Eine verlorene COVID-19 Generation verhindern

New York/Köln/Wien - Aktueller Report: Jede neunte COVID-19-Infektion trifft ein Kind oder einen Jugendlichen. UNICEF warnt in einem neuen Bericht vor erheblichen und wachsenden negativen Folgen der COVID-19-Pandemie für Kinder. Anlässlich des Internationalen Tags der Kinderrechte ruft UNICEF dazu auf, eine verlorene COVID-19-Generation zu verhindern.

Ujas (11) zeigt, wie man Masken richtig trägt. Indien, Juli 2020
Ujas (11) zeigt, wie man Masken richtig trägt. Indien, Juli 2020 © UNICEF

In dem Report „Averting a Lost Covid Generation“ dokumentiert das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen die schweren Konsequenzen der sich weiter ausbreitenden Pandemie für Kinder weltweit. Während die gesundheitlichen Symptome bei Kindern bislang mild sind, steigen die Infektionszahlen weiter. Die langfristigen Auswirkungen auf Bildung, Ernährung und Wohlbefinden einer ganzen Generation von Kindern und jungen Menschen können deren ganzes Leben nachhaltig prägen.

„Während der COVID-19-Pandemie hält sich bis heute die Vorstellung, dass Kinder kaum von der Krankheit betroffen sind. Nichts könnte weniger zutreffen“, erklärt UNICEF Exekutivdirektorin Henrietta Fore. „Kinder können erkranken und das Virus verbreiten. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs der Pandemie. Die Unterbrechung lebenswichtiger Hilfen und Dienstleistungen sowie steigende Armutsraten sind die größten Bedrohungen für Kinder. Je länger die Krise andauert, so gravierender sind ihre Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit, Ernährung und Wohlbefinden der Kinder. Die Zukunft einer ganzen Generation ist in Gefahr.“

Die Auswertung von Daten aus 87 Ländern, für die entsprechende Informationen vorliegen, zeigt, dass Anfang November elf Prozent der zu diesem Zeitpunkt 25,7 Millionen COVID-19-Infektionen auf Kinder und Heranwachsende unter 20 Jahren entfielen. Dies bedeutet, dass jede neunte COVID-19-Infektion ein Kind oder Jugendlichen trifft. Weitere aussagekräftige, nach Alter differenzierte Daten über Infektionen, Todesfälle und Tests sind notwendig, um die Folgen für besonders verletzliche Kinder besser zu verstehen und Maßnahmen zu planen.

Kinder können zwar das Virus untereinander und auf ältere Altersgruppen übertragen, aber es gibt starke Belege dafür, dass bei Beachtung grundlegender Sicherheitsmaßnahmen die Vorteile, Schulen geöffnet zu halten, die Kosten von Schulschließungen überwiegen – so der UNICEF-Bericht. Schulen sind nicht die Haupttreiber der Verbreitung des Virus in Gemeinschaften. Die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder sich außerhalb des schulischen Umfelds anstecken ist höher.

Die Unterbrechung lebensnotwendiger Gesundheitsversorgung und sozialer Dienste für Kinder stellen die schwerste Bedrohung für diese dar. UNICEF-Daten aus 140 Ländern zeigen:

  • Rund ein Drittel der Länder verzeichneten einen Rückgang der Zahl der Kinder, die mit medizinischen Maßnahmen wie Routineimpfungen, ambulanter Behandlung von ansteckenden Infektionskrankheiten sowie durch Betreuungsangebote vor, während und nach der Geburt erreicht werden. Hauptgrund für den Rückgang ist die Angst vor Ansteckung.
  • In 135 Ländern werden 40 Prozent weniger Kinder und Frauen durch Ernährungshilfen und entsprechende Beratung erreicht. Ende Oktober erhielten immer noch 265 Millionen Mädchen und Buben keine Schulspeisungen. Über 250 Millionen Kleinkinder unter fünf Jahren bekommen keine lebenswichtigen Vitamin-A-Tabletten.
  • 65 Länder berichten von einem Rückgang von Hausbesuchen durch Sozialarbeiter*innen im Vergleich zum Vorjahr.

Der UNICEF-Report zeigt weitere alarmierende Fakten auf:

  • Im November 2020 sind 572 Millionen Kinder von landesweiten Schulschließungen betroffen – das sind 33 Prozent aller Schüler*innen weltweit.
  • Durch die Unterbrechung lebenswichtiger Dienstleistungen und zunehmender Mangelernährung könnten in den kommenden zwölf Monaten zwei Millionen Kinder zusätzlich sterben und die Zahl der Todgeburten um 200.000 zunehmen.
  • Im Jahr 2020 werden zusätzlich sechs bis sieben Millionen Kinder unter fünf Jahren an Mangel- oder akuter Mangelernährung leiden, eine Zunahme um 14 Prozent. Vor allem in den Ländern Afrikas südlich der Sahara und in Südasien werden hierdurch jeden Monat 10.000 Kinder zusätzlich sterben.
  • Weltweit sind bis Mitte des Jahres schätzungsweise 150 Millionen Kinder zusätzlich in mehrdimensionale Armut gerutscht – ohne Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Nahrung, sauberem Wasser und sanitären Einrichtungen.

UNICEF ruft Regierungen und Partner dazu auf, alles zu tun, um die Krise zu stoppen, und dafür zu sorgen, dass:

  • alle Kinder lernen können und die digitale Kluft geschlossen wird;
  • der Zugang zu Nahrung und Gesundheitsversorgung gewährleistet ist und Impfungen weltweit bezahlbar und zugänglich sind;
  • die psychische Gesundheit von Kindern und Heranwachsenden unterstützt und geschützt wird. Misshandlung, geschlechtsspezifische Gewalt und Vernachlässigung von Kindern müssen aufhören.
  • der Zugang zu sauberem Trinkwasser, sanitären Anlagen und Hygiene verbessert und gegen Umweltzerstörung und Klimawandel vorgegangen wird;
  • der Trend zu steigender Kinderarmut umgekehrt wird. Die Erholung von den ökonomischen und sozialen Folgen der Krise muss inklusiv gestaltet sein und darf kein Kind zurücklassen.
  • Schutz und Unterstützung für Kinder und Familien, die in Konflikt- und Krisengebieten leben oder ihre Heimat verlassen mussten, verstärkt wird.

„An diesem internationalen Tag der Kinderrechte rufen wie dazu auf, Kindern zuzuhören und ihren Bedürfnissen Vorrang einzuräumen“, sagt Henrietta Fore. „Wenn wir an die Zukunft denken und nach vorne schauen in eine Welt nach der Pandemie, müssen wir als erstes an die Kinder denken.“

Für Redaktionen

Eine Auswahl an Fotos und Videomaterial sowie der Report in Englisch stehen Redaktionen im Rahmen der Berichterstattung zum kostenfreien Download zur Verfügung.

Den Bericht finden Sie hier.

Für die UNICEF-Umfrage über Unterbrechungen von Dienstleistungen für Kinder aufgrund von COVID-19 in 148 Ländern vom 17. August bis 17. September finden Sie hier.

Die für die Prävalenz der SARS-CoV-2-Infektion unter Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren verwendeten Daten sind die neu analysierten Länderdaten des Max-Planck-Instituts für demographische Forschung (MPIDR) (https://osf.io/mpwjq/).