Kinderhandel in Österreich ist unterschätztes Problem

Weltweit werden nach Schätzungen von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, jährlich 1,2 Millionen Kinder zu Opfern von Kinderhandel. Auch Österreich ist von diesem Problem betroffen.

Kinder werden verkauft, müssen in Privathaushalten unter menschenunwürdigen Voraussetzungen arbeiten, müssen stehlen, betteln oder ihren Körper verkaufen. Menschenhandel ist für skrupellose kriminelle Organisationen zu einem lukrativen Geschäft geworden und mittlerweile wesentlich attraktiver als Waffen- oder Drogenhandel. Dazu kommt: Menschen lassen sich immer wieder „verkaufen“.

 

Anlässlich des morgigen EU-Tages gegen Menschenhandel machen die internationale Kinderrechtsorganisationen ECPAT (End Child Prostitution, Child Pornography and Trafficking of Children for Sexual Purposes), vertreten durch ECPAT Österreich, die internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen (FICE), das Büro der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Wien, das Ludwig Boltzmann-Institut für Menschenrechte (BIM) und UNICEF Österreich, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, darauf aufmerksam, dass Österreich zwar erhebliche Fortschritte in der Bekämpfung des Menschenhandels vorweisen kann, jedoch einige grundlegende Maßnahmen im Bereich des Kinderhandels ausständig sind.

Hervorzuheben ist, dass im Jahr 2004 eine interministerielle Task Force zu Menschenhandel einberufen wurde, die federführend in der Ausarbeitung des Nationalen Aktionsplans gegen Menschenhandel war, der erst im März 2007 verabschiedet worden ist. Weiters ist positiv zu bemerken, dass erst vor kurzem eine interministerielle Arbeitsgruppe zum Thema Kinderhandel eingerichtet worden ist.

Keine Daten zu Kinderhandel in Österreich
Das Fehlen von wissenschaftlichen Grunddaten zu gehandelten Kindern, die in Österreich identifiziert und betreut wurden bzw. werden, hat zur Folge, dass man über Ausmaß sowie Formen des Kinderhandels in Österreich nur spekulieren kann. Dokumentierte Zahlen gibt es lediglich in Wien, und diese sind erschreckend: seit 2004 hat es allein in Wien über 1.300 Aufgriffe gegeben – Kinder, die meist aus osteuropäischen Ländern wie Bulgarien und Rumänien zum Stehlen, Betteln oder sogar zur Prostitution nach Österreich gehandelt werden. Und diese Zahlen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar, denn Kinderhandel findet zumeist im Verborgenen statt.

Konzept einer bundesweiten Betreuung fehlt
Betroffene des Kinderhandels brauchen besonderen Schutz und besondere Unterstützung, weil sie häufig schwer traumatisiert sind. In Österreich gibt es aber bisher kein adäquates und koordiniertes Vorgehen bei der Betreuung für diese Kinder. Die Betreuung liegt in der Kompetenz der Bundesländer und hat den internationalen Standards und Richtlinien, die in Bezug auf gehandelte Kinder weltweit Geltung besitzen, zu entsprechen – von adäquater Grundversorgung bis zu einer spezifischen Kindeswohlprüfung vor etwaigen Rückführungen.  

Sensibilisierungsmaßnahmen sind nötig
Die Identifizierung der betroffenen Kinder stellt eine zentrale Herausforderung für alle beteiligten Akteure dar und reicht über die Polizei in den Bereich der Justiz, der Jugendwohlfahrt bis hin zu Organisationen z.B. im Flüchtlingsbereich hinein. Derzeit fehlt es aber vielfach an Sensibilisierung und Ausbildung, wie man Opfer des Kinderhandels erkennt oder worauf bei der Betreuung geachtet werden muss. Es fehlt häufig an Bewusstsein für diese neue Form der Sklaverei, bei der die Täter nicht davor zurückschrecken, die wehrlosesten und am meisten schutzbedürftigen Mitglieder der Gesellschaft brutal auszubeuten und ihnen die Kindheit zu nehmen.

Daher fordern die genannten Organisationen im Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention, die 1992 von Österreich ratifiziert worden ist, und anderen relevanten menschen- und kinderrechtlichen Richtlinien und Konventionen:

  • die Entwicklung eines Systems zur Datensammlung und –analyse
  • die Ausarbeitung eines bundesweiten Betreuungskonzepts für Betroffene des Kinderhandels und
  • eine Erweiterung der Sensibilisierungsmaßnahmen für alle relevanten Stellen.

 

In allen Belangen, in denen es um Kinder und besonders um Betroffene des Kinderhandels geht, muss die vorrangige Gewährleistung des Kindeswohls als oberstes Prinzip gelten.

Info-Material zum Thema "Kinderhandel"

Online-Spenden