Naher Osten: Kinder sind keine Feinde

Kinder im Nahen Osten leiden unter Elend und Trauma

Anlässlich des Weltkindertages am 20. September ruft UNICEF Israelis und Palästinenser dazu auf, umgehend das Blutvergießen an Kindern zu stoppen. Kinder leiden am härtesten unter der Eskalation im Nahen Osten. Seit dem Beginn der sogenannten Al-Aksa Intifada im September 2000 wurden mehr als 395 Kinder und Jugendliche getötet. 323 von ihnen kamen aus der Westbank und dem Gazastreifen: 72 aus Israel. Mehr als 4.500 Israelis und 20.000 Palästinenser wurden bei Kämpfen und Anschlägen zum Teil schwer verletzt, darunter mehr als 7.000 palästinensische Kinder. Nach Angaben der israelischen Regierung verloren in den vergangenen zwei Jahren bei fast 100 Selbstmordanschlägen mehr als 250 Menschen ihr Leben: darunter viele Kinder.

Kinder sind keine Feinde - Verzweiflung ist keine Basis für Frieden: UNICEF schlägt folgende erste Schritte vor:

., Beide Seiten müssen den Einsatz von Gewaltmitteln, auch von scharfer Munition, gegen Kinder und Jugendliche ächten:

., Kindergärten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen müssen als "Friedenszonen" behandelt werden und dürfen nicht länger Ziel von Gewaltaktionen sein:

., Die Medien in den palästinensischen Autonomiegebieten und in Israel müssen ihre aufpeitschende Berichterstattung über den Konflikt reduzieren:

., Die palästinensische Autonomiebehörde muss aktiv dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche sich nicht an gewalttätigen Auseinandersetzungen beteiligen.


Die Folgen der Eskalation:
Keines der rund 1,3 Millionen Kinder in den palästinensischen Autonomiegebieten kann heute den Folgen der Gewaltspirale ausweichen. Und auch in Israel leben Heranwachsende in ständiger Angst und Unsicherheit vor Anschlägen.

., 80 Prozent der palästinensischen Kinder leiden unter psychischen Problemen wie Schlafstörungen, Ängsten und Konzentrationsschwierigkeiten. Insbesondere kleinere Kinder haben Albträume, machen ins Bett und leiden unter Angstzuständen. Psychosomatische Probleme wie Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Hautkrankheiten haben zugenommen. Nach einer Untersuchung der Universität Tel Aviv leiden rund 30 Prozent der Kinder von israelischen Siedlern am sogenannten posttraumatischen Stresssyndrom. Dies bedeutet, dass traumatische Erfahrungen plötzlich wieder aufleben. Die Kinder leiden unter Angstattacken, Stimmungswechseln und Verhaltensstörungen.

., Die Mehrheit der palästinensischen Kinder und Jugendlichen sind pessimistisch und haben keine Hoffnung, dass sich ihre Situation verbessern könnte. Während viele mit Apathie und Rückzug reagieren, schlagen bei einigen Frustration, Demütigung, Verzweiflung und Patriotismus in Gewaltbereitschaft um. Allerdings beteiligt sich - entgegen der Darstellung in internationalen Medien - nur eine kleine Gruppe der Heranwachsenden an Straßenkämpfen.

Der hoffnungslose Alltag:
UNICEF setzt sich seit Jahren dafür ein, dass trotz des anhaltenden Konflikts die Schulen für die palästinensischen Kinder geöffnet bleiben. Doch allein 275 Schulen in der Westbank liegen direkt in der Nähe der Konfrontationslinien. 185 Schulen wurden in den vergangenen zwei Jahren bei israelischen Militäroperationen beschädigt: elf Schulen wurden zerstört und drei werden bis heute als israelische Militärposten genutzt. Im Frühjahr 2002 konnten in der Westbank rund 600.000 Kinder mindestens einen Monat lang nicht zur Schule gehen.

In der ersten Woche des neuen Schuljahres, dass am 31.August begann, blieben 49 Schulen in Jenin, Nablus und Hebron wegen anhaltender Ausgangssperren geschlossen. Mehr als 120.000 palästinensische Kinder und 3.000 Lehrer konnten das neue Schuljahr nicht beginnen. In Ramallah und Al-Bireh wurden Schüler, denen es gelungen war, zum Unterricht zu gelangen, von plötzlich eingesetzten Ausgangssperren überrascht und konnten die Schulen nicht mehr verlassen.

Soziales Elend ist keine Basis für Frieden:
Die soziale Lage der palästinensischen Bevölkerung hat sich in den vergangenen Monaten kontinuierlich verschlechtert. Mehr als zwei Drittel der Haushalte lebt heute unterhalb der Armutsgrenze (Westbank: 57,8 Prozent: Gazastreifen: 84,6 Prozent). Rund 500.000 Kinder sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

UNICEF-Nothilfeprogramm:
UNICEF unterstützt seit 1994 den Aufbau einer sozialen Grundversorgung der Kinder in der Westbank und im Gazastreifen. Doch das faktische Ende des Friedensprozesses und die Zerstörung von Teilen der Infrastruktur der Autonomiebehörde zwingen UNICEF dazu, wieder Nothilfeprogramme zur Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen durchzuführen. Ein Schwerpunkt der UNICEF-Arbeit sind auch psychosoziale Hilfen für Kinder. In diesem Sommer nahmen zum Beispiel 32.500 Kinder an Sommercamps teil. Rund 2.500 Erzieher und 550 Lehrer lernten in Kursen, wie sie psychische Probleme von Kindern erkennen und damit umgehen können.