KINDER AN DER FRONT IN SIERRA LEONE

Kinder müssen bei Friedensbemühungen an erster Stelle stehen, sagt UNICEF Executive Director Carol Bellamy.

NEW YORK, 19 Juni 1997--UNICEF Executive Director Carol Bellamy ruft alle Konfliktparteien in Sierra Leone dazu auf, den Einsatz von Kindern als Soldaten zu beenden, und Vorsorge für ihr körperliches und seelisches Wohlergehen zu treffen.

Seit dem 25. Mai 1997, als das "Armed Forces Revolutionary Council" (AFRC) nach einem Militärputsch die Macht übernommen hatte, berichten Augenzeugen von hunderten bewaffneten Kindern in den Straßen der Hauptstadt Freetown. Viele von ihnen sind ehemalige Kindersoldaten, die im Zuge des landesweiten Abrüstungsprogrammes 1993 in ihre Heimatgemeinden zurückgekehrt waren. Nun wurden sie vom AFRC und seinen Verbündeten wieder rekrutiert und mit Waffen ausgestattet.

"Kinder sollten in keiner Weise an einem Krieg teilnehmen", sagt Carol Bellamy. "Wenn man sie ihrer Kindheit beraubt und als Werkzeuge in einem Bürgerkrieg mißbraucht, wird der Teufelskreis der Gewalt immer weiter fortgesetzt."

Sierra Leone hat mittlerweile eine traurige Berühmtheit für seine Kindersoldaten erlangt. Zwischen 1992 und 1996, in der Periode der Unruhen zwischen der Regierung und der "Revolutionary United Front" (RUF), wurden etwa 4.500 Kinder zum Kampf an vorderster Front gezwungen. Kinder wurden entführt und mußten Greueltaten begehen. Manchen wurde befohlen, ihre eigenen Verwandten zu foltern und zu töten, bevor sie zum Töten in andere Dörfer geschickt wurden.

"Kindersoldaten sind ein Symptom für ein weitreichendes Problem - die völlige Mißachtung einer gesamtem Generation", sagt Carol Bellamy. "Jedes einzelne Kind leidet unter diesem Krieg, egal ob es gezwungen wurde eine Waffe zu tragen oder nicht."

Seit die Kämpfe erneut ausgebrochen sind, waren bereits einige Kinder unter den Toten. Mädchen wurden während der Angriffe vergewaltigt und sexuell mißbraucht. Viele Kinder wurden von ihren Eltern und Familien getrennt.

Die System der sozialen Basisleistungen ist zusammengebrochen - am härtesten sind die Kinder betroffen. Die Nahrungsmittelverteilung wurde unterbrochen, und die Preise für Lebensmittel haben sich verdoppelt. Impfkampagnen können nicht mehr weitergeführt werden, Kinder sind daher Epidemien wie Masern und Typhus schutzlos ausgesetzt. Medizinisches Personal äußert bereits Befürchtungen wegen einer drohenden Choleraepidemie. Schulen wurden geschlossen, und viele Lehrer sind aus dem Land geflohen.

Diese Unterbrechung der sozialen Basisleistungen wird Sierra Leone wahrscheinlich in eine verzweifelte Lage bringen. Die Fortschritte, die während der kurzen friedlichen Periode erreicht wurden, werden gerade wieder zunichte gemacht.

Carol Bellamy fordert die sofortige Entlassung aller Kindersoldaten aus dem Militärdienst. Die Maßnahmen, die im "Report on the Impact of Armed Conflict on Children" 1996 von Graca Machel vorgeschlagen wurden, müssen sofort durchgeführt werden, sagt Carol Bellamy. Die UNICEF-Direktorin fordert auch die Anhebung des Mindestalters für den Militärdienst von 15 auf 18 Jahre in der Konvention über die Rechte des Kindes.