Mit Kindern über Konflikte und Krieg sprechen
Blog: Hilfestellung, wie Sie Ihre Kinder unterstützen können.
Wenn Konflikte oder Kriege in die Schlagzeilen geraten, können sie Gefühle wie Angst, Traurigkeit, Wut und Unruhe auslösen, egal wo man lebt.
Dr.in Caroline Culen, Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit betont als Psychologin: „Die aktuellen gewaltsamen Auseinandersetzungen im Nahen Osten versetzen die ganze Welt in Alarmbereitschaft. In einer global vernetzten Welt erreichen uns Nachrichten fast in Echtzeit, emotionale Nähe entsteht in Sekundenschnelle und wird teilweise über unterschiedliche Social Media Kanäle nochmals verstärkt. All das geht an Kindern und Jugendlichen nicht spurlos vorbei.
Die bedrohlichen Bilder von Gewalt und Terrorismus treffen auf junge Menschen, die durch Erfahrungen während der Coronapandemie, die nach wie vor andauernden kriegerischen Konflikte in der Ukraine und Energie-, Teuerungs- und Umweltkrisen unter Dauerbelastung stehen und dadurch geprägt sind.
Unsichere Zukunftsprognosen und damit verbunden gesellschaftliche Spaltungen stellen die psychische Gesundheit und den Zusammenhalt der Gesellschaft auf eine harte Probe.
In der Auseinandersetzung zum Thema „wie spreche ich mit Kindern über Konflikte, Krieg und deren Auswirkungen auf unser Leben“ zeigt sich das starke Bedürfnis, unsere Kinder und Jugendlichen jetzt nicht mit ihren Fragen, Sorgen und Gefühlen alleine zu lassen, sondern ihnen Unterstützung durch Zuhören und Gespräche zu bieten. Gleichzeitig ist die Regulierung der Dosis des Nachrichtenkonsums wichtig und in Balance zu bringen mit gesundheitsfördernden Aktivitäten: Zeit mit vertrauten, wichtigen Menschen verbringen, sich auf eine positive Weise aktiv für andere Personen einsetzen, Dinge tun, die persönlich Freude machen wie Musik hören, in der Natur sein, kreativ werden oä.“
Hier sind einige Tipps, wie Sie das Gespräch mit Ihrem Kind angehen und ihm Unterstützung und Trost spenden können.
1. Finden Sie heraus, was Ihr Kind weiß und wie es sich fühlt
Wählen Sie einen Zeitpunkt und einen Ort, an dem Sie das Thema auf natürliche Weise ansprechen können und Ihr Kind sich wohlfühlt, um frei sprechen zu können, z. B. während eines Familienessens. Versuchen Sie, das Thema nicht kurz vor dem Schlafengehen anzusprechen.
Ein guter Ausgangspunkt ist, Ihr Kind zu fragen, was es weiß und wie es sich fühlt. Manche Kinder wissen vielleicht nur wenig über das, was passiert ist, und sind nicht daran interessiert, darüber zu sprechen. Andere machen sich vielleicht im stillen Sorgen. Bei jüngeren Kindern können Malen, Geschichten und andere Aktivitäten helfen, ein Gespräch zu beginnen.
Kinder können die Nachrichten auf vielerlei Weise erfahren, daher ist es wichtig, sich zu informieren, was sie sehen und hören. Dies ist eine Gelegenheit, sie zu beruhigen und möglicherweise falsche Informationen zu korrigieren, die sie im Internet, im Fernsehen, in der Schule oder von Freund:innen erhalten haben.
Ein ständiger Strom beunruhigender Bilder und Schlagzeilen kann den Eindruck erwecken, dass die Krise überall um uns herum ist. Jüngere Kinder können möglicherweise nicht zwischen den Bildern auf dem Bildschirm und ihrer eigenen Realität unterscheiden und glauben, dass sie sich in unmittelbarer Gefahr befinden, auch wenn der Konflikt weit entfernt stattfindet. Ältere Kinder haben vielleicht beunruhigende Dinge auf Social Media gesehen und haben Angst davor, wie die Ereignisse eskalieren könnten.
Es ist wichtig, die Sorgen von Kindern und Jugendlichen nicht zu bagatellisieren oder abzutun. Wenn sie eine Frage stellen, die Ihnen vielleicht extrem vorkommt, wie z. B. „Werden wir alle sterben?", versichern Sie ihnen, dass das nicht passieren wird. Versuchen Sie aber auch herauszufinden, was sie gehört haben und warum sie sich Sorgen machen, dass das passieren könnte. Wenn Sie verstehen können, woher die Sorge kommt, können Sie sie wahrscheinlich eher beruhigen.
