Generation in Jeopardy - Eine Generation in Gefahr

Neue UNICEF Publikation enthüllt das steigende Elend der Kinder und Familien in Zentral- und Osteuropa sowie der früheren Sowjetunion

Helsinki, 27. April 1999 – Das Schicksal der post-kommunistischen Generation in der früheren Sowjetunion
sowie in den Ländern Zentral- und Osteuropas stand heute im Zentrum der Präsentation einer neuen UNICEF
Publikation in Helsinki: „Generation in Jeopardy“ (Eine Generation in Gefahr). Das Buch zeigt umfassend die
Lebensbedingungen von ungefähr 150 Millionen Kindern in der riesigen Region.

Das Buch wurde unter anderem von Anatoly Karpov, Schachweltmeister und UNICEF-Botschafter für diese
Region, sowie John J. Donohue, Direktor des UNICEF Regionalbüros für Zentral- und Osteuropa sowie die
Baltischen Staaten, vorgestellt.

„Generation in Jeopardy“ beschreibt – nach einem Vorwort von UNICEF-Botschafter Sir Peter Ustinov – durch
Fakten, Zahlen und Fotos, wie der ökonomische und soziale Umbruch vom Kommunismus zur Demokratie und
dem System des freien Marktes das Leben von Millionen Kindern und jungen Menschen zerrüttet hat.

Kinder zahlen einen schrecklichen Preis für die militärischen und zivilen Auseinandersetzungen sowie für die
ethnischen Konflikte in der Region: abertausende Kinder wurden im Kreuzfeuer getötet, verwundet und
verstümmelt, von ihren Familien getrennt, wurden zu Waisen, haben kein Zuhause mehr, sind mangelernährt und
traumatisiert. Die gegenwärtige Krise im Kosovo ist ein Beispiel dafür, aber in der gesamten Region sind
ungefähr weitere 3 Millionen Kinder geflohen oder in ihrem eigenen Land vertrieben worden.

Die Gesundheit der Kinder verschlechtert sich dramatisch durch Infektionskrankheiten, Gewalt in den Familien,
Streß, ungesunde Lebensweise und Umweltverschmutzung. Auch der Mangel an Gesundheitseinrichtungen,
Impfschutz, sauberem Trinkwasser und Gesundheitsprogrammen ist daran schuld. Infektionskrankheiten wie
Tuberkulose, oft als die Krankheit der Armut bezeichnet, kehren zurück. Die steigende Zahl von
Drogenkonsumenten, unzureichende Blutuntersuchungen und mangelhafte Vorsorgeprogramme haben in vielen
Ländern zu einer raschen Verbreitung von HIV/AIDS geführt. In der Ukraine, in Rußland und in einigen anderen
Ländern sind viele der HIV-positiven Drogenkonsumenten Jugendliche. Die Verwendung von harten Drogen hat
sich deutlich erhöht. Mangelnde Handhabung der Gesetze und steigender Handel mit Narkotika haben zu einem
beträchtlichen Anstieg der Verwendung von psychotropen Drogen und Substanzen sowohl bei Erwachsenen als
auch bei Kindern geführt.

Alleine in Rußland leben mehr als 12 Millionen Kinder in Städten, wo die Umweltverschmutzung fünf mal höher
ist als die offiziellen Normen zulassen. Sehr oft ist das Wasser in den Haushalten in Osteuropa mit Nitraten,
Arsen, Pestiziden Viren und Bakterien verunreinigt. Die Katastrophe von Chernobyl ist das schlimmste
Beispiel nuklearer Verschmutzung und betrifft besonders die Balkanländer, die Ukraine und Teile von Rußland.
Bei Kindern treten hier besonders oft Infektionen, Bluterkrankungen, Atemwegs- und Verdauungsstörungen,
Drüsen- und Kreislaufprobleme auf. Aber Chernobyl ist nicht das einzige Beispiel. Von 1949-1989 gab es in
Kasachstan (Semipalatinsk) 468 nukleare Sprengungen – die Menschen die in der Nähe leben leiden unter den
Folgen der Radioaktivität.

Die Ernährung der Kinder wird durch den enormen Anstieg der Nahrungsmittelpreise negativ beeinflußt und
beeinträchtigt die Gesundheit der Kinder und ihre schulischen Leistungen. Stillen von Säuglingen wird vom
Staat nur wenig unterstützt. Unterernährung ist weit verbreitet, sowei Mangel an Jod, Eisen und verschiedenen
Vitaminen.

Die steigenden Kosten für Ausbildung, Transport, Bücher und andere wichtige Schulmaterialien gefährden den
Schulbesuch. Als ein Resultat davon sind nicht nur die Einschulungsraten niedrig – besonders in Südosteuropa
und den Staaten der ehemaligen Sowjetunion - sondern auch die Schulbesuchsraten wurden niedriger.

Die Bedingungen in öffentlichen Institutionen für Kinder wurden in vielen Ländern durch die Kürzungen der
sozialen Ausgaben inakzeptabel. Institutionen - besonders für behinderte Kinder - müssen sich jeden Tag auf
das nackte Überleben konzentrieren. Eine stimulierende soziale und emotionale Umwelt kommt dabei zu kurz.
Maßnahmen für eine „kinderfreundlichere“ Umwelt und für Alternativen zur institutionellen Unterbringung
(z.B. in Kinderdörfern oder Pflegefamilien) wurden in geringem Umfang gefördert.

Die schreckliche wirtschaftliche Situation hat viele Familien dazu gezwungen, ihre Kinder zur Arbeit zu
schicken: dadurch können die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Die Gesetze gegen Kinderarbeit sind
schwach und die gegenwärtigen Ausbildungsgesetze helfen nicht, die Kinder in den Schulen zu behalten. Das
Ansteigen der Zahl junger Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, wird durch eine Kombination von
sozialer Unterdrückung, Auflösung der sozialen Ordnung und der andauernden wirtschaftlichen Krise
beschleunigt. Dies ist außerdem das Resultat eines unzureichenden Jugendgerichtssystems, das Kinder nicht als
Personen mit Rechten sieht. Auch der Mangel an Freizeiteinrichtungen, die fehlenden Beratungsprogramme, die
mangelhafte Berufsausbildung für junge Menschen sowie die steigende Zahl von Schulabbrechern tragen zu
dieser Problematik bei.

Zusätzlich zu Problemen aus den Bereichen Gesundheit, Ausbildung und Ernährung setzt sich das Buch auch mit
vielen „stillen“ Katastrophen auseinander, wie die Aralsee-Umweltkatastrophe oder den Bürgerkrieg in
Tajikistan auf – Katastrophen, die von den internationalen Medien schon beinahe vergessen wurden.