Kinderlähmung in Europa besiegt

UNICEF: Kinder müssen aber weiter geimpft werden

Die Vereinten Nationen haben Europa heute als poliofrei erklärt. UNICEF sieht darin einen Meilenstein im weltweiten Kampf zur Ausrottung der Kinderlähmung. Gleichzeitig weist UNICEF daraufhin, dass auch in Österreich und den anderen europäischen Staaten weiter möglichst alle Kinder gegen die Infektion mit dem Polio-Virus geimpft werden müssen. Denn ein Ansteckungsrisiko kann erst ausgeschlossen werden, wenn Kinderlähmung weltweit ausgerottet ist und nicht durch Reisende wieder eingeschleppt werden kann. Das Polio-Virus ist heute noch in acht Ländern Afrikas und Asiens aktiv. Als besonders gefährdet gelten Nigeria, Indien, Pakistan und Afghanistan.

In 51 Ländern Europas und Zentralasiens ist dagegen seit drei Jahren kein einheimischer Fall von Kinderlähmung mehr aufgetreten, so die Europäische Expertenkommission zur Ausrottung der Kinderlähmung bei der Bekanntgabe der Zertifizierung in Kopenhagen. Europa ist damit nach Amerika und Australien der dritte Erdteil, der als frei von Kinderlähmung gilt. Um dies zu erreichen, hat UNICEF allein in den vergangenen drei Jahren für 177 Millionen Kinder in Osteuropa und Zentralasien Polio-Impfstoff beschafft.

UNICEF und seine Partner, darunter die Weltgesundheitsorganisation, haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2005 die Kinderlähmung weltweit auszurotten. Dazu sollen allein in diesem Jahr 575 Millionen Kinder in 94 Ländern der Erde geimpft werden. Der weltweite Sieg über Polio ist damit zum Greifen nah. Er wird aber derzeit durch eine Finanzierungslücke von 275 Millionen Dollar gefährdet.

Gefahr der Einschleppung noch nicht gebannt
Der letzte Fall von Kinderlähmung, der durch ein einheimisches Polio-Virus verursacht wurde, trat in Europa im November 1998 in der südlichen Türkei auf. Dort erkrankte ein 33 Monate altes Kleinkind, das nicht geimpft worden war. Im vergangenen Jahr erkrankten noch drei Kinder in Bulgarien und eines in Georgien - in diesen Fällen war der Erreger vermutlich aus Indien eingeschleppt worden. Eine Ausbreitung der hoch ansteckenden Virusinfektion wurde durch sofortige Impfaktionen verhindert. Um solchen eingeschleppten Erkrankungen vorzubeugen, ist es unerlässlich, weiterhin ein striktes Überwachungssystem für alle akuten Lähmungserkrankungen aufrecht zu erhalten und für alle Kinder eine Grundimmunisierung gegen das Polio-Virus zu gewährleisten, die im dritten Lebensmonat beginnt und mit einer dritten Impfung im Jugendalter abgeschlossen wird.

Warum eine komplette Ausrottung möglich ist
Das Polio-Virus wird durch Tröpfchen übertragen und kann innerhalb weniger Stunden in Gehirn und Rückenmark eindringen. Die Symptome ähneln zunächst einer Grippeerkrankung. Fünf bis zehn Prozent der Infizierten erkranken an Hirnhautentzündung, bei einem Prozent kommt es zu Lähmungen, die im Extremfall tödlich enden.

Einen Impfstoff gegen Polio gibt es seit 1955. Bis dahin erkrankten jährlich weltweit rund eine halbe Million Menschen - vorwiegend Kinder unter drei Jahren. In Europa kam es noch in den 50er Jahren regelmäßig zu Epidemien mit jährlich schätzungsweise 28.500 Opfern. In den 60er Jahren wurde weltweit die Schluckimpfung eingeführt, die seitdem auch in den Entwicklungsländern eingesetzt wird.

Eine Ausrottung von Kinderlähmung ist möglich, weil der Polio-Erreger außerhalb des menschlichen Körpers nur kurze Zeit überleben kann. UNICEF, die Weltgesundheitsorganisation, Rotary International und weitere Partner gründeten 1988 eine weltweite Initiative mit dem Ziel, die Welt bis zum Jahr 2005 von Polio zu befreien. Wird dies erreicht, könnten ab 2010 alle Auffrischungsimpfungen eingestellt werden. Kinderlähmung wäre dann nach den Pocken die zweite gefährliche Krankheit, die durch weltweite Impfungen besiegt wurde.

Befreiung von Polio würde pro Jahr 1,5 Milliarden Dollar einsparen
Die völlige Ausrottung von Polio ist greifbar: Seit 1988 wurde die Zahl der Poliofälle weltweit von damals schätzungsweise 350.000 Fällen in 125 Ländern um 99,8 Prozent auf 480 Fälle in nur noch zehn Ländern im vergangenen Jahr gesenkt. Mit dem heutigen Tag gilt die Kinderlähmung erstmals in Europa als besiegt.

Um so weit zu kommen, wurden einmalige Anstrengungen unternommen. So erhielten zwischen 1995 und 1998 allein in Europa und in den angrenzenden Staaten Asiens sowie der östlichen Mittelmeerregion 60 Millionen Kinder unter fünf Jahren jedes Jahr zwei Polioimpfungen. Zusätzlich gab es Impfkampagnen in besonderen Risikogebieten. Die nationalen Impftage benachbarter Länder wurden dabei zeitlich koordiniert - eine Methode, die mittlerweile weltweit beim Kampf zur Polio-Ausrottung angewendet wird.

Trotz dieser enormen Fortschritte ist der endgültige Erfolg der Kampagne derzeit gefährdet, weil zu ihrer Finanzierung noch 275 Millionen Dollar fehlen. Dabei würde sich diese Investition auch unter ökonomischen Gesichtspunkten lohnen. Denn gegenüber den möglichen Einsparungen ist diese Summe relativ klein. In einer Welt ohne Polio würden Jahr für Jahr Kosten von rund 1,5 Milliarden Dollar wegfallen, die derzeit für Impfkampagnen, Behandlung, Rehabilitation und Überwachungssysteme ausgegeben werden. UNICEF appelliert deshalb an die Regierungen, die Mittel zur endgültigen Überwindung dieser Geißel der Menschheit bereit zu stellen.

UNICEF ist eine internationale Non-Profit-Organisation, die von den Vereinten Nationen 1946 gegründet wurde, um den Kindern in Europa nach dem 2. Weltkrieg zu helfen. Heute ist UNICEF in 161 Ländern vor Ort für die Kinder im Einsatz.

UNICEF finanziert seine Arbeit ausschließlich aus freiwilligen Beiträgen.
PSK 15 16 500