Achten Sie darauf, dass Sie die Gefühle des Kindes anerkennen und ihm versichern, dass seine Gefühle ganz natürlich sind. Zeigen Sie, dass Sie zuhören, indem Sie ihnen Ihre volle Aufmerksamkeit schenken und sie daran erinnern, dass sie jederzeit mit Ihnen oder einem anderen vertrauenswürdigen Erwachsenen sprechen können.
Verwenden Sie eine altersgerechte Sprache, beobachten Sie die Reaktionen der Kinder und gehen Sie auf ihre Ängste ein.
2. Bleiben Sie ruhig und altersgerecht
Kinder haben ein Recht darauf zu erfahren, was in der Welt vor sich geht. Erwachsene haben aber auch die Verantwortung, sie vor Gefahren zu bewahren. Sie kennen Ihr Kind am besten. Verwenden Sie eine altersgerechte Sprache, achten Sie auf seine Reaktionen und seien Sie sensibel für seine Ängste.
Es ist normal, wenn auch Sie traurig oder besorgt über die Ereignisse sind. Denken Sie aber daran, dass Kinder ihre Emotionen von uns Erwachsenen abschauen, also versuchen Sie, Ihrem Kind nicht zu viel von Ihren Ängsten mitzuteilen. Sprechen Sie ruhig und achten Sie auf Ihre Körpersprache, z. B. Ihren Gesichtsausdruck.
Versichern Sie Ihren Kindern, so gut Sie können, dass sie vor Gefahren sicher sind. Erinnern Sie sie daran, dass viele Menschen auf der ganzen Welt hart daran arbeiten, den Konflikt zu beenden, um Frieden zu finden.
Denken Sie daran, dass es in Ordnung ist, nicht auf jede Frage eine Antwort zu haben. Sie können sagen, dass Sie nachschlagen müssen, oder die Frage als Gelegenheit nutzen, um mit älteren Kindern gemeinsam Antworten zu finden. Nutzen Sie die Websites seriöser Nachrichtenorganisationen oder internationaler Organisationen wie UNICEF und der UN. Erklären Sie, dass einige Informationen im Internet nicht korrekt sind und, dass es wichtig ist, zuverlässige Quellen zu finden.
3. Mitgefühl statt Stigmatisierung
Konflikte bringen oft Vorurteile und Diskriminierung mit sich, sei es gegenüber einem Volk, einem Land oder einer Religionszugehörigkeit. Wenn Sie mit Ihren Kindern sprechen, vermeiden Sie Bezeichnungen wie „schlechte Menschen" oder „böse". Sie können stattdessen die Gelegenheit nützen, um Mitgefühl zu wecken, zum Beispiel für Familien, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.
Auch wenn ein Konflikt in einem weit entfernten Land stattfindet, kann er Diskriminierung vor der eigenen Haustür schüren. Vergewissern Sie sich, dass Ihre Kinder nicht von Mobbing betroffen sind oder dazu beitragen. Wenn sie in der Schule beschimpft oder gemobbt werden, ermutigen Sie sie, Ihnen oder einem Erwachsenen ihres Vertrauens davon zu erzählen.
Erinnern Sie Ihre Kinder daran, dass jede/r es verdient, in der Schule und in der Gesellschaft sicher zu sein. Mobbing und Diskriminierung sind immer falsch. Jede/r von uns sollte dazu beitragen, Freundlichkeit zu verbreiten und sich einander gegenseitig zu unterstützen.
Das Gefühl, etwas zu tun, und sei es noch so klein, kann oft großen Trost spenden.
4. Konzentrieren Sie sich auf die Helfer:innen
Für Kinder ist es wichtig zu wissen, dass Menschen sich einander gegenseitig mit mutigen und freundlichen Taten helfen. Finden Sie positive Geschichten, z. B. von Ersthelfer:innen, die Menschen helfen, oder von jungen Menschen, die zum Frieden aufrufen.
Fragen Sie Ihr Kind, ob es sich an einer positiven Aktion beteiligen möchte. Vielleicht könnte es ein Plakat malen oder ein Gedicht für den Frieden schreiben. Sie könnten auch an einer lokalen Spendenaktion teilnehmen oder sich einer Petition anschließen. Das Gefühl, etwas zu tun, und sei es noch so klein, kann oft großen Trost spenden.
