Mehr als eines von fünf Kindern lebt in 40 der reichsten Länder der Welt in Armut

Florenz/New York/Wien – Einige der reichsten Länder der Welt verzeichneten zwischen 2014 und 2021 einen starken Anstieg der Kinderarmut, so die heute von UNICEF Innocenti - Global Office of Research and Foresight veröffentlichten Daten.

Ein Mädchen in Rumänien lehnt auf ihrem Fahrrad, im Hintergrund ist eine sehr einfache Hütte.

Der Bericht „Report Card 18: Child Poverty in the Midst of Wealth“ – die jüngste Ausgabe der Reihe, die sich mit dem Wohlergehen von Kindern in OECD- und EU-Ländern befasst – kommt zu dem Ergebnis, dass Polen und Slowenien bei der Bekämpfung der Kinderarmut am besten abschneiden, gefolgt von Lettland und der Republik Korea. Im Gegensatz dazu liegen einige der reichsten Länder in dem Bericht zurück und befinden sich am unteren Ende der Länderrangliste.

Der Bericht bietet das aktuellste und vergleichbarste Bild der Kinderarmut in den OECD- und EU-Ländern und analysiert die staatlichen Maßnahmen zur Einkommensunterstützung für Familien mit Kindern. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass trotz eines allgemeinen Rückgangs der Armut um fast 8 Prozent in 40 Ländern zwischen 2014 und 2021 immer noch mehr als 69 Millionen Kinder in Haushalten leben, die weniger als 60 % des durchschnittlichen nationalen Einkommens verdienen.

Kinderarmut in Österreich

Bezüglich schwerer materieller Kinderarmut konnte sich Österreich zwischen 2015 und 2021 von 3.7 % auf 2.7 % verbessern. Jedoch leben nach wie vor 10 % aller Kinder in Österreich in einem Zuhause, das ihre Gesundheit gefährdet, etwa durch Feuchtigkeit oder Schimmelbefall.

Auch in Österreich, einem der reichsten Länder der Welt, existiert Kinderarmut und sie ist im Studienzeitraum sogar gestiegen. Nur weil wir sie vielleicht nicht sehen, heißt das nicht, dass es sie nicht gibt.  So leben laut der neuen Studie im Schnitt der Jahre 2019-2021 19,2 % der Kinder – also beinahe jedes fünfte Kind – in Österreich in relativer Einkommensarmut. Circa die Hälfte davon, 9,2 %, ist von längerfristiger Armut betroffen, was mit starken negativen Auswirkungen auf die kognitive und körperliche Entwicklung verbunden ist.

Monetäre Kinderarmut, also in Einkommen bemessene Kinderarmut, ist in Österreich im Vergleichszeitraum (2010-2012 gegenüber 2019-2021) trotz relativ stabilem wirtschaftlichen Wachstum um 5 % gestiegen ist und es ist somit eines der Studienländer mit dem stärksten Anstieg (Platz 34) im Ranking von insgesamt 39 EU- und OECD Ländern. Österreich liegt laut den neuesten verfügbaren Statistiken auf Platz 24 bezüglich Einkommensarmut und erreicht daher im Schnitt beider Werte Platz 29 der Wertung, wobei die obersten Plätze an Länder gingen, die sowohl geringe Kinderarmutsraten aufweisen, als auch Kinderarmut seit 2014 erfolgreich bekämpfen konnten.

Bezüglich schwerer materieller Kinderarmut konnte sich Österreich zwischen 2015 und 2021 von 3.7 % auf 2.7 % verbessern. Jedoch leben nach wie vor 10 % aller Kinder in Österreich in einem Zuhause, das ihre Gesundheit gefährdet, etwa durch Feuchtigkeit oder Schimmelbefall.

Der Bericht bildet den Zeitraum bis 2021 ab und auch zu diesem Zeitpunkt war Kinderarmut in Österreich also bereits existent. Durch die diversen Krisen wie die COVID Pandemie und den Ukraine Konflikt sowie die darauffolgende Inflation und Teuerung bei Lebensmitteln und Energiepreisen hat sich das Problem weiter verschärft.

Armut hat für Kinder weitreichende Folgen. Etwa die körperliche und psychische Gesundheit leiden langfristig und Zukunftschancen werden genommen. Kinder haben ein Recht auf Versorgung und gesellschaftliche Teilhabe, bestmögliche Gesundheit sowie Bildung.  JEDES Kind hat diese Rechte. Von einer gerechten Gesellschaft gewinnen wir alle,“ so Corinna Geißler, Leiterin Advocacy & Kinderrechte, UNICEF Österreich.

