„Heute habe ich meinen Besuch in Damaskus, Homs, Hama, Aleppo und Idlib abgeschlossen, wo ich die verzweifelte Lage der Kinder Syriens aus nächster Nähe erlebt habe. Nach 14 Jahren Krieg haben Millionen Kinder nichts anderes als Konflikte gekannt, die sie dazu zwingen, viel zu schnell erwachsen zu werden. Doch es gibt Hoffnung und die Chance auf eine bessere Zukunft.
UNICEF bleibt vor Ort, um lebensrettende Hilfe zu leisten und syrische Familien zu unterstützen, während sie einen neuen Weg für ihr Land einschlagen. Eine glaubwürdige und integrative politische Übergangsphase muss die Rechte der 10 Millionen syrischen Kinder in den Vordergrund stellen.
Während meiner Reise durch Syrien wurde das Ausmaß der Not offensichtlich. 7,5 Millionen Kinder benötigen humanitäre Hilfe. 6,4 Millionen Kinder sind dringend auf Schutzmaßnahmen angewiesen, da Unsicherheit und wirtschaftliche Not die Verletzungen von Kinderrechten, Angst und Leid vertiefen.
Syrien benötigt ein groß angelegtes Sozialschutzprogramm, um zu verhindern, dass die verwundbarsten Kinder und Familien in noch tiefere Armut abrutschen, da die Preise für Treibstoff, Brot und grundlegende Güter weiter steigen.
Die Herausforderungen für die Familien werden durch die Jahre des Konflikts verschärft. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht in die Schule und eine weitere Million Kinder droht, die Schule abzubrechen. Dies erhöht das Risiko von Kinderarbeit, Kinderehen, Menschenhandel sowie Rekrutierung und Einsatz durch Konfliktparteien. Bildung zu priorisieren, Lehrkräfte zu stärken und das Bildungssystem zu verbessern, ist entscheidend, um sozialen Zusammenhalt, Toleranz und Frieden zu fördern.
Die Gesundheitsversorgung bleibt fragil. Fast 40 % der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig außer Betrieb. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser-, Sanitär- und Hygienedienstleistungen, und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, sind auf Ernährungsunterstützung angewiesen. Die Stärkung der Gesundheits-, Wasser- und Sanitärinfrastruktur Syriens muss oberste Priorität haben.
Die internationale Gemeinschaft muss die frühzeitige Erholung unterstützen. Dies ist der einzige Weg, um nachhaltige und qualitativ hochwertige Dienstleistungen für die Kinder und Jugendlichen Syriens zu gewährleisten.
Tragischerweise stellen Landminen und nicht explodierte Kriegsmunition („unexploded ordnance“ - UXO) eine tödliche Bedrohung dar, während Familien in vom Konflikt zerstörte Gebiete zurückkehren. Seit 2020 haben diese Kriegsüberreste mehr als 1.260 Kinder getötet. Allein in der vergangenen Woche haben mindestens 11 Kinder bei Vorfällen in der Nähe von Aleppo, Daraa und Hama ihr Leben verloren.
Kinder sind besonders anfällig für diese Gefahren, da sie UXO oft mit Spielzeug oder anderen interessanten Objekten verwechseln. Diese Risiken bedrohen nicht nur ihre Sicherheit, sondern behindern auch ihre Fähigkeit, zur Schule zu gehen, Zugang zur Gesundheitsversorgung zu erhalten und ihr Leben wieder aufzubauen. UXO macht landwirtschaftliche Flächen unbrauchbar und verschärft damit die Ernährungsunsicherheit und Armut für zurückkehrende Familien. Dringende Maßnahmen sind erforderlich, darunter verstärkte humanitäre Entminungsbemühungen, Gemeinschaftsaufklärung, Kampagnen zur Minengefahrenaufklärung und Unterstützung für Opfer.
Im Norden Syriens werden weiterhin lebenswichtige Objekte, die für das Überleben der Zivilbevölkerung unverzichtbar sind, angegriffen. Der Tishreen-Damm, eine entscheidende Wasserquelle für Hunderttausende, wurde bei anhaltenden Kämpfen schwer beschädigt. Von UNICEF unterstützte Teams führen Reparaturen durch, doch es ist ein sicherer und anhaltender Zugang erforderlich, um weiteren Schaden zu verhindern.
Wir fordern alle Parteien auf, militärische Aktivitäten zu unterlassen, die den Damm, seine Mitarbeiter oder den Betrieb gefährden, und ihre Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht einzuhalten. Ein Zusammenbruch würde 45 Dörfer stromabwärts, in denen 300.000 Menschen leben – die Hälfte davon Kinder – verwüsten und eine Katastrophe epischen Ausmaßes verursachen.
Frieden muss sich für die Kinder Syriens durchsetzen. Trotz der enormen Herausforderungen ruft UNICEF alle Parteien und die internationale Gemeinschaft dazu auf, vier entscheidende Schritte zu unternehmen:
- Staatliche Institutionen müssen ihren Betrieb wieder aufnehmen, um wesentliche Dienstleistungen wie Bildung aufrechtzuerhalten.
- Es müssen alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um eine robuste humanitäre Reaktion und wirtschaftliche Erholung zu ermöglichen. Sowohl der öffentliche als auch der private Sektor sollten in diesen Prozess einbezogen werden.
- Humanitäre Hilfe muss sofort erhöht werden, einschließlich Unterstützung für zurückkehrende Binnenvertriebene und Flüchtlinge, begleitet von sicherem und ungehindertem Zugang, um bedürftige Familien zu erreichen.
- Alle Parteien müssen ihre Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten einhalten, um den Schutz von Zivilisten jederzeit zu gewährleisten.
UNICEF bleibt entschlossen, für die Kinder zu bleiben und zu handeln. Im Jahr 2024 hat UNICEF über 4,6 Millionen Menschen mit wichtigen Bildungs-, Ernährungs-, Gesundheits-, Kinderschutz-, Wasser-, Sanitär- und Sozialschutzdiensten erreicht, darunter 2,7 Millionen Kinder, 1,2 Millionen Frauen und über 40.000 Menschen mit Behinderungen. Als Reaktion auf jüngste Eskalationen hat UNICEF 185 mobile medizinische Teams entsandt, Bildung für 10.000 gefährdete Kinder mit 12 vorgefertigten Schulen ermöglicht und über 3 Millionen Menschen Zugang zu sauberem Wasser verschafft. Außerdem haben wir psychosoziale Unterstützung, Schutzdienste und lebenspraktische Bildung für Tausende Vertriebene bereitgestellt und damit Vertrauen, sozialen Zusammenhalt und Hoffnung gefördert.
Mit diesen Schritten kann Syrien den Weg zu dauerhaftem Frieden einschlagen.
Ich hoffe aufrichtig, dass diese Bemühungen umgesetzt werden und dass 2025 – endlich – ein Jahr des Friedens für die Kinder Syriens sein wird.“
UNICEF bittet um Unterstützung der Nothilfe Syrien.