen Naftal, seine Mutter, den vierjährigen Bruder Alberto und weitere Dorfbewohner, zum Lager der Einheit zu marschieren.
"Ich ging zwei Tage und zwei Nächte, und mußte einen 25 Kilogrammsack Mais tragen", sagt Naftal, der in dem Chaos von Mutter und Bruder getrennt wurde. "Es war sehr anstrengend. Drei ältere Frauen aus meinem Dorf brachen zusammen. Die Soldaten haben sie mit Stöcken tot geprügelt." Seiner Mutter gelang es, mit dem kleinen Bruder zu fliehen.
Im Lager bekam Naftal ein AK-47 Maschinengewehr. "Ich wollte niemanden töten. Doch wenn ich mich geweigert hätte, wäre ich erschossen worden."
Zwei Jahre später wurde Naftal´s Bein bei einem Angriff der Regierungstruppen verletzt. Die Kugel steckte mehrere Jahre in seinem Bein, der Bub konnte nicht mehr gehen. "Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, jemals wieder nach Hause zurückzukehren", erinnert sich der junge Mann. "Ich hatte das Gefühl, daß ich mit dem verletzten Bein für immer im Lager bleiben würde."
Erst 1994, zwei Jahre nach Unterzeichnung des Friedensvertrages, erlaubte RENAMO den jungen Soldaten abzurüsten. Naftal wurde aus dem Lager Nhanale evakuiert. Zuerst waren Naftal und andere Buben mißtrauisch gegenüber den Sozialarbeitern. "Sie warfen mit Steinen nach uns", erzählt UNICEF-Mitarbeiterin Gloria Fernandez, die mit einem Team in das Lager kam, um die Buben zu ihren Familien zurückzubringen. "Wir mußten wieder umkehren. Erst bei unserem zweiten Besuch kamen die Buben freiwillig mit uns." Bevor er in sein Dorf zurückkehrte, wurde Naftal in ein Spital gebracht, um die Kugel aus seinem Bein zu entfernen.
Naftal´s Rückkehr löste starke Emotionen aus, erinnert sich seine Mutter, die von der Verwundung ihres Sohnes gehört hatte, und überzeugt war, daß sie ihn nie wiedersehen würde. "Ich habe an diesem Tag soviel gelacht", sagt sie. "Ich war so glücklich, daß mein Sohn am Leben und wieder daheim ist."
Obwohl er in seinem Dorf in Sicherheit war, wurde Naftal von Ängsten und Erinnerungen heimgesucht. "Ich habe immer wieder geträumt, daß Soldaten zu meinem Haus kommen und auf mich schießen", sagt er.
Wichtigstes Ziel des "Hausbesuch-Projekts" ist es, den Kindern zu helfen, solche Traumata zu überwinden. Die Mitarbeiter des Projekts ermutigen die Kinder, über ihre Erlebnisse und Bedürfnisse zu sprechen.
"Ich achte sorgfältig darauf, mit meinen Fragen die Kinder nicht zu verletzen", sagt Bento Mugabe. "Ich versuche sie mit allgemeinen Fragen dazu zu bringen, sich mir zu öffnen." Der Sozialarbeiter sorgt auch für medizinische Versorgung, Beratung, Schulbesuch oder Berufsausbildung der Kinder.
Seit Projektbeginn haben die Sozialarbeiter schon über 250 Kinder besucht, vor allem ehemalige Soldaten. Um Kinder in abgelegenen Gebieten zu erreichen, müssen die Sozialarbeiter oft lange Distanzen in auf schlechten Straßen zurücklegen, und manchmal stundenlange Fußmärsche auf sich nehmen.
UNICEF finanziert die Ausbildung der Sozialarbeiter, und kommt für Transport- und Treibstoffkosten auf. UNICEF-Mitarbeiter Jean-Claude Legrand glaubt, daß Ausbildung der beste Weg ist, Kinder wieder in die Gemeinschaft einzugliedern. Um die Wiedereingliederung zu fördern finanziert UNICEF Schulplätze in Maputo für Berufsausbildung.
Doch trotz dieser Unterstützung finden die meisten der ehemaligen Kindersoldaten nur langsam in ein ziviles Leben zurück. Viele Familien können sich den Schulbesuch ihrer Kinder nicht leisten, obwohl die meisten der ehemaligen Soldaten gerne zum Unterricht gehen würden. Manchmal wenden sich die Familien von den Heimkehrern ab, besonders in Fällen, wo Kinder gezwungen wurden, in ihrer Heimatgemeinde Gewalttaten auszuüben.
Vor kurzem besuchte Bento Mugabe einen 14-jährigen Buben, der als 9-jähriger von Soldaten entführt und gezwungen wurde, sein eigenes Dorf anzugreifen. Das Kind lebt nun bei einem Onkel, da sein Vater sich weigert, den Buben wieder bei sich aufzunehmen.
Naftal hatte mehr Glück. Er hat eine Familie, die ihn liebt, und glücklich über seine Rückkehr war. Seine schlimmsten Alpträume hat er bereits überwunden. "Er ist jetzt wieder der gleiche Naftal wie früher, vor der Entführung", sagt seine Mutter. "Er ist sehr freundlich und hat eine gute Beziehung zu seinen Geschwistern."
Naftal selbst sagt: "Ich glaube, daß jetzt, wo der Krieg vorbei ist, es an der Zeit für uns ist, zu vergeben und zu vergessen."