Kinder ohne Kindheit

Neuer UNICEF-Bericht: „Zur Situation der Kinder in der Welt 2006“

Hunderte Millionen Kinder leiden unter Ausbeutung und Ausgrenzung und werden dadurch buchstäblich „unsichtbar“ für den Rest der Welt – so die Kernaussage des heute in London vorgestellten neuen UNICEF-Berichts „Zur Situation der Kinder in der Welt 2006 - Kinder ohne Kindheit”.

Millionen Kinder verschwinden von der Bildfläche, weil sie Opfer von Kinderhändlern oder zu Sklavenarbeit in Haushalten gezwungen werden. Andere wie zum Beispiel Straßenkinder sind zwar gut „sichtbar“, sind aber von sozialen Basisdiensten ausgeschlossen und haben vor allem keinerlei Schutz.

All diese Kinder erdulden nicht nur schrecklichen Missbrauch sondern haben auch keinen Zugang zu wichtigen Leistungen wie Schulbildung und medizinische Versorgung. Sie werden ihrer Rechte beraubt und werden von den Behörden nicht wahrgenommen, weil sie in keiner Statistik auftauchen und in politischen und sozialen Programmen nicht vorkommen.

Das Risiko, ausgegrenzt und „unsichtbar“ zu werden, ist für Kinder aus armen Familien und aus abgelegenen ländlichen Gebieten besonders hoch. Mädchen werden häufiger ausgegrenzt als Buben. Kinder aus ethnischen Minderheiten sind besonders gefährdet.

Die unsichtbaren Kinder

  • Jedes Jahr werden ungefähr 55 Prozent aller Geburten in den Entwicklungsländern nicht registriert, also etwa 48 Millionen.
  • Ende 2004 waren weltweit rund 48 Prozent aller Flüchtlinge Kinder.
  • 250.000-300.000 Kindersoldaten werden weltweit zum Kämpfen gezwungen. Rund ein Drittel von ihnen sind Mädchen.
  • 15 Millionen Kinder - die zweifache Einwohnerzahl von Österreich – haben durch HIV/AIDS ihre Mutter, ihren Vater oder beide Eltern verloren.
  • Nach den aktuellsten Schätzungen leben und arbeiten mindestens 100 Millionen Kinder auf der Straße.
  • Jedes Jahr werden Millionen Mädchen noch als Kind verheiratet. Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt sind weltweit die Hauptursache aller Todesfälle bei Mädchen im Alter zwischen 15 und 19 Jahren.
  • Weltweit arbeiten schätzungsweise 246 Millionen Kinder. Rund 73 Millionen Arbeiter weltweit sind nicht einmal zehn Jahre alt.
  • Weltweit fallen nach Schätzungen jedes Jahr mehr als 1,2 Millionen Kinder Menschenhändlern zum Opfer.
  • UNICEF geht davon aus, dass mehr als eine Million Kinder weltweit inhaftiert sind, oft wegen kleinster Delikte.


UNICEF ruft dazu auf, sich beim Kampf gegen die Armut besonders auf die ärmsten Kinder zu konzentrieren. Regierungen tragen die Hauptverantwortung und müssen in folgenden Bereichen verstärkt und verbessert handeln:

Zahlen, Daten, Fakten
Um das Ausmaß von Benachteiligung in einer Gesellschaft einschätzen zu können, müssen mehr Daten zur Situation der Kinder ermittelt und diese genau aufgeschlüsselt werden – nach Faktoren wie Alter, Geschlecht, Haushaltseinkommen, geographische Lage.

Gesetzgebung
Regierungen müssen ihre Gesetzgebung im Sinne der Kinderrechtskonvention reformieren und die Gesetze durch sozialpolitische Maßnahmen unterstützen. Zum Schutz der ärmsten Kinder gehört auch, dass Verbrechen an Kindern wirksam verfolgt und bestraft werden. Die Opfer dürfen nicht kriminalisiert werden.

Finanzierung und Kapazitäten
Die Finanzmittel müssen aufgestockt oder zugunsten sozialer Investitionen umgeschichtet werden, damit sie den besonders benachteiligten Kindern in den ärmsten Ländern zugute kommen. Die Kapazitäten von Institutionen für Kinder müssen ausreichend verstärkt werden.

Programme
Ausgegrenzte Kinder sind gezielt zu unterstützen, damit sie ihr Recht auf Teilhabe an der Gesellschaft wahrnehmen können. Gesetze müssen durch Initiativen und Programme ergänzt werden, die insbesondere Frauen und Mädchen, Kinder aus ethnischen Minderheiten sowie behinderte Kinder vor Ausgrenzung und Benachteiligung schützen.

Aber auch die Zivilgesellschaft, Organisationen und die Medien sind aufgefordert, Kinder vor Ausgrenzung und Missbrauch zu bewahren. „Alle, die Kindern Schaden zufügen, berauben sie auch der Chance, sicher, gesund und in Würde aufzuwachsen“, sagte UNICEF-Direktorin Anne M. Veneman. „Um Kinder zu schützen müssen Missbrauch und Ausbeutung ans Licht und Täter vor Gericht gebracht werden.“