Die Folgen von Armut können ein Leben lang anhalten. Kinder, die von Armut betroffen sind, haben geringere Chancen, die Schule abzuschließen und verdienen als Erwachsene weniger Geld. In einigen Ländern hat eine Person, die in einem benachteiligten Gebiet geboren wird, dem Bericht zufolge eine um acht bis neun Jahre geringere Lebenserwartung als eine Person, die in einem wohlhabenden Gebiet geboren wird.

Große Ungleichheiten bei der Armutsgefährdung

Der Bericht zeigt auch große Ungleichheiten bei der Armutsgefährdung auf. In 38 Ländern, für die Daten vorliegen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder, die in einer alleinerziehenden Familie leben, in Armut leben, mehr als dreimal so hoch wie bei anderen Kindern. Auch Kinder mit Behinderungen und Kinder aus ethnischen Minderheiten haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko.  

Den Ergebnissen zufolge verzeichnete diese Ländergruppe von 2012 bis 2019 ein stabiles Wirtschaftswachstum, was eine Gelegenheit bot, sich von den Auswirkungen der Rezession 2008-10 zu erholen. Während jedoch eine Reihe von Ländern die Kinderarmut in dieser Zeit verringerte, mussten einige der reichsten Länder die größten Rückschritte hinnehmen. Der Bericht zeigt auch, dass Länder mit ähnlichem Nationaleinkommen wie Slowenien und Spanien große Unterschiede in ihren Kinderarmutsquoten aufweisen – 10 % bzw. 28 %.

Dem Bericht zufolge können die Lebensbedingungen von Kindern unabhängig vom Wohlstand eines Landes verbessert werden. So haben beispielsweise Polen, Slowenien, Lettland und Litauen – die nicht zu den reichsten OECD- und EU-Ländern gehören – einen erheblichen Rückgang der Kinderarmut erreicht: minus 38 % in Polen und minus 31 % in den anderen Ländern. In fünf Ländern mit höherem Einkommen - dem Vereinigten Königreich (+20 %) sowie Frankreich, Island, Norwegen und der Schweiz (alle etwa +10 %) - ist die Zahl der Kinder, die in Haushalten mit finanziellen Schwierigkeiten leben, seit 2014 am stärksten gestiegen.

Um die Kinderarmut zu beseitigen, fordert die Report Card Regierungen und Interessengruppen auf, dringend folgende Maßnahmen zu ergreifen:

  • Den Sozialschutz für Kinder auszubauen, einschließlich Kinder- und Familienleistungen, um das Haushaltseinkommen der Familien aufzustocken.   
  • Sicherstellen, dass alle Kinder Zugang zu hochwertigen Basisdienstleistungen wie Kinderbetreuung und kostenlose Bildung haben, die für ihr Wohlergehen unerlässlich sind.
  • Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten mit angemessener Entlohnung und familienfreundlichen Maßnahmen, wie z. B. bezahlter Elternurlaub, um Eltern und Betreuer bei der Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungsaufgaben zu unterstützen.
  • Sicherstellen, dass es Maßnahmen gibt, die auf die besonderen Bedürfnisse von Minderheitengruppen und Einpersonenhaushalten zugeschnitten sind, um den
  • Zugang zu Sozialschutz, wichtigen Dienstleistungen und menschenwürdiger Arbeit zu erleichtern und Ungleichheiten zu verringern.

Für Redaktionen:

Der Bericht auf Englisch mit weiteren Informationen.

„Report Card 18: Child Poverty in the Midst of Wealth“ (Kinderarmut inmitten von Wohlstand) knüpft an die 2014 veröffentlichte Analyse der Auswirkungen der Rezession von 2008-10 auf die Kinderarmut in Report Card 12 an und untersucht die Fortschritte, die in den letzten zehn Jahren erzielt wurden, sowie die Frage, was noch getan werden muss, um Ergebnisse für Kinder zu erzielen.

Report Card 18 verwendet monetäre und nicht-monetäre (materielle Deprivation) Maße für seine Analyse. Das Hauptmaß des Berichts ist die relative Einkommensarmut, d. h. der Anteil der Menschen, die weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens verdienen. Die nichtmonetäre Armut misst den Zugang zu wesentlichen Gütern und Dienstleistungen.