5. Beenden Sie Gespräche mit Sorgfalt
Wenn Sie Ihr Gespräch beenden, sollten Sie darauf achten, dass Sie Ihr Kind nicht in einem Zustand der Verzweiflung zurücklassen. Versuchen Sie, den Grad seiner Angst einzuschätzen, indem Sie seine Körpersprache beobachten, darauf achten, ob es seinen gewohnten Tonfall benutzt und auf seine Atmung achten.
Erinnern Sie Ihr Kind daran, dass es Ihnen wichtig ist und, dass Sie ihm zuhören und es unterstützen, wenn es sich besorgt fühlt.
6. Fragen Sie nach
Während die Nachrichten über den Konflikt weitergehen, sollten Sie immer wieder bei Ihrem Kind nachfragen, um zu sehen, wie es ihm geht. Wie fühlt es sich? Hat es neue Fragen oder Dinge, über die es mit Ihnen sprechen möchte?
Wenn Ihr Kind besorgt oder ängstlich über die Ereignisse zu sein scheint, achten Sie auf Veränderungen in seinem Verhalten oder seinem Befinden, z. B. Bauch- oder Kopfschmerzen, Albträume oder Schlafprobleme.
Kinder reagieren unterschiedlich auf belastende Ereignisse. Manche Anzeichen von Angst und Sorgen sind vielleicht nicht so offensichtlich. Jüngere Kinder sind vielleicht anhänglicher als sonst, während Teenager intensive Trauer oder Wut zeigen können. Viele dieser Reaktionen dauern nur kurze Zeit an und sind normal bei belastenden Ereignissen. Wenn diese Reaktionen über einen längeren Zeitraum andauern, braucht Ihr Kind möglicherweise fachliche Unterstützung.
Sie können ihm helfen, Stress abzubauen, indem Sie gemeinsam Aktivitäten wie Bauchatmung durchführen:
Nehmen Sie fünf tiefe Atemzüge, indem Sie fünf Sekunden lang ein- und fünf Sekunden lang ausatmen. Atmen Sie dabei durch die Nase ein und durch den Mund aus.
Erklären Sie Ihrem Kind, dass es beim Einatmen seinen Bauch wie einen Ballon sanft aufbläst und beim Ausatmen die Luft langsam wieder aus dem Ballon entweicht.
Seien Sie bereit, mit Ihrem Kind zu sprechen, wenn es das Thema anspricht. Wenn es kurz vor dem Schlafengehen ist, schließen Sie es mit etwas Positivem ab, z. B. indem Sie ihm eine Lieblingsgeschichte vorlesen, damit es gut einschlafen kann.
7. Begrenzen Sie die Flut der Nachrichten
Achten Sie darauf, wie viel Ihre Kinder von den Nachrichten mitbekommen, wenn diese voller alarmierender Schlagzeilen und verstörender Bilder sind. Erwägen Sie, die Nachrichten bei jüngeren Kindern abzuschalten. Bei älteren Kindern könnten Sie dies zum Anlass nehmen, darüber zu sprechen, wie viel Zeit sie mit dem Konsum von Nachrichten verbringen und welchen Nachrichtenquellen sie vertrauen. Überlegen Sie auch, wie Sie mit anderen Erwachsenen über den Konflikt sprechen, wenn Ihre Kinder in Hörweite sind.
Versuchen Sie so oft wie möglich, positive Ablenkungen zu schaffen, wie z. B. zu spielen oder gemeinsam spazieren zu gehen.
8. Kümmern Sie sich um sich selbst
Sie können Ihren Kindern besser helfen, wenn auch Sie selbst mit der Situation fertig werden. Die Kinder nehmen Ihre eigene Reaktion auf die Nachricht auf. Es hilft ihnen, wenn sie wissen, dass Sie ruhig sind und sich unter Kontrolle haben.
Wenn Sie sich ängstlich oder aufgeregt fühlen, nehmen Sie sich Zeit für sich selbst und wenden Sie sich an andere Familienmitglieder, Freund:innen und vertraute Menschen. Achten Sie darauf, wie Sie Nachrichten konsumieren: Versuchen Sie, während des Tages bestimmte Zeiten festzulegen, in denen Sie sich über das Geschehen informieren, anstatt ständig online zu sein. Nehmen Sie sich so viel Zeit wie möglich, um Dinge zu tun, die Ihnen helfen, sich zu entspannen und zu erholen.
Dieser Artikel ist aus dem Englischen übersetzt.