Neuer UNICEF-Report: Kinder mit Behinderungen in Osteuropa

Viele Kinder mit Behinderungen immer noch „abgeschrieben"

Genf/Florenz/Wien, 5.10.2005: Seit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion ist die Zahl der Kinder mit Behinderungen in Osteuropa und Zentralasien dramatisch angestiegen. Diese Zunahme ist laut UNICEF großteils darauf zurückzuführen, dass Behinderungen nun verstärkt erkannt und anerkannt werden.

Nach Angaben des neuen UNICEF Reports „Children and Disability in Transition in CEE/CIS and Baltic States“ hat sich in den 27 untersuchten Ländern der Region[1] die Zahl der registrierten Kinder mit Behinderungen von 500.000 im Jahr 1990 auf 1,5 Millionen im Jahr 2000 verdreifacht. Schätzungen gehen zusätzlich von einer Dunkelziffer von einer weiteren Million behinderter Kinder aus, die nicht offiziell registriert sind. Die meisten dieser Kinder müssen ihr Leben in geschlossenen Anstalten verbringen und leiden unter Stigma und Diskriminierung.

Jahrzehntelang wurden unzählige Kinder mit Behinderungen in Institutionen untergebracht – und diese Praktik wurde auch nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion beibehalten. Im Jahr 2002 lebten etwa 317.000 Kinder in der Region in Heimen. Von klein auf von ihren Familien getrennt leben diese Kinder meist abgesondert vom Rest der Gesellschaft in riesigen Einrichtungen.

„Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden behinderte Kinder ´sichtbarer` und die öffentliche Einstellung gegenüber Behinderungen verändert sich ebenfalls. Und trotzdem werden viele behinderte Kinder noch immer von der Gesellschaft ´abgeschrieben`“, sagte Marta Santos Pais, Direktorin des UNICEF-Forschungszentrums in Florenz.

Armut und Behinderung gehen oft Hand in Hand, Familien mit behinderten Kindern neigen dazu, ärmer zu sein als andere Familien. Noch immer werden Behinderungen nicht richtig oder rechtzeitig erkannt, oft gibt es keine oder eine nur unzureichende Behandlung. Ohne staatliche Unterstützung und mit eingeschränktem Zugang zu Behandlung und Betreuung ihrer Kinder sehen Eltern oft keinen anderen Ausweg als die Unterbringung im Heim.

„Bittere Armut, fehlende Alternativen und veraltete medizinische Ansätze erklären die hohe Zahl von Kindern in Heimen“, fügte Marta Santos Pais hinzu. „Die Realität sieht so aus, dass Eltern denken, sie haben keine andere Wahl als ihre Kinder aufzugeben. Was diese Familien wirklich brauchen ist beträchtliche soziale und wirtschaftliche Unterstützung.“